Rudolstadt Festival 2023 1 2 3 4
Es gab (wie immer) jede Menge Neuentdeckungen, die ich erst mal ein bisschen einordnen muss. Ein erster Foto-Eindruck vom Rudolstadt-Festival 2023: Ana Carla Maza aus Kuba (lebt in Spanien/Frankreich): ein Traum in Rot und Haut. Und musikalisch war sie auch traumhaft und ziemlich lebendig.
Meine Favoriten 2023
Ana Carla Maza (Kuba/Spanien/Frankreich) | W www.anacarlamaza.com
Jazzrausch Bigband (München) | W jazzrauschbigband.de
Los Muñequitos de Matanzas (Kuba) | F www.facebook.com/losmunequitosdematanzas
Solju (Sami-Mutter + Tochter aus Finland: Ulla Pirttijävi + Hildá Länsman) | W www.solju.fi
Johann Sundermeier (Freiburg) | W johann-sundermeier.de
06.07.2023 Erst fängt es ganz langsam an…
Eliades Ochoa & Grupo Patria (Kuba)
Eröffnungskonzert auf der Großen Bühne im Heinepark: Der „Jungspund“ der legendären kubanischen Musik-Altmeister, die 1996 mit Ry Cooder das Album Buena Vista Social Club (W www.buenavistasocialclub.com) aufgenommen hatten, Eliades Ochoa (*1946) (W eliadesochoaofficial.com) ist inzwischen auch schon 77 Jahre alt. Er und die Sängerin Omara Portuondo (*1930) sind die beiden letzten lebenden Legenden dieser Afro-Cuban-All-Stars-Solisten. Ibrahim Ferrer, Compay Segundo und Rubén Gonzáles sind schon 2003/2005 gestorben. Seit 1978 leitet der Gitarrist und Sänger Eliades Ochoa das Cuarteto Patria/Grupo Patria (gegründet 1939), in dem inzwischen 6 Musiker spielen. Von der angekündigten Patria-Besetzung hab ich nur Eliades Ochoa und den Trompeter Raony Sánchez (F www.facebook.com/raonytrompeta) erkennen können. Osnel Odit (Gitarre), Jose Angel Martinez (Bass), Eglis Ochoa (Maracas, Saxophon) und Jorge Materell (Perkussion) waren, glaube ich, nicht dabei. Dafür gabs zusätzlich einen Pianisten, vielleicht Geovanis Alcántara López. 1980 spielte Eliades Ochoa mit dem Cuarteto Patria und Compay Segundo die erste Version dessen Songs Chan Chan ein, der natürlich auch diesmal nicht fehlen durfte („Chan Chan“ natürlich, nicht Compay Secundo, der ist 2003 gestorben). Eliades Ochoa & Grupo Patria spielen traditionellen kubanischen Son. Sie präsentierten die Songs des neuen Albums „Guajiro“ – „ein Feuerwerk der Lebensfreude und karibischer Leichtigkeit“ (laut Ankündigung). Na ja, das Feuerwerk kam mir auf Dauer etwas altbacken und ganz schön eintönig vor. Und der im Ry-Cooder-Album (1996) und Wim-Wenders-Film (1999) beschworene „Buena Vista Social Club“ hat nun auch schon wieder über 25 Jahre auf dem oft strapazierten Buckel.
Los Muñequitos de Matanzas (Kuba)
Da waren die etwa 15 Musiker/Tänzer von Los Muñequitos de Matanzas (Die Puppen/Comics von Matanzas, eine Hafenstadt 100 km östlich von Havanna) (F www.facebook.com/losmunequitosdematanzas) von ganz anderem Kaliber: quicklebendig, druckvoll, laut, wild. 1952 gründeten Straßenmusiker in der Bar „El Gallo“ in Matanzas nach einer spontanen Trommelsession auf Tischen, Theke, Geschirr, Gläsern die Band Guaguancó Matancero. Aufgrund des Erfolgs ihres Hits „Los Muñequitos“ benannten sie sich später in Los Muñequitos de Matanzas um. Inzwischen spielt die 5. Generation von Rumberos mit, das Lebensgefühl der afrokubanischen Rumba wird in den Familien weitergegeben. So ist der ehemals jüngste Tänzer der Gruppe Diasdado Ramos Cruz (aus der 2. Generation) inzwischen Direktor der Gruppe, sein Sohn Diasdado Enier Ramos Aldazabal ist erster Tänzer und Choreograph. So oft wie die Namen Ramos und Aldazabal bei den Trommlern, Tänzern und Sängern auftauchen, scheint das wirklich eine große Familie zu sein. Ihre Rumba-Spielweise zeichnet sich durch besonders herausragendem, virtuosen Trommeleinsatz aus. Der relativ monotone hypnotisierende Call-&-Responsiv-Gesang wird polyrhythmisch von Congas, Trommeln, Schlaghölzern, Ratschen, Rasseln, Glocken angetrieben (Haupsache Rhythmus). Meist steigert sich die Trommelbegleitung während der Aufführung extatisch. Zur Guaguancó-Rumba gehört auch ein nicht ganz jugendfreier Tanz bei dem Männer und Frauen Hahn und Henne verkörpern. Der Tanz gipfelt im „Impfen“ der Frau („vacunao“) mit entsprechenden Hüftbewegungen. Leider hab ich sie nur ein mal im Tanzzelt erleben können, danach hat es sich nicht wieder ergeben. Aber ich fand sie sehr beeindruckend.
