Südengland 2016 1 2 3 4 5 6 7 8
1 Dover & Hastings
2 Birling Gap & Seven Sisters
3 Nymans & Petworth House
4 Boomtown Fair
5 Stonehenge & Wells
6 Tintagel & Levant Mine
7 Lost Gardens Of Heligan
8 Lanhydrock House
Jetzt wurde es aber echt mal Zeit zu wandern, wofür uns Cornwalls Westküste empfohlen wurde. Um dort hin zu gelangen, mussten wir aber bisschen Strecke schruppen (ca. 200 km Richtung West) und konnten nicht an jedem interessanten Ort anhalten. Auch das schaurige Dartmoor mussten wir links liegen lassen, um nach Tintagel zu kommen.
Tintagel
Natürlich ist Tintagel ein richtiges Touristennest (etwa 700 Einwohner und 200.000 Touristen jährlich), aber es ist auch irgendwie zu schön provinziell, um wirklich abzuschrecken. Fast alles in Tintagel dreht sich um die Artus-Sage, die der Mönch Geoffrey de Monmouth (ca. 1105 – 1155) wahrscheinlich im Auftrag der neuen normannischen Herrscher Englands als frühe Fake-Story auf Tintagel projizierte, um den neuen Herren im Lichte des Volkshelden mehr Autorität zu verleihen. Ende des 19. Jh. wurde die Story von smarten Tourismuswerbestrategen dankbar wiederbelebt, sicher, um der abgelegenen kornischen Provinz nach dem Niedergang der Bergwerksindustrie neue Geschäftsfelder zu erschließen. Die Burg Tintagel wird von der englischen Tourismusbranche gern als König Artus‘ Geburtsort verkauft und so schwelgt der ganze Ort im King-Arthur-Wahn. Anfang des 20. Jh. wurden viele alte Häuser des Dorfes abgerissen, um dem King-Arthur-Tourismus Platz zu machen (z.B. für die King-Arthur’s-Great-Disneyland-Halls von 1930 für die Gesellschaft der Ritter der Tafelrunde, jetzt Museum). Aber der Campingplatz Headland Caravan & Camping Park in Küstennähe ist ganz schön normal und gar nicht King-Arthur-Schicki-Micki. Man hat für einen „Touristen-Hot-Spot“ echt viel Platz auf der Zeltwiese neben der Schafweide und freundliche Betreiber. Auch die Cafés, Pasties-Bäckereien (gefüllte Teigtaschen als Lunchpakete der früheren Bergarbeiter) und Gasthäuser, wie das „Ye Olde Malthouse Inn“ (ein ehemaliger Brauereigasthof aus dem 14. Jh.?) machten eigentlich einen guten einladenden Eindruck. Und kitschige Souveniershops kann man ja auslassen.
Tintagel Old Post Office
Eines der erhaltenen alten Häuser ist das Alte Postamt aus dem 14. Jahrhundert. Ursprünglich wurde es 1380 als einfaches strohgedecktes Bauernhaus mit 3 Räumen (als Wohnung und Viehstall) errichtet. Der Raum war zum Dach hin offen, so das der Rauch des zentralen offenen Herdes abziehen konnte und gleichzeitig das Gebälk konservierte. Ende des 16. Jh. wurde es erweitert und umgebaut: die Holzwände wurden durch Natursteinmauern ersetzt, der Herd wurde als Kamin mit Schornstein ausgeführt, im nun rauchfreien Haus konnten zwei Schlafzimmer als zweites Stockwerk eingebaut werden und das Dach wurde dicht mit Schiefer gedeckt. Unter der Last der Dachsteine verformte sich der Dachstuhl allerdings und drohte einzustürzen. In den 1870er Jahren diente ein Raum als Postamt. Ende des 19 Jh. wurde das Haus zunehmend baufällig und sollte abgerissen werden. Lokale Initiativen bemühten sich aber um den Erhalt. 1903 wurde es als eines der ersten Denkmäler durch den National Trust erworben, 1992 wurde die Bausubstanz (besonders das Dach) denkmalgerecht saniert und das Haus als Museum eingerichtet.
