Rundtour Friaul 2023 1 2 3 4
Von Muggia ins Triester Karst und noch kurz ins Soča-Tal
Muggia
(furlanisch: Mugle, deutsch: Mulgs, slowenisch: Milje) ist der letzte verbliebene italienische Ort auf der Halbinsel Istrien und der südlichste von Friaul/Julisch Venetien (1954 wurde das Freie Territorium Triest zwischen Italien und Jugoslawien aufgeteilt). Muggia hat mit 19 zugehörigen Dörfern etwa 13000 Einwohner und nimmt einen etwa 6 km breiten Zipfel im Norden der istrischen Halbinsel ein, nördlich liegt die Hafenstadt Triest, südlich reicht es bis zur Grenze nach Slowenien. Der Kernort Muggia ist ein kleiner mittelalterlicher Fischerort am Adria-Golf von Triest. Er hat eigentlich zwei historische Enstehungslinien: Mit der Gründung Aquileias 181 v.d.Z. zum Schutz ihrer nordöstlichen Eroberungen begannen die Römer auch, das südlich davon gelegene Istrien zu kontrollieren, um Angriffe der Histrier abzuwehren. Nach dem Sieg gegen die Histrier 178 v.d.Z. gründeten sie den Militärstützpunkt Castrum Muglae zum Schutz ihrer Handelstraßen etwa 1 km von der Küste landeinwärts auf einem etwa 170 m.ü.d.M. gelegenen Höhenzug (Monte San Michele): das sich bis ins frühe Mittelalter als das ursprüngliche Muggia entwickelte, das heutige Muggia Vecchia (Alt-Muggia). Nach dem Untergang des Weströmischen Reiches, der wechselnden Herrschaft über Friaul und Istrien der Völkerwanderung und des Karolingischen Frankenreichs wurde Muggia 971 dem Patriarchat von Aquileia zugesprochen und damit Teil des Römisch-Deutschen Kaiserreiches. Die Küstengebiete Istriens blieben aber unter dem Einfluss Venedigs. Direkt an der Küste entstand im Mittelalter der venezianische Fischerort Borgolauro (Lorbeer-Dorf?) an der Stelle des heutigen Muggia. Wegen der Überfälle und Plünderungen aus dem istrischen Hinterland siedelten die Bewohner von Muggia nach und nach ins nahe Borgo Lauro um. Dieser Ort wurde unter venezianischem Einfluss weiter ausgebaut, z.B. 1263 der Duomo Arcipretale dei Santi Giovanni e Paolo (Erzpriester-Kathedrale der Heiligen Johannes und Paul) eingeweiht. Im 13./14. Jh. geriet die Gegend ins Spannungsfeld der Machtinteressen zwischen Genua, Venedig und dem Patriarchat von Aquileia. 1353 wurde das alte Muggia von Genuesern zerstört, nur die Kirche Santa Maria Assunta blieb stehen. Die Einwohner siedelten endgültig an den Küstenort um, Borgo Lauro wurde das neue Muggia. Im Mittelalter waren Istrien und Muggia venezianisch dominiert, nach der Eroberung durch Napoleon wurden Friaul, Triest und Istrien Teil des Habsburger-Österreichischen Kaiserreichs bis es nach dem 1. Weltkrieg an Italien fiel. Mitte des 19. Jh. war in Muggia die größte Werft Österreich-Ungarns für Kriegs- und Handelsschiffe (das ist heute das größte europäische Schiffbauunternehmen Fincantieri für Kreuzfahrtschiffe mit Sitz in Triest, in Muggia gibts noch die Yacht-Reparatur-Werft Sanrocco). Muggia ist heute ein kleiner malerischer Küstenort mit einem venezianisch geprägten historischen Altstadtviertel. Es gibt noch einen der selten erhaltenen Stadthäfen Mandracchio (Begriff für Herde) für kleine (Fischer-)Boote, der bis in den Ort hineinragt. Daneben liegt als Stadtzentrum die Piazza Marconi mit dem venezianischen Rathaus (13. Jh., nach Brand 1930 restauriert