Südengland 2016 1 2 3 4 5 6 <7 8
1 Dover & Hastings
2 Birling Gap & Seven Sisters
3 Nymans & Petworth House
4 Boomtown Fair
5 Stonehenge & Wells
6 Tintagel & Levant Mine
7 Lost Gardens Of Heligan
8 Lanhydrock House
Nach 3 Tagen Küste und Seebad wollten wir jetzt unseren National-Trust-Pass auch mal richtig nutzen und eines der sehenswürdigen englischen Herrenhäuser mit Park besuchen. Da passte das nur 60 km von East Dean entfernte Nymans House & Garden in Handcross gerade gut in den Weg nach Westen. Und es wurde auch noch als eine romantische Sehenswürdigkeit mit einem der schönsten Gärten Englands angepriesen. Nix wie hin…
Nymans House & Garden
Nymans ist ein ehemaliges englisches Herrenhaus mit Park in Handcross, Sussex, Südengland (etwa 30 km nördlich von Brighton, 50 km südlich London). Ludwig Messel (1847-1915), Sohn einer jüdischen Bankiersfamilie aus Darmstadt, wanderte 1870 nach England aus und gründete in London eine Bank. Seine Frau Annie Messel (Cussans) (1846-1920) war Engländerin aus Exeter. Um 1890 kauften sie Nymans mit 250 ha Land als Rückzugsort der Familie mit 6 Kindern aus London. Ursprünglich ein „kleines“, zweistöckiges Regency-Haus aus dem Jahr 1839, ließ Ludwig Messel es von seinem Bruder Alfred Messel, der ein namhafter Architekt in Deutschland war (z.B. Kaufhaus Wertheim, Pergamonmuseum in Berlin), zu einer kleinen deutschen Fachwerkburg mit Turm, Schwarzwaldhaus und Wintergarten erweitern. Die große Leidenschaft der Messels war der Garten: 1895 begannen sie mit ihrem Gärtner James Comber, einen 12-ha-Landschaftspark mit Pinetum, Kamelien, Rhododendren, Heidekraut und Magnolien anzulegen – im Kontrast zur weiten Wald- und Wiesenlandschaft des umgebenden Grundstücks. Von 1895 bis zu seinem Tod 1953 war James Comber (1866-1953) sozusagen lebenslänglich Gärtner in Nymans. Sein Sohn Harold Comber (1897-1969) versorgte als Pflanzensammler Nymans Garten mit exotischen Pflanzen aus den Anden und Tasmanien.
Nach Ludwig Messels Tod 1915 erbte der älteste Sohn Leonard Messel (1872-1953) Nymans und ließ es auf Wunsch einer einzelnen Dame 1924-28 zum mittelalterlich-spätgotisch anmutenden Herrenhaus umbauen, sonst wäre seine Frau Maud Frances Messel (Sambourne) (1875-1960) nicht eingezogen, heißt es. In den 1920er und 30er Jahren erweiterten und gestalteten sie den Garten und machten ihn teilweise der Öffentlichkeit zugänglich. Sie sammelten exotische Pflanzen aus dem Himalaya, Südamerika und Afrika. Eine Kamelie und Magnolie wurde sogar nach ihnen benannt. Maud Messels Interessen waren Bälle, Partys, Reisen, Zeichnen, Schießen, Nähen und Mode. Sie ist auch als Stilikone des frühen 20. Jahrhunderts bekannt geworden, viele ihrer Kleider wurden bis heute aufbewahrt. Auch die schöne Tochter Anne Messel (1902-1992), später Countess of Rosse, gehörte zur Schickeria, war eine Mode-Ikone ihrer Zeit, Mode-Fotomodell und führte die Modesammlung ihrer Mutter fort (The Messel Dress Collection, Brighton Museum & Art Gallery).
1947, am 75. Geburtstag des Hausherrn Leonhard Messel, vernichtete ein Brand große Teile des Hauses, den gesamten Ostflügel, der seitdem als romantisch anmutende Ruinenfassade stehen blieb. Ein Wiederaufbau war durch den Nachkriegsmangel nicht möglich. Einige Räume konnten gerettet und gesichert werden und wurden als Bleibe während der Parkbesuche genutzt. Den Landschaftspark nutzten und gestalteten die Messels von ihrem neuen, nahegelegenen Wohnort Holmsted Manor bei Staplefield weiter. Auch Anne Messel, inzwischen Anne Parsons, irische Countess of Rosse, war mit ihrem 2. Ehemann Michael Parsons (1906-1979), 6. Earl of Rosse, zu Gartengesellschaften in Nymans.