Camelot Castle Hotel
Wenn man so durch Tintagels Hauptgasse Atlantic Road zum Campingplatz am Ortsende tingelt, sieht man links in Richtung Küste einen pompösen Burgbau, den auch wir (wie viele unbedarfte Touristen) zuerst für King Arthurs Castle gehalten haben. Für eine Burgruine war es aber ganz schön gut erhalten und ziemlich belebt. Es ist eben nur eine Bettenburg, nämlich das Camelot Castle Hotel von 1899, in dem wir später auch mal „zu Abend gespeist“ haben. Bis dahin wussten wir auch nicht, dass die Besitzer John & Irina Mappin (Sohn einer Londoner Juweliersfamilie, Mappin & Webb, & Irina Kudrenok Ablakova, ehemalige kasachische Studentin in London) und ihr Spezi Ted Stourton (selbsternannter größter lebender Künstler Englands und Camelot-Hofmaler) dort eine Scientology-Zentrale aufgebaut haben und mit ihren Zeitungen und Videos von König Arturs Tafelrunde die Welt beglücken (wollen). Zu den scientologischen Aktivitäten von Mappin-Stourton gibts einen kritischen Blog whyweprotest.net/… oder auch diesen spannenden Bericht über den besten Kaffee Cornwalls: www.goodreads.com/… Die menschenfreundlichen Ideen will ich hier nicht weiter kommentieren, es reicht vielleicht zu wissen, dass solche freundlichen älteren Herren wie der kasachische Dauerpräsident (seit 1990) Nursultan Nasarbajew und der US-amerikanische Philanthrop Donald Trump zu ihren besten Freunden zählen (sollen).
Architektonisch ist das Hotel ein Bauklotz des kornischen Architekten Silvanus Trevail (1851 – 1903) im Historismus-Burgenstil, der von 1894-99 zur touristischen Belebung Tintagels mit Hilfe der King-Arthur-Legende auf die Klippen gesetzt wurde. Das Haus steht dramatisch an der kornischen Steilküste mit Blick zur vorgelagerten Tintagel-Insel mit den historischen Burgruinen. Innen ist’s eine Mischung aus pompöser Architektur, etwas verstaubter Einrichtung, garniert mit omnipräsenten Blumengemälden des Hofmalers, allerlei Promifotos (aus der Welt der Reichen und Wissenden) und einigen russisch-kasachisch-kitschigen Nippes. Auf den ersten Blick ganz beeindruckend, wirkt dann alles irgendwie übertrieben-üppig-aufgesetzt. Aber das Kellner-Bübchen war nett und flott… Wohnen möchte ich im „führenden Hotel Cornwalls“ aber lieber nicht (www.tripadvisor.de/…)
Tintagel Castle
Die richtige Burgruinen von Tintagel Castle (Kornisch: Kastell Dintagell = Festung mit Engpass, gemeint ist der schmale Zugang) liegen ca. 600 m die Castle Road runter (von der Cornish Bakery an der Ecke Fore Street / Atlantic Road) zur Steilküste. In früheren Zeiten war die Insel durch eine schmale Landbrücke mit dem Festland verbunden, die im 15. Jh. durch Küstenerosion zerstört wurde. Vom Einlasshäuschen des English Heritage kann man die vorgelagerte Tintagel-Insel über eine Brücke und eine steile Felstreppe mit 148 Stufen erreichen. Zuerst kommt man zu den Ruinen der Burg Richards von Cornwall. Der 18jährige Richard Plantaget (1209 – 1272) wurde 1227 von seinem Bruder König Heinrich III. (1207-1272) zum 1. Earl Of Cornwall ernannt. Ab etwa um 1230 ließ der etwa 21jährige Jungspund zwischen Festland und Tintagel-Insel seine eigene Burg am sagenhaften Geburtsort des sagenhaften Helden Artus erbauen, sicher, um etwas vom Ruhm des britischen Urkönigs zu profitieren und sich den eigensinnigen Cornwallern (oder so) als königlicher Statthalter schmackhaft zu machen. Scheinbar war die Schauburg in der ländlichen Einöde der Westküste nur ein Abschreibungsobjekt, denn der Graf hat sie kaum benutzt und schon 100 Jahre später um 1337 wurde die Burg als verfallen bezeichnet. Außerdem hatte Richard Besseres als Küstenwanderungen vor, denn er musste noch ein paar andere Ländereien zusammenraffen und einen Kreuzzug vorbereiten, um der reichste englische Earl jener Zeit zu werden. In der Folgezeit wurde die Burg mit kleiner Besatzung gehalten und diente als Gefängnis, um 1600 war sie endgültig verlassen.