Steve ’n‘ Seagulls (Finnland)
Manu war währenddessen an der Konzertbühne bei der finnischen Hardcore-Bluegrass-Band Steve ’n‘ Seagulls (W stevenseagulls.com), die ihre Coverversionen von Hardrock-Krachern von AC/DC, Metallica, Iron Maiden oder TopGun spielen, natürlich mit finnischem Humor und Bedenkenlosigkeit. Steve ’n‘ Seagulls sind: Herman (Gitarre, Banjo), Hiltunen (Akkordeon, Kantele, Mandoline, Flöte), Jamppa (Kontrabass), Remmel (Gitarre, Mandoline, Balaleika), Skubu (Schlagzeug, Perkussion). Eigentlich ganz sympathisch, aber finnisches „Musiktheater“ ist nicht so mein Ding. Auf halbem Weg von der Großen zur Konzertbühne im Heinepark waren die Beats schon so gnadenlos laut, dass ich lieber zum Tanzzelt abgeschwenkt bin.
BANTU (Nigeria)
Die 13köpfige nigerianische Band BANTU (Brotherhood Alliance Navigating Towards Unity) (W www.bantucrew.com) des Sängers Adé Bantu (eigentlich: Adegoke Odukoya, geb. in Wembley/England) sollte ab 1 Uhr den furiosen Abschluss des ersten Rudolstadt-Festivaltages 2023 geben. Die Gruppe wurde 1996 in Köln im Zusammenhang mit dem Humba-Projekt/Schäl Sick Brass Band gegründet und will die sozial- und politikkritischen nigerianischen Musiktraditionen von Fela Kuti oder King Sunny Adé in einer Fusion aus Afrobeat, Highlife, Funk, Jazz, Soul und Hiphop weiterentwickeln. Adé Bantu lebte in Nigeria und Deutschland, war 2010 wieder nach Lagos/Nigeria zurückgekehrt, um in der dortigen Musikszene was zu bewegen, z.B. mit einer monatlichen Konzertreihe und dem Musikfestival Afropolitan Vibes. Zur aktuellen BANTU-Truppe gehören neben Adé Bantu: Tunde Alabi (Schlagzeug), Abiodun Abraham Oke „Wura Samba“ (Percussion), Akin Olagunju (Talking Drums), Ope Oyewande (Trompete), Akinyanmi Akin Akinhinmola (Saxophon), Isaiah Odeyale (Posaune), Omirinlewo Korede Solomon (Gitarre), Mayowa Oshuntokun (Bass), Babajide Okegbenro (Keyboard), Damilola William, Adegoke Odukoya, Ibrahim Oyetunji und Aigbokhan Anouluwapo Martins (alle Gesang) – mit 13 Musikern nicht gerade kleine Besetzung. Im Sommer 2023 macht die Band eine Deutschland-Promoting-Tour für ihr neues Album „What Is Your Breaking Point?“ Der „Stern“ meinte: „Das nigerianische Ensemble Bantu braut einen begeisternden Groove-Cocktail zusammen – und spart auch nicht mit politischen Botschaften. Ein Worldmusic-Meisterstück.“ Ich fand das Gebräu etwas fade. Wie schon die Humba-Jecken beim Rudolstadt Festival 2022 schien mir auch BANTU zu bemüht, artig, irgendwie schaumgebremst und ziemlich langweilig. Ich hab wirklich lange in der (noch) kühlen Nacht bis zum Ende ausgehalten, zu lange…