2022 Estland: Hiiumaa: Halbinsel Kõpu: Palli Strand (Foto: Andreas Kuhrt)

Rundtour Estland 2022

Unser Urlaubsziel Estland ist etwas kurios-spontan entstanden. Eigentlich wollten wir ja ein Stück auf dem Alpe-Adria-Trail wandern. Dann gabs aber Nachrichten von überfüllten Alpenhütten und sauteurem Bier: da war ich raus. Ich erinnerte mich an eine tolle Band beim Rudolstadt-Festival 2022: Trad.Attack! aus Estland. Beim Umherforschen über die Musiker Sandra und Jalmar Vabarna + Tõnu Tubli hatte ich rausgefunden, dass Sandra Vabarna und ihre Mutter Ene Sillamaa bei Viljandi in Estland den alten Bauernhof Männiku Metsatalu (Kiefernwald-Hof) als Ferienunterkunft betreiben. Zwei Wochen später sind wir mit der Fähre Stena Nordica in 20 Stunden von Travemünde über die Ostsee nach Liepāja in Lettland geschippert (etwa 700 km). Nach einer Nacht auf dem schön-einsamen Zeltplatz Rūgumi direkt an der Ostseeküste 14 km nördlich von Liepāja (Lichtjahre von Mecklenburger Ostsee-Zeltplätzen entfernt) mussten wir noch gut 400 km nach Südestland fahren. Zwischendurch waren wir noch in Riga: gefällt mir nicht so: laut, verkehrsreich und etwas zusammengewürfelt, der Dom ist eindrucksvoll und die Uferpromenade an der Daugava (Düna) ganz nett.

Unsere Ferienunterkunft für die erste Woche, Männiku Metsatalu (Kiefernwald-Hof | www.metsatalu.ee) ist ein einsam auf einer Waldlichtung gelegener Bauernhof mit einigen historischen Holzhäusern, die von den Betreibern (Sandra Vabarna und ihre Mutter Ene Sillamaa) liebevoll restauriert und eingerichtet wurden. Wir hatten eine kleine Ferienwohnung in der „Bauernsuite“, ein Holzblockhaus mit irgendwie musealer Einrichtung. Im Nachbarzimmer stand ein alter Handwebstuhl.

Da kann man gleich drei estnische Leidenschaften anmerken: Weben, Chor-Singen und Schaukeln. Weben: Estland ist berühmt für die vielfältigen und speziellen Web- und Strickmuster. Schaukeln (Kiiking: Schwingen): fast überall gibt es riesige Schaukeln für etwa 10 Leute für regelrechte Schaukelwettbewerbe oder wenigstens aufgehängte Schaukelbänke. Singen: jeder Ort, der etwas auf sich hält, hat eine öffentliche Gesangsarena, eine Art Odeon für Chorfestspiele.

Schaukel auf dem Burgberg in Viljandi: da muss man sich zu zweit ganz schön reinhängen (Video von akut.zone)

Natürlich gibts so eine Gesangsarena auch in der Kleinstadt Viljandi (etwa 17200 Einwohner, deutsch: Fellin, ehemalige Hansestadt), wo wir zuerst waren. Viljandi hat nämlich die Fakultät für traditionelle Musik der Universität Tartu. Und da haben auch die drei Trad.Attack!-Musiker studiert. Viljandi ist es eine hübsche Stadt mit noch vielen Holzhäusern (die teilweise auf die Renovierung warten), vier Kirchen, viel Grün und einer Ruine der einst mächtigen Deutschorden-Burg Fellin (ab 1224 erbaut, Herrschersitz der deutschen Kreuzritter, Moskoviter, Polen und Schweden). Bemerkenswert waren noch Begegnungen im sehr empfehlenswerten Café Roheline Maja (Grünes Haus), wo sich gleich ein Gast als deutsch-estnischer Übersetzer angeboten hat. Das war ein deutscher Musik-Hochschullehrer in Viljandi und Riga (Christoph Felix Schulz aus Münster, glaub ich), der u.a. auch die Musiker von Trad.Attack! unterrichtet hatte. Eine zweite nette Bekanntschaft war Hela (die Schwester des Café-Besitzers), die lange Zeit in Deutschland gelebt hatte und nun wieder zuhause in Viljandi wohnt und jede Gelegenheit zum Deutsch-Sprechen nutzt. Sie hat uns auch gleich sehr herzlich in ihre kleine Wohnung nebenan eingeladen und ihre Malereien gezeigt. Nach einer Stunde kannten wir fast ihr ganzes bewegtes Leben.

Am nächsten Tag haben wir eine Fahrradtour durch die ziemlich flache Wald- und Seenlandschaft Estlands gemacht (Estlands höchster Berg ist mit 318 m der Suur Munamägi = Großer Eierberg ganz im Südosten, wo wir nicht waren). Schließlich sind wir zum Heimtali-Museum gekommen, ohne zu wissen, was es ist. Das war ursprünglich eine kleine Dorfschule, die in den 1980er Jahren als Heimat-Museum eingerichtet wurde. In den 1990er Jahren wurde es Textilmuseum der Sammlung von Anu Raud, der berühmtesten estnischen Textilkünstlerin. Es gibt alles aus Schafwolle: am estländische Wollhandschuh-Muster kann man die Herkunft des Trägers erkennen, sie sehen klasse aus, kratzen aber auch ganz schön. Webmuster geben Auskunft über die regionale Herkunft. Die kleine Insel Kihnu ist der Hotspot der Weberei. Die Streifenmuster der Röcke haben einen Farbcode: viel Rot = jung und gesund, mehr dunkel = älter oder in Trauer. Und in einem Spielzimmer waren gestrickten Spieltiere von Anu Raud versammelt. Manu hatte erst am Tag vorher ein Strickmuster-Wälzer von Anu Raud gekauft: und hier gabs das Alles zum Anfassen (mit Handschuhen wegen der Motten). Inzwischen gehört das Heimtali-Museum zum estnischen Nationalmuseum (in Tartu).

Estland ist ein Naturland: die Hälfte der Fläche ist mit Wald bedeckt (45 227 km²). Weitere 20 % sind Moore, die meist als Nationalparks geschützt sind. Allein der Soomaa-Nationalpark (Soomaa heißt einfach Moorland) mit 5 großen Mooren erstreckt sich über eine Fläche von etwa 15 x 10 km. Das ist mal Weite: bis zum Horizont Moorwiesen, die mit kleinen Kiefern gesprenkelt sind, und Moorseen. Die Wanderwege sind mit Bohlenstegen erschlossen, an den Seen gibts kleine Picknick- und Badeplätze und wer mag, kann mit Mooschuhen quermoorein gehen (bei uns alles undenkbar). Wir waren im Kuresoo (Storch-Sumpf) und Riisa-Moor. Der Wanderweg am Raudna jõgi (Raudna-Fluss, Nebenfluss der Halliste) war im September nicht so spannend. Aber zum Frühjahrs-Schneeschmelze ist dieses Gebiet für die Überschwemmungen bekannt, so dass die Dörfer und Gehöfte nur noch mit Booten erreicht werden können (es gibt hier noch traditionelle Einbaum-Bootsbauer).

Einen Tagesausflug haben wir nach Tartu gemacht (80 km östlich von Viljandi): mit knapp 100000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt nach der Hauptstadt Tallinn. Tartu hat die erste, größte und älteste Universität Estlands mit etwa 14000 Studenten: 1632 unter Gustav II. Adolf von Schweden in der damaligen Hansestadt Dorpat gegründet. Zur Uni gehört noch ein botanischer Garten, der ganz hübsch ist. Tartu wirkt eher gemütlich, aber auch jung und ein bisschen cool: wo gibts sonst noch einen Brunnen mit „Küssenden Studenten“ auf dem Marktplatz (Bildhauer: Mati Karmin, 1998). Das Freizeit-Forschungs-Zentrum AHHAA schien ganz interessant. Wir sind allerdings nur bis zum Riesenstuhl und -tisch gekommen, an dem man sich wie ein Kind fühlen kann: alles ist zu groß und kaum erreichbar. Es gibt viele Studentenkneipen (z.B. Genialistide Klubi: Club der Genies) und den Szenehof Kastani 42 mit Kneipen, Galerien, Clubs und einer Whisky-Manufaktur. Aber der Hammer ist das 2016 fertiggestellte neue Estnische Nationalmuseum: ein 15 m hoher, 70 m breiter, 355 m langer Glaskasten, der in die Landebahn des ehemaligen russischen Bomber-Militärflugplatzes Raadi hineingebaut wurde (Architekten: Dorell.Ghotmeh.Tane, Paris). Das sollte erst woanders, an einem repräsentativeren Platz gebaut werden, aber die Architekten wollten es unbedingt so, als Zeichen der Aufarbeitung des estnischen Traumas der russischen Besetzung und der Wiederaneignung der estnischen Identität.

Unsere Estland-Rundfahrt führte uns weiter nach Nordosten am riesigen Peipussee entlang (etwa 75 x 35 km groß), die Grenze zu Russland. Die Ufer sind erstaunlich unverbaut und kaum genutzt: ein paar einfache Campingplätze und Dorf-Strände, das wars. Unser Ziel war das größte aktive Kloster Estlands: das russisch-orthodoxe Nonnenkloster Maria Himmelfahrt in Kuremäe (1891 gegründet) in Nordestland (nur rund 20 km von der russischen Grenze entfernt). Ein Reiseführer-Bild hatte uns auf die Spur gebracht. Auf dem eindrucksvollen Klostergelände mit etwa 20 Häusern und einer großen Kathedrale der Himmelfahrt der Jungfrau Maria leben etwa 100 Nonnen und Novizinnen. Das Klostergelände ist zwar ummauert und wirkt mit den Tortürmen wie eine Burg, aber durch eine Pforte frei zugänglich. Und man kann nach Belieben umherstreifen und den Nonnen beim Klosterleben zusehen. Die meisten Klostergebäude sind zwar nur mit Führung zugänglich, aber die Kathedrale ist für Besucher offen (für Frauen natürlich wieder nur in Vollverkleidung: langer Rock, bedeckte Arme, Kopftuch). Fotografiert werden mögen die Nonnen nicht so und gehen den Besuchern lieber aus dem Weg. Aber man kann auch in der Pilgerherberge übernachten.

Abends sind wir noch ins 185 km entfernte Tallinn gefahren: die Hauptstadt Estlands (etwa 435000 Einwohner) am Finnischen Meerbusen (davon hatte ich mir mehr versprochen, aber es ist einfach nur Wasser). Dort mussten wir uns erst mal eine bezahlbare Bleibe suchen: das Hotel Citybox und Parkplätze sind nur online buchbar. Im Hafengelände wird gerade auf Teufel-komm-raus alles umgekrempelt und hip-neu bebaut: schöne neue Geschäfts-Welt. Aber Tallinn hat auch eine wunderbar erhaltene mittelalterlich Altstadt (UNESCO-Weltkulturerbe). Tallinn wurde im 11. Jahrhundert als estnischer Handelsplatz am Meer und Burg auf dem Domberg Toompea gegründet, 1219 von Dänen und später deutschen Schwertbrüderorden und Kreuzrittern erobert und als Hansestadt Reval ausgebaut. Im alten Stadtkern innerhalb der Stadtmauer kann man sich einfach treiben lassen und in den alten Gassen auf Entdeckungsreise gehen. Sehenswürdigkeiten, Kirchen, Museen, Galerien, Gaststätten, Geschäfte gibts jede Menge.

Aber eineinhalb Tage haben uns gereicht. Wir wollten wieder nach Estland: unsere Gastgeberin in Männiku Metsatalu meinte, Tallinn ist nicht Estland, Tallinn ist eine Großstadt. In der verbleibenden Zeit wollten wir die großen Ostseeinseln Hiiumaa und Saaremaa in Westestland besuchen. Da kann man mit Autofähren hinfahren, sie lassen sich aber auch hervorragend mit Fahrradtouren erkunden: kleine nette Orte, viel Wald, endlose Strände und idyllische RMK-Campingplätze. Das sind Campingplätze in schöner landschaftlicher Lage, die von der nationalen estnischen Forstbehörde bewirtschaftet werden. Diese Campingplätze sind tatsächlich kostenlos. Es gibt immer einige Grill-/Feuerstellen (mit schwenkbarem Rost), überdachte Picknicktische, einen Holzvorrat, ein Trockenklo und Abfallcontainer: fertig ist das Camperglück. Auf den beiden Inseln sind wir nach touristischen Wegweisern Fahrrad gefahren oder gewandert. Ein Ziel war dabei, die schönsten Leuchttürme zu „sammeln“. Leider hatten wir dafür nur noch 5 Tage Zeit und mussten uns dann schweren Herzens losreißen und losreisen.

Zur zweitgrößten Insel Hiiumaa (etwa 55 x 45 km) kommt man vom Hafen Rohuküla (etwa 100 km südwestlich von Tallinn). Mit der Autofähre fährt man in 1,5 Stunden die etwa 21 km über die Ostsee-Meerenge Väinameri (das heißt: Meerenge, wer hätte das gedacht) nach Heltermaa auf Hiiumaa (die Endung …maa bedeutet …land, Hiiumaa müßte demnach Halloland (?) heißen). Auf Hiiumaa hatten wir uns den RMK-Campingplatz Palli auf der westlichen Halbinsel Kõpu ausgesucht: ziemlich abgelegen, ruhig, mit etwas Sandstrand nach Nordwesten (wegen der romantischen Sonnenuntergänge, hat auch gut geklappt). Die staatliche Forstbehörde RMK bewirtschaftet nicht nur die Wälder in Estland, sondern ist auch für Wanderwege und eigene öffentliche Campingplätze zuständig. Diese liegen in landschaftlich schöner Umgebung und sind einfach eingerichtet: Trockenklo, Abfallcontainer, haben meist Feuer-Stellen (mit Grillrost), Holzvorrat, überdachte Picknicktische und sind: kostenlos zu nutzen. Von Palli aus konnte man die Kõpu-Halbinsel gut mit dem Fahrrad erkunden. In der Mitte der etwa 20 x 5 km großen Halbinsel steht am höchsten Punkt der Kõpu tuletorn (Leuchtturm): der drittälteste noch betriebene Leuchtturm der Welt: 1505-31 auf Betreiben der Hanse erbaut. Mit 103 m üNN (67 m hoher Hügel Tornimägi + 36 m hoher Turm) ist es auch eines der höchsten Leuchtfeuer an der Ostsee. Eines unserer „Hobbys“ auf den estnischen Inseln war das „Leuchtturm-Sammeln“: wir wussten inzwischen, dass es dort viele spezielle und sehenswerte Leuchttürme gibt. 10 km weiter westwärts an der Küste gabs den Ristna-Leuchtturm: eine gusseiserne Konstruktion, die im russischen Auftrag 1873 in Paris angefertigt und 1874 auf Hiumaa montiert wurde (30 m hoch). Er dient der Eiswarnung auf der vielbefahrenen Schifffahrtsroute zwischen Estland, Finnland und Schweden. Auf dem Campingplatz Palli haben wir auch noch Walter (und Frau und Hund) aus Regen/Zwiesel kennengelernt: einen Motorrad- und Caravan-Weltenbummler, der früher weltweit Rotel-Reisebusse gefahren hat. Über seine Reisen und seine Karriere als Skiläufer und -lehrer hat er uns beim Lagerfeuer und einigen Flaschen/Packs Wein spannende, fast unglaubliche Geschichten erzählt. OK, die nächste Nacht war nicht ganz so idyllisch, wenn am Wochenende ein Dutzend Einheimische mit Partyzelt, Dieselgenerator und Lautsprecherboxen anrücken. Aber wir wollten danach sowieso weiter. Ganz an der Nordspitze von Hiiumaa gibts noch einen alten gusseisernen Leuchtturm Tahkuna, der auch 1871 von der damaligen russischen Regierung Estlands in Auftrag, 1873 gebaut und 1875 montiert wurde (wie Ristna, nur größer: 43 m). An der nördlichen Hiiumaa-Landspitze Tahkuna gibts aber auch noch ein Denkmal: ein schräges Eisengestänge, in dem eine kleine Glocke an einem Pendelbalken aufgehängt ist (bei starkem Wind soll die Glocke von allein läuten). Das Denkmal stammt wieder (wie das küssende Studentenpaar in Tartu vom Bildhauer Mati Karmin) und ist den Kindern gewidmet, die beim Estonia-Schiffsunglück 1994 ums Leben kamen. Am 28.09.1994 ist die Fähre „Estonia“ bei der Überfahrt von Tallinn nach Stockholm bei stürmischer See im Finnischen Meerbusen zwischen Hiiumaa und Südfinnland nach Wassereinbruch gesunken. 852 Menschen sind ertrunken oder im kalten Wasser erfroren (nur 137 konnten gerettet werden). Von 15 Kindern (unter 15 Jahren) an Bord überlebte nur ein einziger Junge. Tahkuna an der nördlichsten Spitze von Hiiuma ist in Estland der Unglücksstelle in der Ostsee vor der finnischen Insel Utö am nächsten, etwa 60 km entfernt.

Am nächsten Tag wollten wir noch auf die südliche Nachbarinsel Saaremaa. Dazu kann man vom kleinen Hafen Sõru im Süden von Hiiumaa mit der Fähre nach Triigi im Norden Saaremaas übersetzen. Um schon etwas näher am Hafenort zu sein, wollten wir uns einen Zeltplatz im Süden von Hiiumaa suchen. Dabei kamen wir durch das Dorf Käina (mit etwa 700 Einwohnern der zweitgrößte Ort auf Hiiumaa). Auffällig war dort ein Gebäude mit einer Art Blechzungen-Stachelfassade, das ich zuerst wegen der Form für eine „neumodische“ Kirche gehalten hab. Die vorgehängte Blechfassade besteht aus freigestanzten Blechzungen, die unterschiedlich aufgebogen wurden: das macht einen auffällig-merkwürdigen stacheligen Eindruck. Es ist das 2020 gebaute Erlebniszentrum Tuuletorn (Windturm, auch als Karottenreibe bezeichnet): darin gibts u.a. die höchste Indoor-Kletterwand des Baltikums (in einem 700-Einwohner-Dorf!) An der Küste südlich von Käina haben wir dann auch noch den schönen RMK-Campingplatz Sääretirbi (Schienbein) gefunden: wenn Hiiumaa im September schon sehr ruhig ist, ist man auf der Landzunge Sääre tirp noch mal einen Zacken alleiner, also völlig einsam. Der Schienbein-Name hat seinen Grund: Sääre tirp ist eine etwa 2 km lange Landzunge aus Kieselsteinen, die sich von anfangs etwa 75 m Breite auf einen Fußbreit verengt, bevor sie im Meer verschwindet, krass.

Am nächsten Tag sind wir vom dörflich-beschaulichen Häfchen Sõru mit der Fähre zur Nachbarinsel Saaremaa rübergefahren. Saaremaa heißt schlicht Inselland (die Esten scheinen mit ihrer Namensgebung sehr pragmatisch zu sein) und ist mit etwa 95 x 45 km Ausdehnung die größte estnische Insel. Inzwischen wussten wir ja, dass man auf den RMK-Campingplätzen immer gut unterkommt. Wir haben uns wieder einen Platz möglichst im Westen mit Blick zum Sonnenuntergang gesucht. Saaremaa ist aber nicht ganz so übersichtlich wie die Insel Hiiumaa. Deshalb sind wir erst mal nur bis zur Tagalaht-Bucht gekommen (heißt sowas wie „hinterer Schacht/Hinterhof“), also die letzte Inselbucht vor dem offenen Meer. An der kilometerlagen Sandpiste im Osten der Bucht gabs drei RMK-Plätze, den zweiten haben wir genommen. Mitten im Kiefernwald-Nirgendwo der Abula-Gegend gabs eigentlich keine Camper, außer den Weltenbummler Walter aus Regen/Zwiesel/Bayern mit Frau und Hund in ihrem Caravan, mit dem wir schon im RMK-Camp Palli (vor drei Nächten) eine weinselige Geschichten-Nacht erlebt haben (er war weltweiter Rotel-Reisen-Fahrer, bayerischer Skifahrer und -lehrer, Island-Motorrad-Durchquerer und was weiß ich nicht noch alles… (schönen Gruß aus Suhl, Danke für die interessanten Geschichten). Auf Saaremaa haben wir in unseren letzten beiden Urlaubstagen erst mal den nördlichen Vilsandi-Nationalpark erwandert: eine einfache 10-km-Küstenwanderung: viele Pilze, viel Sandstrand, der schiefe Leuchtturm von Kiipasaare (durch Sturmfluten „entstrandet“ und abgekippt). Unser letzter Zeltplatz in Saaremaa/Estland war noch ein bisschen weiter südlich bei Käkisilma an der Westküste von Saaremaa (wegen der Sonnenuntergänge), aber eben nicht richtig draußen, weil man mit dem Auto nicht weiter kam. Dieser Campingplatz liegt sozusagen „am Arsch der Saaremaa-Welt“, weiter geht es nicht mehr. Dachte ich, bis ich Nachts ein Stück des Vilsandi-Wanderwegs erkunden wollte: nach 250 m stand ich plötzlich im Wasser. Also: der Wanderweg zur Insel/Dorf Vilsandi führt über rund 5 km schon da lang, aber dazwischen sind 6 mehr oder weniger tiefe und lange Wasserdurchquerungen (ohne Brücken): also eine echte „Wasserwanderung“. Aber leider war unsere Estland-Exkursion nach 2 Wochen schon zu Ende und wir mussten am nächsten Tag zurück zur Fähre nach Liepāja in Lettland. Eine Fähre brachte uns vom Hafen Kuivastu ins 7 km entfernte Dorf Virtsu auf dem estnischen Festland. Von da…

sind wir mit einen Zwischen-Mahlzeit-Besichtigungs-Stopp in der Ostsee-Kurstadt Pärnu in einem „Ritt“ zurück nach Liepāja gefahren. Höhepunkte der Fähr-Rückfahrt nach Travemünde war ein spendiertes Stück Kuchen zum 60jährigen Betriebsjubiläum der Fährgesellschaft Stena und ein kleiner Tornado auf dem Meer vor Rügen. Schade: Urlaub schon wieder rum, aber interessant, erlebnisreich, oft überraschend und schön wars in Estland.