Die allseits steil ins Meer abfallende Insel mit etwa 350 m Durchmesser hatte aber schon vorher strategische Bedeutung als gut zu schützender Vorposten. Ausgrabungen wiesen einen großen, reichen Ort mit über 100 Häusern und Hafen unten an den Klippen aus der Zeit vom 5. bis 7. Jh. nach (nachdem die Römer Britannien aufgegeben hatten). Die Handelsbeziehungen mit Zinn und Kupfer gegen Wein, Olivenöl, Töpferwaren und Glas reichten bis in den östlichen Mittelmeerraum. Die größte Siedlung Südwestenglands im Dark Age der Völkerwanderungszeit, als sich England neu sortierte, wurde auch als Klostersitz oder Fürstenhof des keltischen Königreiches Dumnonia interpretiert (womit wir wieder bei Artus wären). Auf der nordöstlichen Inselseite diente die Bucht Tintagel Haven als leidlich geschützter Schiffslandeplatz, unten ist ein kleiner Strand mit Strandbar und die Merlin-Höhle (die man zu Fuß nur bei Ebbe erkunden kann).
Normannische Kirche St. Materiana
Von der baumlosen Insel hat man vor allem tolle Ausblicke auf die wilde kornische Küste. Der South West Coast Path, ein Küstenweg entlang der gesamten Küste Cornwalls, führt unmittelbar am Tintagel Castle vorbei, am Naturschutzgebiet Glebe Cliffs entlang zur rund 1 km entfernten normannischen Pfarrkirche St. Materiana. Diese alte Kirche liegt etwa 600 m außerhalb des Dorfes nahe der Steilküste. St. Materiana ist mit dem umgebenden Friedhof für mich die authentischste Sehenswürdigkeit von Tintagel (neben der Küste selbst). Den meisten Touristen ist sie aber egal (weil sie irgendwie nicht im Artus-Marketingkonzept vorkommt) und deshalb Materiana sei Dank ein ruhiger abgeschiedener Ort. St. Materiana wird mit Madryn, eine als heilig verehrte Prinzessin des walisischen Königreichs Gwent aus dem 5. Jh., in Verbindung gebracht. An der Stelle stand schon im 5 Jh. eine keltische Kapelle als Ableger des Klosters Minster bei Boscastle an einem frühen christlichen Friedhof. Der jetzige Bau wurde zwischen 1080 und 1150 im normannisch-romanischen Stil errichtet. Im 14. Jh. wurde der Kirchturm hinzugefügt, die burgartigen Zinnen stammen aus dem 15. Jh. Der Bau ist eine schmucklos-schlichte Saalkirche in Kreuzform aus Naturstein. Die Ausstattung wirkt auf den ersten Blick etwas zusammengewürfelt: von der römischen Straßenstele bis zum Postkartenständer. Die offene Balken-Konstruktion des 1870 erneuerten Daches ist interessant. Bemerkenswert ist auf jeden Fall das normannische Taufbecken mit archaischen Porträts, das aus der Kapelle St. Julietta auf der Tintagel-Insel stammen soll. Sehr stimmungsvoll zeigte sich auch das farnbewachsene Kirchturmfenster mit den Zugseilen des Glockenspiels im abendlichen Gegenlicht. Interessante Bleiglasfenster und das mittelalterlich anmutende Kirchenbanner der heiligen Materiana (wurde aber Ende des 19. Jh. von Ninian Comper, einem schottischen Architekten gefertigt) sind sehenswert. Der weitläufige Friedhof macht einen wildromantischen Eindruck, die alten windschiefen, mit Flechten und Moosen bewachsenen Grabsteine stehen zwischen Gras, Farnen, Kräutern, Blumen und Gebüsch. Die frühesten sind von 1690 bis 1710. Bei Landarbeiten und anschließenden Grabungen auf dem angrenzenden Trecarne-Acker wurden Gräber aus dem 6. bis 11. Jh. gefunden. Auffällig sind einige Keltenkreuze auf dem älteren meerseitigen Gelände und ein schlichtes Holzkreuz mit dem Rettungsring der italienischen Bark „Iota“: Das Schiff aus Neapel war am 20.12.1893 im Sturm an einer Klippe des Lye Rock in der Bossiney Cove aufgelaufen, die Besatzung wurde von Einheimischen von der Klippe gerettet, aber der 14jährige Schiffsjunge Domenico Catanese ertrank.