Als Leonard Messel 1953 starb, übergab die Familie Haus und Park an den National Trust zur weiteren Pflege und Erhaltung, behielt aber das Wohnrecht für die inzwischen hergerichteten bewohnbaren Räume des Westteils. Nach dem Tod ihres 2. Ehemanns zog Anne Parsons (Messel), Countess of Rosse, 1979 wieder ganz zu ihrem geliebten Garten nach Nymans, wo sie bis zu ihrem Tod 1992 lebte und den Garten weiter gestaltete. Die Wohnräume können besichtigt werden, die Einrichtung wurde so erhalten, wie die Messel-Enkelin dort gelebt hatte.
Der Garten wurde in verschiedenen Themenbereichen angelegt, deren unterschiedliche Ebenen durch Steintreppen oder Grashänge verbunden sind. Die Bereiche werden durch Mauern, Hecken oder Bäume getrennt, die den seltenen und exotischen Pflanzen, für die der Garten bekannt ist, Schutz bieten. Zu den einzelnen Bereichen gehören der Hausgarten (der älteste), Rosengarten, Top Garten, Bambus Jungle, Versunkener (mediterraner) Garten, Steingarten, Große Wiese, Heidegarten, Pinetum, Lindenallee…
Im Oktober 1987 wurden bei einem verheerenden Orkan in Südengland rund 15 Mio. Bäume gefällt, in Nymans Garden wurden 487 Bäume schwer beschädigt oder zerstört, vom Pinetum blieben nur 2 große Nadelbäume stehen.
Bei unserem Besuch war in Nymans auch noch eine Ausstellung über Oliver Messel (1904-1978), den jüngeren Bruder von Anne Messel, der ein bekannter englischer Kostüm- und Szenenbildner für Theater und Film war (z.B. Vivian Leigh als Cleopatra verkleidete). Viele Fotografien stammen von Antony Armstrong-Jones (1930-2017), 1. Earl of Snowdon (Anne Messels Sohn aus 1. Ehe), einem bekannten englischen High-Society-, Mode- und Theater-Fotografen (und als ehemaliger Ehemann von Prinzessin Margaret (1930-2002) Teil der königlichen Familie).
(Quelle: Wikipedia | www.nationaltrust.org.uk/…)
Graffham Camping & Caravanning Club
Nach so viel altem Adel war der älteste englische Campingplatz in Graffham gerade gut genug für eine Übernachtung im gediegenen englischen Forest. Den Zeltplatz gibt’s seit ungefähr 1900, erst nur für ein paar Freiluftfreaks in den Wäldern der South Downs, die 2011 zum Nationalpark erklärt wurden. Jetzt hat der Graffham Camping & Caravanning Club Site 90 Parzellen in einem natürlichen Waldstück mit alten Bäumen, Rhododendren und Farnen. Die freundliche Betreiberin Mandy Brown geleitete uns persönlich zum Zeltplatz unserer Wahl. Man wohnt direkt im Wald auf kleinen Lichtungen und kann (schon zum Klo) schöne Spaziergänge in absolut ruhiger Umgebung machen.
Petworth House & Garden
Nur 8 km von Graffham entfernt liegt im kleinen historischen Ort Petworth das palastartige Herrenhaus Petworth House & Park aus dem 17. Jh. Als eines der Prunkstücke des National Trust ist es berühmt wegen seines Landschaftsparks, der umfangreichen Gemälde- und Skulpturensammlung und der reichen, feudalen Innenausstattung.
Die Geschichte des Hauses reicht bis ins 12. Jh. zurück, als die Witwe des englischen Königs Heinrich I. (1068-1135) Adelheid van Leuven (1103-1151) (die 15jährige Adelheid war 1121 mit dem 53jährigen Heinrich verkuppelt worden, um einen legitimen Nachfolger zu erzeugen, was aber in 15 Jahren Ehe nicht klappte) das Anwesen ihrem Halbbruder Jocelin de Louvain (1123-1180) zur Hochzeit mit der Percy-Erbin Agnes (1134-1205) schenkte. Percy war im Mittelalter die mächtigste Adelsfamilie in Nordengland, die mit der normannischen Eroberung Englands aus Percy-en-Auge in der Normandie gekommen war. Seit 1309 war ein Herrensitz in Petworth belegt. Im Laufe der Jahrhunderte gaben sich die Percys, Earls of Northumberland, die Klinke in die Hand, hatten Einfluss am Königshof, fielen in Ungnade, wurden geköpft, rehabilitiert, residierten in Alnwick Castle oder in Petworth, ließen ihren Herrensitz ab dem 16. Jh. aus- und umbauen.