und erweitert) und dem Duomo Arcipretale dei Santi Giovanni e Paolo (Erzpriester-Kathedrale der Heiligen Johannes und Paul) und ein paar Restaurants und Bars. Der Dom wurde auf einer kleinen Vorgängerkirche aus dem Jahr 1000 (als Borgolauro entstand) erbaut, 1263 geweiht und 1467 mit der charakteristischen venezianischen Kleeblattfassade aus weißem Aurisina-Kalkstein versehen. Die historische Altstadt umgibt die Piazza in einem Oval von etwa 300 x 200 m, die von engen verwinkelten Gassen durchzogen wird. Die Altstadt wirkte aber nicht zu sehr touristisch, sondern eher alltagslebendig mit Bäcker, Fleischer und anderen Läden. Ursprünglich wurde die Altstadt einschließlich des Hafens durch eine Stadtmauer geschützt, die von der mittelalterlichen Burg des Patriarchen von Aquileia Marquard von Randeck (erbaut 1375-99) in der Oberstadt dominiert wurde. Im 19. Jh. verfiel die ungenutzte Burg zunehmend, bis sie der italienische Bildhauer Villi Bossi 1991 kaufte und als Wohnhaus und Atelier renovieren ließ (gelegentlich wird sie für Kulturveranstaltungen genutzt und kann zu Denkmalstagen oder auf Anmeldung besichtigt werden). Der Torre Loredan ist der letzte erhaltene Turm der weitgehend abgetragenen Stadtmauer. Er quetscht sich mit der Chiesa di San Francesco in die Gassen der Oberstadt. Die Franziskus-Kirche war ursprünglich Teil eines Franziskaner-Klosters (Anfang 15. Jh.), das unter napoleonischer Herrschaft aufgehoben wurde. Der schlichte Bau der Franziskaner-Gotik beherbergt noch drei wertvolle historische Altäre. Etwa 1,5 km landeinwärts auf dem Monte San Michele (170 m.ü.d.M.) befindet sich der Archäologische Park Muggia Vecchia (Alt-Muggia), die Überreste des ursprünglichen Muggia an der Stelle des römischen Castrum Muglae (etwa 1. Jj. v.d.Z.) Neben einigen Tor-Mauerresten und Fundamentausgrabungen ist nur die Basilica Santa Maria Assunta (Heilige Maria Himmelfahrt) erhalten geblieben. Die kleine romanische Basilika aus dem 10. Jh. (gestiftet 931, auf einem älteren Vorgängerbau, der Turm wurde im 13. Jh. angebaut) ist sehr sehenswert. Sie diente auch nachdem die Einwohner im 13./14. Jh. in den Küstenort Borgolauro umgesiedelt sind als Pilgerkirche. Bemerkenswert sind die mittelalterlichen Wandmalerein mehrerer Künstler aus dem 13.-15. Jh. Sie illustrieren christliche Glaubensvorstellungen in naiven byzantinisch-ikonenhaften Bildergeschichten: die heilige Katharina von Alexandria, der Schutzheilige der Reisenden und Pilger Christopherus, Marias Tod und Himmelfahrt, die vier Evangelisten… (die Malereien wurden 2019 restauriert). Außerdem gibt es mit dem Ambo (Lesepult/Kanzel) und den Chorschranken Teile eine älteren Vorgängerkirche aus dem 8.-10. Jh., die ziemlich langobardisch oder karolingisch aussehen. Um die Kirche herum gibts es noch einen kleinen Park mit einem Archäologischen Museum und mit einer Aussichtsterrasse nach Norden auf den Golf von Triest, die Stadt und den Hafen und das Karstgebirge im Hinterland.
Mehr Informationen: muggiacultura.eu | www.comune.muggia.ts.it/…
In der wirklich letzten italienischen Istrien-Ecke 250 m vor der slowenischen Grenze, hatten wir auf dem Campingplatz San Bartolomeo noch eine Bleibe für 2 Nächte gefunden (dann wurde er in den Winterschlaf versetzt).
Val Rosandra
Den Tipp zu einer Wanderung im Naturpark Val Rosandra (slowenisch: Dolina Glinščice) bekamen wir in der Touristinfo von Muggia. Das Val Rosandra ist das einzige Flusstal im Triester Karst, ein Kalkstein-Hochplateau östlich von Triest an der Grenze zu Slowenien (wo der größte Teil des Karstgebirges liegt, insgesamt ein Gebiet von etwa 40 km Länge und 13 km Breite parallel zur Adriaküste). Karst besteht aus porösem, wasserdurchlässigen und -löslichen Gestein, es kann sich kaum Oberflächenwasser sammeln, sondern es sickert in das Gestein und fließt unterirdisch. Im wasserlöslichen Kalkgestein bildeten sich über Millionen Jahre unterirdische Flüsse, Höhlen, Dolinen und Schlundlöcher. Ausgangspunkt für Wanderungen im Triester Karst ist der kleine Ort Bagnoli della Rosandra (slowenisch: Boljunec). Auf dem Weg dorthin muss man aber erst mal die gar nicht idyllischen Industriegebiete und Tanklager südöstlich von Triest passieren, die direkt an die Karstorte Bagnoli della Rosandra, San Dorligo della Valle/Dolina angrenzen. Der Kontrast zu den kleinen beschaulichen Orten am Rande des Karsts (die nur etwa 8 km vom Stadtzentrum Triest entfernt sind) könnte nicht größer sein. In allen Dolina-Karstdörfern östlich von Triest zusammen leben etwa 5700 Leute, davon etwa 1300 in Bagnoli della Rosandra/Boljunec (etwa 70 % der Bewohner dieser Grenzgegend sind slowenischer Nationalität). An einem kleinen Parkplatz direkt am Flüsschen Rosandra findet man die Mühlsteine einer alten Wassermühle und erfährt auf einer Infotafel, dass ab dem Mittelalter am Rosandrabach Wassermühlen entstanden, im 18. Jh. waren es 16, im 19. Jh. 32, die letzte wurde bis Anfang der 1970er Jahre betrieben. Entlang der Viale Botazzo kommt man zum Ortsteil Bagnoli Superiore (Ober-Bagnoli)/Gornji Konec (Oberes Ende), wo es seit 1933 die tiefstgelegene Hütte des Julischen Alpenvereins gibt auf 82 m.ü.d.M.: Refugio Mario Premuda (Bergsteiger und Höhlenforscher aus Triest). Sie dient als Ausgangspunkt für Wanderungen, Mountainbike-, Kletter- und Höhlen-Touren im Rosandra-Gebiet. Heute ist das Naturschutzgebiet ein Naherholungsgebiet für Einheimische, Triester und wenige Touristen. Neben dem Wanderweg ins Val Rosandra liegt am Berghang ein römischer Wasserkanal/Aquädukt, der vom 1. bis zum 6. Jh. Tergeste/Triest mit Trinkwasser aus dem Rosandra-Tal versorgte. Der Wanderweg nach Botazzo/Botač an der slowenischen Grenze folgt dem Flusslauf der Rosandra und steigt dabei immer höher in die Karstberge. Der Weg ist Teil des Alpe-Adria-Trails (Etappe 36), war früher die Salzstraße von den Salinen bei Triest/Muggia ins Krain und wird als Sentiero dell’Amicizia (Freundschaftsweg) bezeichnet, eine Initiative grenzüberschreitender Begegnungen zwischen Italien und Slowenien. Die Karstlandschaft des Val Rosandra wird geprägt von Geröllhalden, horizontalen Felsbändern, steilen Felsabbrüchen, dem eingeschnittenen Flusslauf des Rosandrabaches, viele Höhlen und lichten Wald (Hopfen-Buche, Zerr-Eiche, Manna-Esche, Felsen-Faulbaum sagt Wiki Pedia). Ein steiler Abstecher vom Hauptweg führt an der Comici-Rippe aufwärts zur Wallfahrtskirche Santa Maria in Siaris. Es ist eine kleine einfache mediterrane Hallenkirche mit Glockengiebel aus dem 13. Jh. (später öfter verfallen und wieder renoviert), sie ist nur zu bestimmten Bergmessen geöffnet. Ab 1367 sollen Geißler der Battuti-Bruderschaft beim Pilgern zur Kirche den Weg zur Buße barfuß gegangen sein. Zurück auf dem Hauptweg, sieht man den Rosandra-Wasserfall: der Bach fällt an einer etwa 30 m hohen Steilstufe des Karstgesteins in den Talgrund.
Mehr Informationen: www.riservavalrosandra-glinscica.it | explorerfvg.com/…