South West Coast Path: Tintagel – Port Isaac
Die Kirche St. Materiana am Glebe Cliff ist auch ein guter Ausgangspunkt für eine Küstenwanderung entlang des South West Coast Path. Das ist der mit etwa 1000 km längste Fernwanderweg Großbritanniens von Minehead (Somerset) im Norden bis South Haven Point/Bournemouth (Dorset) im Süden um die ganze Halbinsel Cornwall herum. Der Weg diente ursprünglich Anfang des 19. Jh. als Kontrollweg der Küstenwache gegen Schmuggler und Strandräuber, die französischen Brantwein schmuggelten oder gestrandete Schiffe ausplünderten. Deshalb verläuft der Weg immer am äußeren Rand der Steilküste entlang mit bestmöglichen Einblicken zum Landungsbereich am unteren Ufer. Das bedeutet auch, dass jede Bucht und jede Flussmündung (von denen es viele gibt) „inspiziert“ wird, also keinesweg der kürzeste Weg benutzt wird und das Streckenprofil aus vielen Auf- und Abstiegen besteht. Betreut, erhalten und ausgeschildert wird der National Trail (veranschlagte Erhaltungskosten: jährlich etwa £ 1000 pro Meile) von der dafür gegründeten gemeinnützigen South West Coast Path Association.
Wir wollten den Abschnitt von Tintagel nach Port Isaac (www.southwestcoastpath.org.uk/… | www.iwalkcornwall.co.uk/… | www.komoot.de/…) bewandern: ca. 15 km, 330 m Aufstieg, 370 m Abstieg, ca. 5 Stunden: vom Headland Campingplatz geht’s die Atlantic Road runter zum Ortszentrum Tintagel, am „Ye Olde Malthouse Inn“ leider vorbei (hatte noch zu), vor dem „Cornishman Inn“ die Gasse Vicarage Hill zur Kirche St. Materiana. Von dort geht ein Verbindungsweg in 100 m zum South West Coast Path vorn an der Küste. Bei steifer Brise und ordentlich Seegang tobte sich die irische See an den rauhen Klippen aus. Der Weg nach Port Isaac führt nach links in Richtung Süden. Nach gut 300 m kommt man an der Jugendherberge Tintagel vorbei, die direkt an der Küste über der Felsbucht Lambshouse Cove liegt. Einige der Buchten und senkrechten Wände wurde durch früheren Schieferabbau (vom frühen 14. bis Mitte des 20. Jh.) künstlich geschaffen, dazu kommen auch noch versteckte Kupfer- und Zinnbergwerksstollen. Als ortstypisches Baumaterial wurde der Stein überall verwendet: zum Hausbau, Dachdeckung, Grabsteine, Straßenpflaster und für die einzigartigen typisch-kornischen Trockenmauern in Fischgrätenbauweise (genannt „Jack & Jill“, „Curzy Way“ oder „Kersey Wave“), die den SW Coast Path als Feld- oder Weidebegrenzung teilweise begleiten. Der Weg selbst ist klein und naturbelassen, nicht übertrieben ausgebaut. Ab und zu gibt’s einen Markierungspfahl mit dem Wegzeichen „Eichel“ oder ein Übersteig- oder Klapptor als Viehsperre. Links liegen die Felder und Weiden der kornischen Landwirtschaft, rechts führt der Weg immer nah der etwa 50 bis 90 m hohen Steilküste mit eindrucksvollen Ausblicken auf die Klippen und das Meer. Und überlaufen ist der Weg auch nicht gerade, wir haben an einem etwas diesigen Mittwoch im August nur 2 Wanderer mit Hund getroffen. Etwa 1,5 km von Tintagel entfernt kommt man beim Aussichtspunkt Penhallic Point am Treknow Cliff zu einer größeren Bucht, die auch durch Schieferabbau entstanden ist. Am Ende der ca. 1 km langen Bucht liegt Trebarwith Strand an der Mündung eines Bachtals mit dem malerischen Vulkanfelsen Gull Rock etwa 500 m im Meer vor der Küste. Wegen der spektakulären Ansicht wurde der Ort auch für Filmaufnahmen benutzt. Bei Ebbe gibt’s sogar schöne Sandstrände und mit dem meist herrschenden Westwind entstand hier ein kleines Surferparadies. Im Shop von Surffreak Shaun Boundy (der mit Ganzkörpertattoo und Pinkbart selbst eine Sehenswürdigkeit Cornwalls ist) kann man alles mögliche „Strandgut“ erwerben oder ausleihen, vor allem natürlich Neoprenanzüge und Boards zum Wellenreiten. Am Trebarwith Strand ist das ein Spaß für die ganze Familie (möglichst mit Hund). Vor allem Kinder stürzen sich unermüdlich mit kurzen Bodyboards in die anrollenden meterhohen Brandungswellen und gleiten zum Strand. An der kleinen Zufahrtsstraße gibt’s außerdem den Souveniershop Crazy Mairmaid, das Strand Café, das Hotel und Restaurant The Port William Inn und ein paar Ferienhäuser.