1670 erbte die 2jährige Elizabeth Percy (1667-1722) das gesamte Percy-Vermögen. Das scheint eine wirklich gute Partie gewesen zu sein, um die sich die Lords stritten. Mit 15 war Elizabeth Percy nach machtpolitischen Heiratsverträgen unter Regie ihrer Oma schon doppelte Witwe. 1682 heiratete sie Charles Seymour (1662-1748), 6. Duke of Sommerset. Ihr reiches Erbe erlaubte es Seymour, von 1688-96 das barocke Herrenhaus erbauen zu lassen: ein fast 100 m langer, 3stöckiger, eher schmuckloser Schlosskasten. Als ältester Teil des Hauses wurde die Kappelle vom ursprünglichen Bau aus dem Jahr 1309 erhalten, aber innen barock umgestaltet.
1749 ging ein Erbteil mit dem Petworth House an den Seymour-Neffen Charles Wyndham (1710-1763) (der dazu auch noch den Grafentitel Earl of Egremont bekam). Ab 1751 ließ er den Garten zum Landschaftspark umgestalten, ab 1756 die North Gallery als Museum für eine standesgemäße Kunstsammlung von Statuen und Gemälden anbauen, die Fertigstellung erlebte er nicht mehr.
Unter dem 3. Earl of Egremont George O’Brien Wyndham (1751-1837), der 1763 neben riesigem Grundbesitz auch Petworth House geerbt hatte, erreichte das Haus und die Kunstsammlung ihre Blüte. Auf ihn geht wesentlich das heutige Erscheinungsbild der Räume zurück, die er zum größten Teil in Galerien für die wachsende Kunstsammlung umgestaltete. George Wyndham war ein Lebemann und Frauenheld, dem 43 Kinder nachgesagt wurden, die teilweise mit ihren Müttern bei ihm wohnten. Aber er interessierte sich auch für Landwirtschaft, Pferde-, Schaf- und Rinderzucht und setzte einen Teil seines Vermögens für soziale und wohltätige Zwecke ein, förderte den Bau von Straßen, Kanälen, Krankenhäusern und Schulen. Für die Bürger von Petworth und Umgebung veranstaltete er große Feste in seinem Park, während des größten im Mai 1834 wurden 6.000 Personen beköstigt. Außerdem war er ein großzügiger Förderer und -sammler zeitgenössischer Kunst, unter anderem von John Constable (1776-1837) und William Turner (1775-1851), zwei führende englische Landschaftsmaler des 19. Jh. Turner hatte 1827-1837 ein eigenes Atelier in Petworth House, wo er zwanzig Ölgemälde und rund 100 Aquarelle malte, darunter Motive aus dem Park und von den Repräsentationsräumen. Für die wachsende Kunstsammlung ließ der 3. Earl die North Gallery zur heutigen Größe erweitern.
Nach dem Tod des 3. Earl im Jahr 1837 erbte sein illegitimer ältester Sohn (mit seiner Geliebten und späteren Frau Elizabeth Iliffe) George Wyndham (1787-1869) Petworth House. Nach 2 weiteren Wyndham-Generationen übergab Charles Henry Wyndham, 3. Baron Leconfield, aufgrund hoher Erbschaftssteuern Petworth House 1947 dem National Trust, behielt aber Wohnrecht. Das Obergeschoss des Hauses wurde danach seit 1952 von John Wyndham (1920-1972) und seit 1972 vom Schriftsteller und Biographen Max Wyndham (*1948), 7. Baron Leconfield, 2. Baron Egremont, privat bewohnt. Die Haupträume im Erdgeschoss des Herrenhauses, die Küche und die ehemaligen Dienstbotenräume können besichtigt werden, der Park ist frei zugänglich. Petworth House beherbergt heute die größte Kunstsammlung des National Trust, u.a. die größte William-Turner-Sammlung außerhalb eines Museums.