Was runter geht (zum Strand), geht auch wieder hoch (zur Klippe). Beim Port William Inn (Port William hieß früher der Verladehafen für den gebrochenen Schiefer) geht der SW Coast Path in einem Vorgeschmack kommender Berg-und-Tal-Wanderung wieder steil 50 m höher zur Klippe am Dennis Point mit schöner Aussicht auf die Strandbucht und den Gull Rock und weniger schöner Aussicht auf den sofort folgenden 50-m-Abstieg in’s nächste Flusstal an der Backways Cove (mit einigen Ruinen möglicherweise von Bergwerk bis Burg) und den anschließenden Aufstieg auf der anderen Talseite. Ab km 6 geht es mal 3 km relativ eben oben auf der Steilküste des Treligga Cliffs entlang. Weitere kleine Strände am bergbauzerfransten Ufer (wie Tregardock Strand) werden auf der Höhe, die jetzt Tregardock Cliff heißt, passiert. Nach 4 weiteren Flusstälern und nur 12 km Wanderung (talchill-gefühlt 24) zieht die Küste nach der Bucht Barrett’s Zawn am Bounds Cliff auf 123 m hoch und biegt allmählich nach Westen nach Port Isaac ab. An der zerklüfteten Küste geht’s danach ständig bergab, bis man bei dem markanten Einschnitt Cartway Cove nach 14 km auf die Straße bei Port Gaverne trifft. Der wirklich kleine Vor-Ort von Port Isaac besteht aus 5 Ferienhäusern, dem Hotel Port Gaverne, einer Farm und einem Campingplatz. Der kleine Hafen liegt total geschützt in einem kleinen Fjord hinter der Landzunge Main Head. Früher wurde dort auch Schiefer verschifft, jetzt ist es ein Badesandstrand mit Sportbootparkplatz. Natürlich geht’s zum Strandhafen ganz runter und auf der anderen Seite wieder hoch nach Port Isaac auf einer Anhöhe über dem eigenen The Haven. Port Isaac hat genau wie Tintagel etwa 700 Einwohner, ist aber sonst ungleich natürlicher. In dem alten malerischen Fischerdorf, dessen Wohlstand im 18./19. Jh. auf einem regional bedeutenden, geschützten Handelshafen (für Erze, Kohle, Holz, Stein, Kalkstein, Salz, Töpferwaren) und einer kleinen Fischereiflotte beruhte, gibt es noch viele Gassen und Häuser aus dieser Zeit. Im 20. Jh. verlor der Hafen durch Bahn- und Straßenverbindungen an Bedeutung, jetzt ist er ein Sandstrand mit einigen Fischer- und Sportbooten. Wichtigster Erwerbszweig ist inzwischen der Tourismus (ohne Artus). Der romantische Kulisse wurde in mehreren Filmproduktionen genutzt. Auf der Suche nach einer Teestube wurden leider nach 18 Uhr die Bürgersteige vor unseren Augen ein bisschen hochgeklappt, aber wir wurden dann doch noch im „Cornish Cove“ fündig. Ein klitzekleiner niedlicher gemütlicher Tearoom mit freundlichster Bewirtung mit allerfeinstem Cream Tea (und einem Bier gegen den Durst von 7 Wanderstunden mit einer Flasche Wasser, davon waren wir aber eine Stunde am Trebarwith Strand und haben auch sonst nicht ganz wenige Fotos gemacht). Für den Rückweg hatten wir Gottseidank den letzten Bus erwischt, der uns in einer fast zweistündigen kleinen Cornwall-Rundfahrt zurück nach Tintagel brachte.