Die Haupträume des Herrenhauses besitzen eine prächtige Innenausstattung mit bedeutenden Schnitzereien und Chippendale-Möbeln sowie der von Algernon Percy, 10. Earl of Northumberland, in den 1630er Jahren begründeten Gemäldesammlung (u.a. von Elsheimer, Tizian, van Dyck). Seine Nachfolger ergänzten die Sammlung u.a. um Bilder von Rogier van der Weyden, Hobbema, Hieronymus Bosch, Lorrain, Teniers, Gainsborough, Kauffmann, William Blake, Reynolds, William Turner. Dazu gibt es eine beeindruckende Sammlung klassisch-antiker und neoklassischer Skulpturen.
Die öffentlich zugänglichen Museumsräume sind:
- Sommerset Room: Gemäldegalerie, chinesisches Porzellan des 17. Jh., Manuskript der Canterbury Tales aus dem 15. Jh.
- Square Dining Room: Gemäldegalerie, ehemaliger Speisesaal von 1764
- Marble Hall (Marmorhalle): die ehemalige, barocke Eingangshalle von 1692 wurde nur wenig verändert, römische und neoklassische Marmorskulpturen
- Great Staircase (Treppenhaus): nach einem Brand 1715-20 von Louis Laguerre monumentalbarock ausgemalt, chinesische Möbel und Vasen
- Little Dining Room: Gemäldegalerie, Porträts
- Carved Room (Geschnitzter Saal): 1690 eingerichtet mit allegorischem Schnitzwerk von Grinling Gibbons, um 1790 vergrößert, 18jährige Schnitzarbeit von Jonathan Ritson, Gemäldegalerie, römische Porträtbüsten
- Red Room: ursprünglich Turner-Galerie, jetzt gemischte Gemäldegalerie, Praxiteles zugeschriebene griechisch-antike Mamorbüste Leconfield Aphrodite (4. Jh.v.d.Z.)
- North Gallery: 1756 angebauter Museumstrakt, 1824-27 umgebaut und erweitert, antike und neoklassische Skulpturen, Gemälde (u.a. von Turner), ein 1592 geschaffener Globus von Emery Molyneux
- Kapelle: ursprünglich Klosterkapelle von 1309, im 17. Jh. barock umgebaut, Schnitzwerk von John Seldon
- Küchen- und Wirtschaftsräume im Gesindehaus: Auf der Ostseite des Hauses erstreckt sich parallel zum Haus der zweigeschossige Gesindeflügel aus dem 18. Jahrhundert, in dessen original ausgestattetem Küchentrakt u.a. über 1000 Stücke des Kupfer- und Eisengeschirrs zu bewundern sind.
Hinter dem Herrenhaus beginnt ein insgesamt 294 ha großer Park. Der um 1700 von George London angelegte Barockgarten wurde von 1751 bis 1765 von Capability Brown in einen Englischen Landschaftspark umgestaltet. Lancelot Capability Brown (eigentlich Lancelot Brown, 1716-1783) war einer der bedeutendsten Landschaftsgestalter seiner Zeit und Vorreiter des Englischen Landschaftsparks. Seine Eifer, Möglichkeiten (capabilities) zur Umgestaltung vorhandener alter Gartenanlagen zum neuen Landschaftsstil zu finden, begründeten seinen Beinamen Capability. Der Park wurde im 19. Jahrhundert mehrfach umgestaltet. 1987 und 1989 erlitt er schwere Sturmschäden, aber trotzdem gilt er als einer der gelungensten Landschaftsgärten von Capability Brown.
Südlich des Hauses befindet sich der ummauerte Küchengarten. Nördlich des Hauses erstreckt sich der etwa 12 ha große Pleasureground mit Lorbeerbäumen, Platanen, Linden, Zedern und anderen Bäumen. An den Pleasureground schließt sich eine Wiese auf der Westseite des Hauses an, die sich etwa 350 m bis zu einem künstlich angelegten Serpentinensee erstreckt. Nordwestlich des Sees erstreckt sich der etwa 2 km lange Wildpark in einem breiten Tal mit Rasenflächen, Baumgruppen, einem kleineren See und einer großen Damwildherde, die als eine der ältesten in England gilt.
Wie es für ein mittelalterliches Herrenhaus üblich war, wurde es ursprünglich neben der Kirche errichtet, um die dann ein Dorf entstand, das jetzt zu einer Kleinstadt gewachsen ist. Auch heute noch kommt man durch ein kleines Tor direkt zur Kirche und zum Ortskern von Petworth.
(Quelle: Wikipedia | www.nationaltrust.org.uk/…)