Cornwall Tin Coast
Levant Mine & Beam Engine
Wir wollten dann noch an Cornwalls Südwestende, ohne die Touristenhochburgen Saint Yves, Lands End oder St. Michael’s Mount anzusteuern. Traumstrände, Einkaufsmeilen und Touristenrummel interessierten uns nicht. Nach den Reiseführerbildern fiel unsere Wahl auf die rund 10 km nördlich von Lands End liegende Tin Coast (seit 2006 UNESCO-Weltkulturerbe) mit den ehemaligen Zinn-/Kupferbergwerken Levant und Geevor Mine. Zwischen Pendeen und Cape Cornwall am südwestlichen Zipfel Cornwalls gibts an der Küste besonders viele Zeugnisse des über 2000jährigen kornischen Bergbaus. Seit der Bronzezeit waren Kupfer und Zinn begehrte Bodenschätze, die in Cornwall und Devon seit etwa 2200 v.d.Z. abgebaut und bis in den Mittelmeerraum gehandelt wurden. Cornwall wurde zum wichtigsten Kupfer- und Zinnlieferanten der Welt. Im 19. Jh. die wurden 2/3 des Weltbedarfs an Kupfer und die Hälfte an Zinn in tausenden Minen an Cornwalls Küsten abgebaut. Die Rohstoffgewinnung und -verarbeitung war der wichtigste Faktor der Industrialisierung Englands im 18. und 19. Jh. Die maschinelle Revolution, die Erfindung der Dampfmaschine, die Konstruktion von Fördertürmen, Pumpen, Maschinenhäusern, Eisenbahnen, Gießereien hatte hier ihren Ausgangspunkt. Im 20. Jh. waren die Lagerstätten erschöpft (1998 schloss nach über 400 Abbaujahren das letzte Zinnbergwerk Europas, die South Crofty Mine), viele hochqualifizierte Bergleute wanderten nach Amerika, Asien, Australien oder Südafrika aus und Cornwall wurde zu einer der ärmsten britischen Regionen. Da auch die traditionelle Landwirtschaft und Fischerei nicht mehr einträglich genug waren und sind, müssen neue nachhaltige Einkommensquellen wie der Tourismus erschlossen werden.
Unser Ziel war Levant Mine & Beam Engine (ein Industriedenkmal des National Trust seit 1967) direkt an der Küste bei Trewellard, wo auch wieder der South West Coast Path verläuft. In der Levant Mine wurde mindestens seit 1748 Kupfer gefördert. 1820 wurde die Levant Mining Company gegründet, in der damals weltweit bedeutendsten Kupferregion wurde dieses Bergwerk das führende seiner Zeit. Zur Hochzeit Mitte des 19. Jh. waren über 500 Arbeiter angestellt, neben den Bergmännern auch Jungen ab 8 Jahre im Schacht und Frauen und Mädchen beim Zerkleinern und Sortieren des Erzes. Mindestens 10 Stunden Arbeit täglich an 6 Tagen in der Woche, verbraucht oder tot mit 40 waren damals üblichen Bedingungen. 1857 wurde eine dampfmaschinenbetriebene Fahrkunst (Man Engine) installiert, die die aufwändige und langsame Schachtbesteigung über Fahrten (Leitern) erleichterte (weniger als eine halbe statt einer Stunde Zustieg). Die Fahrkunst war eine Art mechanischer Schachtfahrstuhl (ähnlich einem Paternoster) für jeweils einen Bergmann, der die Bergleute in 3,7-Meter-Absätzen hoch- und runtertransportierte. Eine endlose Reihe (über die gesamte Schachttiefe) von Trittstufen an einem Förderbaum mit jeweils 3,7 m Abstand wurde über einen Förderturm um 3,7 m gehoben und gesenkt. Die Bergleute mussten also alle 3,7 m von der Fahrstufe auf die jeweilige Schachtstufe springen und mit dem nächsten Hub weiterfahren. Kein Spaß, aber immer noch besser, als endlose glitschige Leitern bei fast völliger Dunkelheit mit einem Kerzenlicht klettern. Der Zustieg konnte dadurch von meistens um 1 Stunde auf etwa eine halbe Stunde verringert werden. 1873 waren 5 Dampfmaschinen für Förderung, Belüftung, Grubenentwässerung und Erzzerkleinerung in Betrieb. Die Teufe (Schachttiefe) reichte bis in 640 m Tiefe und auf etwa 30 Sohlen gab es Förderstollen bis etwa 2,5 km Länge, davon bis 1,5 km unterm Meeresboden, was sicher auch keine prickelnde Vorstellung ist. Am 20.10.1919 starben bei einem schweren Bergwerksunglück 31 Bergmänner und 19 wurden verletzt, als ein Bügel am Balancier (zentraler Schwinghebel) der Fahrkunst brach, der schwere Stamm in den Schacht fiel und die Schachtstufen mit sich riss. Die Fahrkunst wurde danach nicht mehr repariert und die unteren Stollen mussten aufgegeben werden. 1930 wurde die Grube endgültig geschlossen und lief nach dem Abstellen der Pumpen voll Wasser. Insgesamt wurden 129.268 Tonnen Kupfer (1820-1927), 27.907 Tonnen Zinn (1835-1929), 4.000 Tonnen Arsen sowie etwas Silber und Gold gefördert (zum Vergleich: Kupfer-Jahresproduktion im größten Tagebau der Welt in Chuquicamata/Chile: 2012 etwa 356.000 Tonnen, jährlich rund 3 mal so viel wie in 100 Jahren Levant Mine).
Vom bedeutendsten ehemaligen Bergwerk Cornwalls sind auf einer Fläche von etwa 700 x 300 m die (oberflächlichen) Überreste zu sehen: Ruinen der Umkleide mit Zugangsstollen zum Man Shaft, Fahrkunst-Schacht, Kompressor-/Generatorhaus, Schornsteine der Dampfmaschinen, Pumpenhaus mit Beam Engine, Förderturm, ein kleines Museum, Anlagen der Kalzinierung (zur Arsengewinnung) und viel umgepflügte Landschaft. Prunkstück des Museums ist die älteste funktionstüchtige Dampfmaschine der Welt von 1840 (Konstruktion: Francis Mitchell, Fabrik: Harvey & Co., Hayle Foundry) mit Förderhaspel, die 1935 von Enthusiasten des Cornish Engines Preservation Committee vor der Verschrottung bewahrt wurde (durch Ankauf für £ 300). Damit begann die Erhaltung des industriellen Erbes in Cornwall. Mit der Gründung des Industriedenkmals Levant Mine & Beam Engine 1967 wurde die Maschine dem National Trust übergeben und in den Jahren 1984-92 von den Dampffans des inzwischen Trevithick Society genannten gemeinnützigen Vereins wieder aufgearbeitet und in ihrem alten Pumpenhaus installiert (das Pumpenhaus musste aber vorher aus einer verfallenen Ruine rekonstruiert werden). Nach 60 Jahren Stillstand wurde sie als letzte funktionstüchtige Dampfmaschine ihrer Art wieder in Betrieb genommen, alle halbe Stunde im Levant-Mine-Pumpenhaus des National Trust.
Geevor Tin Mine
Gleich nördlich der Levant Mine schließt sich die Geevor Tin Mine an, die im 19 Jh. als North Levant nur ein kleiner Schacht war. 1891 wurde der Schacht aufgegeben und 1901 durch ausgewanderte Bergleute aus St. Just, die wegen des Burenkriegs aus Südafrika zurückgekehrt waren, neu erkundet. Daraus wurde 1911 die Geevor Tin Mine gegründet, nachdem der Zinnpreis zwischen 1896 und 1906 von £ 64 auf £ 181 gestiegen war und einen profitablen Abbau versprach. Nach wechselvoller Entwicklung wurde das Werk 1990 als nicht mehr rentabel geschlossen. 1991 wurden die Pumpen abgestellt, die Stollen sind abgesoffen und die Gebäude sollten abgerissen werden. Lokale Vereine und ehemalige Arbeiter wehrten sich dagegen und wollten die Mine als Denkmal der Industriegeschichte Cornwalls erhalten. Sie ist jetzt das größte, vollständig erhaltene Bergwerksmuseum und gehört seit 2006 zum UNESCO-Weltkulturerbe Bergbaulandschaft von Cornwall und West Devon.
An der Tin Coast in Cornwall hatten wir den westlichsten Punkt unserer Südengland-Tour erreicht und mussten langsam ans Zurückfahren denken, weil unsere Fähre in 2 Tagen von Dover abging. Wir sind aber nicht weit gekommen, weil wir noch einen Park auf unserer Wunschliste hatten: