Tour Friaul 2023: Muggia: Stadthafen (Foto: Manuela Hahnebach)

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Von Muggia ins Triester Karst und noch kurz ins Soča-Tal

Muggia

(furlanisch: Mugle, deutsch: Mulgs, slowenisch: Milje) ist der letzte verbliebene italienische Ort auf der Halbinsel Istrien und der südlichste von Friaul/Julisch Venetien (1954 wurde das Freie Territorium Triest einschließlich des nordwestlichen Teils Istriens zwischen Italien und Jugoslawien aufgeteilt). Muggia hat mit 19 zugehörigen Dörfern etwa 13000 Einwohner und nimmt einen etwa 6 km breiten Zipfel im Norden der istrischen Halbinsel ein, nördlich liegt die Hafenstadt Triest, südlich reicht es bis zur Grenze nach Slowenien. Der Kernort Muggia ist ein kleiner mittelalterlicher Fischerort am Adria-Golf von Triest. Er hat eigentlich zwei historische Enstehungslinien: Mit der Gründung Aquileias 181 v.d.Z. zum Schutz ihrer nordöstlichen Eroberungen begannen die Römer auch, das südlich davon gelegene Istrien zu kontrollieren, um Angriffe der Histrier abzuwehren. Nach dem Sieg gegen die Histrier 178 v.d.Z. gründeten sie den Militärstützpunkt Castrum Muglae zum Schutz ihrer Handelstraßen etwa 1 km von der Küste landeinwärts auf einem etwa 170 m.ü.d.M. gelegenen Höhenzug (Monte San Michele): das sich bis ins frühe Mittelalter als das ursprüngliche Muggia entwickelte, das heutige Muggia Vecchia (Alt-Muggia). Nach dem Untergang des Weströmischen Reiches, der wechselnden Herrschaft über Friaul und Istrien der Völkerwanderung und des Karolingischen Frankenreichs wurde Muggia 971 dem Patriarchat von Aquileia zugesprochen und damit Teil des Römisch-Deutschen Kaiserreiches. Die Küstengebiete Istriens blieben aber unter dem Einfluss Venedigs. Direkt an der Küste entstand im Mittelalter der venezianische Fischerort Borgolauro (Lorbeer-Dorf?) an der Stelle des heutigen Muggia. Wegen der Überfälle und Plünderungen aus dem istrischen Hinterland siedelten die Bewohner von Muggia nach und nach ins nahe Borgo Lauro um. Dieser Ort wurde unter venezianischem Einfluss weiter ausgebaut, z.B. 1263 der Duomo Arcipretale dei Santi Giovanni e Paolo (Erzpriester-Kathedrale der Heiligen Johannes und Paul) eingeweiht. Im 13./14. Jh. geriet die Gegend ins Spannungsfeld der Machtinteressen zwischen Genua, Venedig und dem Patriarchat von Aquileia. 1353 wurde das alte Muggia von Genuesern zerstört, nur die Kirche Santa Maria Assunta blieb stehen. Die Einwohner siedelten endgültig an den Küstenort um, Borgo Lauro wurde das neue Muggia. Im Mittelalter waren Istrien und Muggia venezianisch dominiert, nach der Eroberung durch Napoleon wurden Friaul, Triest und Istrien Teil des Habsburger-Österreichischen Kaiserreichs bis es nach dem 1. Weltkrieg an Italien fiel. Mitte des 19. Jh. war in Muggia die größte Werft Österreich-Ungarns für Kriegs- und Handelsschiffe (das ist heute das größte europäische Schiffbauunternehmen Fincantieri für Kreuzfahrtschiffe mit Sitz in Triest, in Muggia gibts noch die Yacht-Reparatur-Werft Sanrocco). Muggia ist heute ein kleiner malerischer Küstenort mit einem venezianisch geprägten historischen Altstadtviertel. Es gibt noch einen der selten erhaltenen Stadthäfen Mandracchio (Begriff für Herde) für kleine (Fischer-)Boote, der bis in den Ort hineinragt. Daneben liegt als Stadtzentrum die Piazza Marconi mit dem venezianischen Rathaus (13. Jh., nach Brand 1930 restauriert und erweitert) und dem Duomo Arcipretale dei Santi Giovanni e Paolo (Erzpriester-Kathedrale der Heiligen Johannes und Paul) und ein paar Restaurants und Bars. Der Dom wurde auf einer kleinen Vorgängerkirche aus dem Jahr 1000 (als Borgolauro entstand) erbaut, 1263 geweiht und 1467 mit der charakteristischen venezianischen Kleeblattfassade aus weißem Aurisina-Kalkstein versehen. Die historische Altstadt umgibt die Piazza in einem Oval von etwa 300 x 200 m, die von engen verwinkelten Gassen durchzogen wird. Die Altstadt wirkte aber nicht zu sehr touristisch, sondern eher alltagslebendig mit Bäcker, Fleischer und anderen Läden. Ursprünglich wurde die Altstadt einschließlich des Hafens durch eine Stadtmauer geschützt, die von der mittelalterlichen Burg des Patriarchen von Aquileia Marquard von Randeck (erbaut 1375-99) in der Oberstadt dominiert wurde. Im 19. Jh. verfiel die ungenutzte Burg zunehmend, bis sie der italienische Bildhauer Villi Bossi 1991 kaufte und als Wohnhaus und Atelier renovieren ließ (gelegentlich wird sie für Kulturveranstaltungen genutzt und kann zu Denkmalstagen oder auf Anmeldung besichtigt werden). Der Torre Loredan ist der letzte erhaltene Turm der weitgehend abgetragenen Stadtmauer. Er quetscht sich mit der Chiesa di San Francesco in die Gassen der Oberstadt. Die Franziskus-Kirche war ursprünglich Teil eines Franziskaner-Klosters (Anfang 15. Jh.), das unter napoleonischer Herrschaft aufgehoben wurde. Der schlichte Bau der Franziskaner-Gotik beherbergt noch drei wertvolle historische Altäre. Etwa 1,5 km landeinwärts auf dem Monte San Michele (170 m.ü.d.M.) befindet sich der Archäologische Park Muggia Vecchia (Alt-Muggia), die Überreste des ursprünglichen Muggia an der Stelle des römischen Castrum Muglae (etwa 1. Jh. v.d.Z.) Neben einigen Tor-Mauerresten und Fundamentausgrabungen ist nur die Basilica Santa Maria Assunta (Heilige Maria Himmelfahrt) erhalten geblieben. Die kleine romanische Basilika aus dem 10. Jh. (gestiftet 931, auf einem älteren Vorgängerbau, der Turm wurde im 13. Jh. angebaut) ist sehr sehenswert. Sie diente auch nachdem die Einwohner im 13./14. Jh. in den Küstenort Borgolauro umgesiedelt sind als Pilgerkirche. Bemerkenswert sind die mittelalterlichen Wandmalerein mehrerer Künstler aus dem 13.-15. Jh. Sie illustrieren christliche Glaubensvorstellungen in naiven byzantinisch-ikonenhaften Bildergeschichten: die heilige Katharina von Alexandria, der Schutzheilige der Reisenden und Pilger Christopherus, Marias Tod und Himmelfahrt, die vier Evangelisten… (die Malereien wurden 2019 restauriert). Außerdem gibt es mit dem Ambo (Lesepult/Kanzel) und den Chorschranken Teile eine älteren Vorgängerkirche aus dem 8.-10. Jh., die ziemlich langobardisch oder karolingisch aussehen. Um die Kirche herum gibts es noch einen kleinen Park mit einem Archäologischen Museum und mit einer Aussichtsterrasse nach Norden auf den Golf von Triest, die Stadt und den Hafen und das Karstgebirge im Hinterland.

Mehr Informationen: muggiacultura.eu | www.comune.muggia.ts.it/…

In der wirklich letzten italienischen Istrien-Ecke 250 m vor der slowenischen Grenze, hatten wir auf dem Campingplatz San Bartolomeo noch eine Bleibe für 2 Nächte gefunden (dann wurde er in den Winterschlaf versetzt).

Val Rosandra

Den Tipp zu einer Wanderung im Naturpark Val Rosandra (slowenisch: Dolina Glinščice) bekamen wir in der Touristinfo von Muggia. Das Val Rosandra ist das einzige Flusstal im Triester Karst, ein Kalkstein-Hochplateau östlich von Triest an der Grenze zu Slowenien (wo der größte Teil des Karstgebirges liegt, insgesamt ein Gebiet von etwa 40 km Länge und 13 km Breite parallel zur Adriaküste). Karst besteht aus porösem, wasserdurchlässigen und -löslichen Gestein, es kann sich kaum Oberflächenwasser sammeln, sondern es sickert in das Gestein und fließt unterirdisch. Im wasserlöslichen Kalkgestein bildeten sich über Millionen Jahre unterirdische Flüsse, Höhlen, Dolinen und Schlundlöcher. Ausgangspunkt für Wanderungen im Triester Karst ist der kleine Ort Bagnoli della Rosandra (slowenisch: Boljunec). Auf dem Weg dorthin muss man aber erst mal die gar nicht idyllischen Industriegebiete und Tanklager südöstlich von Triest passieren, die direkt an die Karstorte Bagnoli della Rosandra, San Dorligo della Valle/Dolina angrenzen. Der Kontrast zu den kleinen beschaulichen Orten am Rande des Karsts (die nur etwa 8 km vom Stadtzentrum Triest entfernt sind) könnte nicht größer sein. In allen Dolina-Karstdörfern östlich von Triest zusammen leben etwa 5700 Leute, davon etwa 1300 in Bagnoli della Rosandra/Boljunec (etwa 70 % der Bewohner dieser Grenzgegend sind slowenischer Nationalität). An einem kleinen Parkplatz direkt am Flüsschen Rosandra findet man die Mühlsteine einer alten Wassermühle und erfährt auf einer Infotafel, dass ab dem Mittelalter am Rosandrabach Wassermühlen entstanden, im 18. Jh. waren es 16, im 19. Jh. 32, die letzte wurde bis Anfang der 1970er Jahre betrieben. Entlang der Viale Botazzo kommt man zum Ortsteil Bagnoli Superiore (Ober-Bagnoli)/Gornji Konec (Oberes Ende), wo es seit 1933 die tiefstgelegene Hütte des Julischen Alpenvereins gibt auf 82 m.ü.d.M.: Refugio Mario Premuda (Bergsteiger und Höhlenforscher aus Triest). Sie dient als Ausgangspunkt für Wanderungen, Mountainbike-, Kletter- und Höhlen-Touren im Rosandra-Gebiet. Heute ist das Naturschutzgebiet ein Naherholungsgebiet für Einheimische, Triester und wenige Touristen. Neben dem Wanderweg ins Val Rosandra liegt am Berghang ein ursprünglich 17 km langer römischer Wasserkanal/Aquädukt, der vom 1. bis zum 6. Jh. Tergeste/Triest mit Trinkwasser aus dem Rosandra-Tal versorgte. Der Wanderweg nach Botazzo/Botač an der slowenischen Grenze folgt dem Flusslauf der Rosandra und steigt dabei immer höher in die Karstberge. Der Weg ist Teil des Alpe-Adria-Trails (Etappe 36), war früher die Salzstraße von den Salinen bei Triest/Muggia ins Krain und wird als Sentiero dell’Amicizia (Freundschaftsweg) bezeichnet, eine Initiative grenzüberschreitender Begegnungen zwischen Italien und Slowenien. Die Karstlandschaft des Val Rosandra wird geprägt von Geröllhalden, horizontalen Felsbändern, steilen Felsabbrüchen, dem eingeschnittenen Flusslauf des Rosandrabaches, viele Höhlen und lichten Wald (Hopfen-Buche, Zerr-Eiche, Manna-Esche, Felsen-Faulbaum sagt Wiki P. Dia). Ein steiler Abstecher vom Hauptweg führt an der Comici-Rippe aufwärts zur Wallfahrtskirche Santa Maria in Siaris. Es ist eine kleine einfache mediterrane Hallenkirche mit Glockengiebel aus dem 13. Jh. (später öfter verfallen und wieder renoviert), sie ist nur zu bestimmten Bergmessen geöffnet. Ab 1367 sollen Geißler der Battuti-Bruderschaft beim Pilgern zur Kirche den Weg zur Buße barfuß gegangen sein. Zurück auf dem Hauptweg, sieht man den Rosandra-Wasserfall: der Bach fällt an einer etwa 30 m hohen Steilstufe des Karstgesteins in den Talgrund. Nach dem Wasserfall kommt man durch Wald zu dem echt kleinen abgelegenen Ort Bottazzo/Botač, der direkt an der slowenischen Grenze liegt. Der Ort wurde ursprünglich ab dem 16. Jh. mit einigen Getreidemühlen am Rosandra-Bach gegründet, von denen die letzte Anfang der 1930er Jahren geschlossen wurde (ein paar Mauerreste der vier Mühlen findet man noch im Wald beim Fluss). Bis zum Jahr 2000 war der Ort nur zu Fuß zu erreichen und es lebten nur noch 3 Einwohner dort. Inzwischen wurde ein Fahrweg von Sant’Antonio in Bosco ausgebaut und es leben etwa 20 Leute in den 8 Häusern. Von Bottazzo führt ein schmaler aussichtsreicher Steig am Hang des Monte Stena bergauf bis man auf einem Geländeabsatz auf den Radweg Giordano Cottur (ein Radrennfahrer aus Triest, 1914-2006) trifft. Der Rad- und Wanderweg verläuft über 16 km von Triest nach Draga Sant’Elia und weiter zum slowenischen Ort Hreplje/Erpelle auf einem ehemaligen Bahndamm. Die Bergbahn (etwa 500 hm Steigung auf 27 km) verband Triest über Sant’Anna, die Karst-Dörfer Sant’Antonio in Bosco und Draga Sant’Elia mit Hrpelje, um eine Anbindung an die Transalpina-Strecke zwischen Pula (Istrien), Divača und weiter nach Görz, Laibach, Villach oder Wien zu erhalten. Sie wurde 1885/86 im Auftrag des österreichisch-ungarischen Reiches gebaut. Die Bahn war bis 1959 in Betrieb und wurde 1966 zurückgebaut. Heute dient die etwa 5 m breite Piste mit Brücken und Tunneln als beliebter Radweg aus dem Stadtzentrum von Triest zum Rosandra-Tal. Die einzige Höhle, die wir hier gefunden haben, war die Vinska Jama: eine willkommene Selbstbedienungs-Weinhöhle mit Kasse der Vertrauens. Auch im nächsten Ort Draga gibts Selbstbedienung: Bier, Saft, Kartoffeln, Ziegenkäse, Eier, Luftpumpe – alles, was man so braucht, gibts in einer öffentlich zugänglichen Schrankwand. Aber es geht auch anders: in der Locanda Mario gibts Gastlichkeit der Familie Lupidi seit 1947. Statt der Spezialitäten Frösche und Schnecken haben wir uns aber für die Crème Carsolina entschieden: eine lokale Spezialität aus knusprigem Blätterteig und schmelzender Sahne-Vanillecreme. Unsere Rücktour ging über den Monte Stena (442 m): am Rand des Karstplateaus hat man reichlich Ausblick ins Rosandratal und die Karst-Dörfer bis nach Triest und die Adria-Küste. Über San Lorenzo (schöner Aussichtspunkt, gute Trattoria Al Pozzo) und Sant’Antonio in Bosco sind wir wieder zurück nach Bagnoli gewandert. Unterhalb des Dorfes Sant’Antonio in Bosco kommt man durch Olivenhaine und Weinanbau, die zu den hervorragenden Spezialitäten dieser Gegend gehören.

Mehr Informationen: www.riservavalrosandra-glinscica.it | explorerfvg.com/…

Monte Grisa

In der Stadt Triest waren wir nicht – zu groß, zu viel, zu laut. Aber auf der Durchfahrt nach Opicina über die Via Commerciale ist uns an der Ecke Via Aleardi Aleardo (Piazza Scorcola) die Schmalspurbahn von Triest (Piazza Oberdan) nach Opicina (deutsch: Optschina) aufgefallen: dort steht noch ein Straßenbahnwagen mit einem Standseilbahn-Schubwagen. Die Kleinbahn wurde unter österreichischer Herrschaft gebaut und 1902 in Betrieb genommen (Triest gehörte von 1382 bis 1918 zum Gebiet der habsburgisch-österreichischen Monarchie und war deren wichtigster Mittelmeerhafen). Die Tram genannte elektrische Bahn erschloss das Triester Oberland im Karst und überwand auf etwa 5 km Strecke 340 m Höhenunterschied. Auf dem 870 m langen Steilstück zwischen Piazza Scorcola und Vetta Scorcola (160 m Höhenunterschied) wurden die Straßenbahnwagen (der Grazer Waggonfabrik) von Zahnrad-Schubwagen (Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik Winterthur) unterstützt wurden. 1928 wurde die Zahnradbahn für mehr Beförderungskapazität durch Standseil-Antriebswagen ersetzt. Die heutige 6 Personenwagen sind von 1935 und 1942 (Officina Meccanica della Stanga Padua), die neuesten flachen, führerlosen Schweizer Standseilbahn-Schubwagen waren seit 2005 im Einsatz. Nach einem Wagen-Zusammenstoß am 16.08.2016 mit einigen Verletzten wurde die Bahn zwar wieder Instand gesetzt und sollte 2020 wieder in Betrieb gehen, was aber bisher nicht geschehen ist. Der „aktuellste“ Beitrag von 2019 auf der Website triestetransporti.it zur Opicina-Bahn „Nuovo progetto per il tram di Opicina“ (Neues Projekt für die Opicina-Straßenbahn) informiert sehr lyrisch: „Mitten auf unserer Lebensreise befand ich mich in einem dunklen Wald, weil der gerade Weg verloren ging.“ (Einer der Trieste-Transporti-Angestellten ist offensichtlich ein Schöngeist)

Mehr Informationen: de.wikipedia.org/…

Eine aussichtsreiche und eindruckvolle Tour führt auf dem Karstplateau nördlich von Triest vom Obelisco bei Opicina zur Wallfahrtskirche Monte Grisa. Der Obelisk wurde zur Ehren Kaisers Franz I. von Österreich errichtet für den Bau der Verbindungsstraße von Triest nach Opicina (und weiter ins österreichische Hinterland), die 1830 fertiggestellt wurde. Durch Probleme beim Aufbau konnte der Obelisk erst 1839 aufgestellt werden. Er steht an einem Aussichtspunkt nach Triest, an dem die Straße die Höhe des Karstplateaus bei Opicinia (343 m) erreicht. Der Obelisk ist Ausgangspunkt für Wander- und Radtouren auf der Höhe nach Prosecco (der Heimat des Sprudelweins). Einer der Wege ist die Strada Napoleonica, ein Truppen-Transportweg von Venedig nach Triest, der 1797 für Napoleons Armee in den Karst gebaut wurde. Er wurde später als Straße ausgebaut, dann für den Autoverkehr gesperrt, ist heute eine beliebte, ziemlich ebene, aussichtsreiche Höhenpromenade und gilt als schönster Wander- und Radweg von Triest. Ein anderer Weg, der nicht so stark frequentiert ist, ist der Nicoló-Cobolli-Weg (1861-1931, Alpinist, Sportlehrer und Naturfreund aus Triest). Dieser Weg verläuft etwas oberhalb der Strada Napoleonica im Wald. In seiner Nähe liegen einige Karsthöhlen und der im 1. Weltkrieg ausgebaute Küstenschützengraben zur Verteidigung des bis dahin österreichischen Triest gegen einen möglichen italienischen Angriff (Teil des „Weg des Friedens“ entlang der österreichisch-italienischen Frontlinie im 1. Weltkriegs von den Julischen Alpen bis Triest).

Mehr Informationen: triest24.com/… | www.discover-trieste.it/…

Unser Ziel war das Santuario di Monte Grisa – Tempio Nazionale a Maria Madre e Regina (Wallfahrtskirche Monte Grisa – Nationaler Tempel der Mutter und Königin Maria): ein markanter Bau auf der Karsthöhe Monte Grisa (330 m) über der Adriaküste bei Triest. Neben der spektakulären Aussichtsterrasse zum Golf von Triest steht von Kiefernwald umgeben der monumentale, weithin sichtbare Kirchenbau. 1945 legte Antonio Santin, der Bischof von Triest und Koper, ein Gelübde vor der Madonna ab, ihr eine Kirche bauen zu lassen, wenn Triest im Krieg vor der Zerstörung bewahrt werde: „Wenn mit dem Schutz Unserer Lieben Frau Triest gerettet wird, werde ich alle Anstrengungen unternehmen, um eine Kirche zu ihren Ehren errichten zu lassen.“ Triest blieb von Zerstörungen weitgehend verschont. 1948 schlug Monsignore Giovanni Strazzacappa (1907-63) vor, in Triest mit Hilfe aller Diözesen Italiens ein nationales Heiligtum der Madonna zu errichten (es sollte die katholische Marienverehrung in Italien neu beleben und gleichzeitig ein Zeichen gegen die „Ungläubigen“ im benachbarten Jugoslawien sein). Nach der „Pilgerfahrt der Wunder“, einer Wallfahrt der Statue der Muttergottes von Fátima“ im Jahr 1959 durch 92 italienischen Städte mit dem Ziel in Triest, wurde der Grundstein zum Kirchenbau gelegt und Papst Johannes XXIII. verkündete, dass das Heiligtum der Mutter und Königin Maria als Symbol des Friedens und der Einheit aller Völker geweiht werden soll. Die Kirche wurde 1963-66 im Stil des Brutalismus erbaut: Architekt war der Bauingenieur und Architekturprofessor Antonio Guacci (1912-95) aus Triest, der die Kirche nach Skizzen von Antonio Santin entwarf. Der Sichtbeton-Bau war eines der ersten Gebäude in modularer selbsttragender Stahlbetonbauweise: der gesamte Bau beruht auf der Grundform eines gleichschenkligen Dreiecks mit Basis = Höhe (symbolisiert die Dreifaltigkeit), aus denen die Wandelemente zusammengesetzt sind. Der Baukörper besteht aus einer unteren Etage mit Unterkirche, Souvenirshop und Gaststätte als Basis und einer darauf aufgesetzten Oberkirche aus einer 40 m hohen, oben abgeschnittenen Hauptpyramide (Spitzname: Formaggino/Käseecke) als Hauptschiff und versetzt angeordneten ca. 15 m hohen Seitenschiffen in Trapezform. Beide Kirchenbereiche haben ca. 1500-1600 m² Grundfläche. Während die Unterkirche durch die relativ geringe Höhe von vielleicht 6 m einen unterirdischen U-Bahn-Eindruck macht (obwohl es jede Menge Oberlicht-Fensterreihen gibt), ist die lichtdurchflutete Oberkirche mit einem Hauptraumvolumen von rund 40.000 m³ beeindruckend großartig. Die Strukturen der aneinandergereihten Dreiecke lenken den Blick in die Höhe und implizieren (bei gutem Willen) die Buchstaben AM: Ave Maria (Gegrüßt seist du, Maria): ein Grundgebetes der römisch-katholischen Kirche zur Anrufung Marias. Das Beton-Dreiecksraster mit ca. 3,3 m Kantenlänge ist schon ganz schön „brutal“ dominant, aber andererseits läßt es den den ganzen Bau wie aus einem Guss erscheinen. Das gleichseitige Dreieck als Grundform wurde auch beim Kreuz des Abendmahl-Altars aufgegriffen: In einem Raster aus Stahlblech sind farbige Muranoglas-Objekte eingelassen, was einerseits als Farbspiel interessant aussieht und andererseits mit der Dominanz von blutroten Gläsern sicher eine symbolische Bedeutung hat. Der Marien-Pilgeraltar in einem der Seitenschiffe beherbergt eine offizielle Kopie der Madonna von Fátima (des Bildhauers Alberto Barlusa aus Braga) (Fátima: Wallfahrtsort einer Marienerscheinung 1917 in Portugal), die der Bischof Joao Pereira Venancio von Fátima selbst überbrachte. Der Hauptaltar ist mit einem etwa 4 m hohen Kruzifix einer Bronzefigur auf Holzbrettern von Marcello Mascherini (ca. 1966) den unbekannten Soldaten gewidmet. Vor der übermächtigen Wandstruktur des Betonrasters wirkt selbst diese große Skulptur ziemlich klein. In der Unterkirche gibt es noch ein Sammelsurium von Altarnischen z.B. für Method und Kyrill, Piran, für die Schutzpatrone von Istrien, Franziskus von Assisi, Katharina von Siena und noch ein paar mehr (meist an die Heimat der Vertriebenen/Geflüchteten aus Istrien und Dalmatien erinnernd), eine Kopie des Grabtuches von Turin und merkwürdige Kunstharz-Figuren der Maria und von Papst Johannes Paul II. (Pilgerbesuch am 1. Mai 1992). Unten in der Kirche Monte Grisa gibts das Restaurant Casa del Pellegrino (Pilgerhaus), das ein ganz gutes Angebot und sehr freundlichen Service hat.

Mehr Informationen: www.montegrisa.org

Vom Monte Grisa kann man auf dem Wanderweg entlang des Karstplateau-Randes weiter in Richtung Prosecco gehen: Aussicht auf die Adria-Küste gibts gratis. Am Aussichtspunkt Vedetta Italia wurde eine kleine Aussichtsplattform mit grandiosem Ausblick von Istrien im Süden über Triest bis nach Monfalcone und die Küste bei Grado im Norden. Zurück zum Obelisco ging es auf der gern genutzten Aussichtspromenade Strada Napoleonica. Ein ehemaliger Transportweg der Napoleonischen Truppen und später ausgebaute Straße zwischen Opicina und Prosecco wurde inzwischen für Kraftfahrzeuge gesperrt und mittlerweile zum beliebtesten Wander- und Radweg bei Triest. Die teilweise senkrechten, bis etwa 15 m hohen Seitenwände der in das Karstgestein gebauten Straße werden gern zum Klettern benutzt. Von vielen Punkten hat man schöne Aussichten auf die Adriaküste.

Ein großes Schiff etwas außerhalb der Hafenbucht von Triest fällt besonders auf: die mit 143 m Länge größte Segelyacht der Welt SY A des russischen Großunternehmers, Oligarchen und Milliardärs Andrei Melnitschenko (lebte in der Schweiz, seit 2022 in Dubai) wurde im Rahmen der EU-Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Krieges im März 2022 im Hafen von Triest beschlagnahmt und festgesetzt (persönlich verurteilte Melnitschenko den Angriff auf die Urkraine). Das Schiff wurde seit 2012 in der deutschen Werft Nobiskrug/Rendsburg nach einem Entwurf des französischen Designers Philippe Starck für geschätzt 400 Mio. Euro gebaut, 2017 in Betrieb genommen.

Mehr Informationen: de.wikipedia.org/… | www.nobiskrug.com/…

Auf der anderen Seite der Straße am Obelisco führt ein Waldweg in etwa 200 m zum Campeggio Obelisco, unserer letzten Übernachtung in Italien bei unserer Friaul-Julische-Alpen-Reise. Den Campingplatz des Camping-Clubs Triest gibts seit 1953 und er ist ganzjährig geöffnet und hauptsächlich mit Dauercampern belegt. Reservierung wäre erforderlich gewesen, aber der freundliche Rezeptionsmann hatte noch einen Stellplatz für uns aufgetrieben. Den fanden wir auf einer Terrasse unter Bäumen etwas bergaufwärts mit abenteuerlich steiler und enger Zufahrt. Der Campingplatz ist einfach, kein Schicki-Micki und relativ preiswert, die Anlagen sind etwas in die Jahre gekommen, aber gut brauchbar. Die Ristobar Campeggio Obelisco bietet „Erlebnisgastronomie“: der erste Eindruck ist rustikal, mit Deko überladen und leicht chaotisch. Der Chef preist unbescheiden „den besten Fisch der Welt“ an, den Mama Cinzia in der Küche zubereitet. Eine Karte gibt es nicht, der Chef wusste auch so, was wir wollten: erst mal Prosecco (war sehr lecker, es blieb nicht bei einen), dann Fisch-Meeresfrüchte-Vorspeisenteller (war auch lecker), dann Pasta mit Muscheln und Riesengarnele, für den 2. Gang hatte er entschieden, dass wir bestimmt keinen Hunger mehr haben. Dafür gabs noch Schokokuchen mit Café und eine 1,5-l-Flasche Grappa für die noch anwesenden Gäste (die haben wir aber nicht ganz geschafft). Die Rechnung wurde π x Daumen gemacht und wir kamen glimpflich davon, also unbedingt empfehlenswert, wenns gut geht (aber es gibt auch weniger gute Erfahrungen). Beim Campingplatz Obelisco geht auch die Verlängerung der Strada Napoleonica vorbei, also der Weg auf der Karsthöhe, von dem man die Küste bei Triest sehr gut sehen und (bei militärstrategischem Interesse) kontrollieren kann. Jetzt ist es ein Wander-Aussichtsweg über Triest: Sentiero da Conconello al campeggio Obelisco (Weg von Conconello zum Campingplatz Obelisco). Direkt vor dem Campingplatz am kleinen Parkplatz und etwa 300 m gibt es schöne Aussichtspunkte nach Triest.

Mehr Informationen: www.campeggiobelisco.it

Grotta Gigante

Im Karstplateau nordöstlich von Triest gibt es jede Menge Höhlen, in Julisch Venetien mehr als 6000, in ganz Italien über 35000, eines der Länder mit den weltweit meisten Höhlen. Diese entstehen im Kalkgestein (Kalziumkarbonat) durch Lösungs- und Kohlensäureverwitterung, d.h. Regen-/Oberflächenwasser dringt in das Gestein ein und löst es (als Kohlensäure) zu einer Kalzium+Kalziumhydrogenkarbonat-Lösung auf. Diese fließt in unterirdischen Spalten, Gängen und Flüssen ab: der ausgewaschene Hohlraum bleibt als Höhle zurück. Dieser Lösungsprozess ist auch umkehrbar, so dass sich aus einer tropfenden gesättigten Lösung wieder Kalksteingebilde aufbauen können: die Tropfsteine: Stalagtiten (hängend), Stalagmiten (stehend), Säulen (zusammengewachsen) und noch paar andere extravagante. Das Triester Karstplateau entstand aus Kalkablagerungen am Rande des Tethysmeeres vor 120 bis 40 Millionen Jahren. Die Kalkschichten haben eine Mächtigkeit von bis zu 4 km! Der Triester Karst hat den weltweiten Karstlandschaften seinen Namen gegeben. Und im Triester Vorort Trebiciano wurde 1840 bei der Suche nach dem Timavo-Fluss (als Trinkwasserreservoir für Triest) die Höhlenforschung „erfunden“. In jenem Jahr entdeckte der Kontrolleur der k. k. Bergwerksgesellschaft Triest Anton Friedrich Lindner die Grotta Gigante beim Dorf Sgonico, ab 1908 wurden Besucher bei Kerzenbeleuchtung durch die Höhle geführt, 1957 wurde elektrische Beleuchtung installiert und die Höhle für touristische Besucher geöffnet. Bis 2010 stand die Grotta Gigante mit einem Saal von 98,50 m Höhe, 76,30 m Breite und 167,60 m Länge als größte Schauhöhle der Welt im Guiness-Buch der Rekorde. Wir hatten mit etwa 25 anderen Höhlenschaulustigen eine Führung in die Höhle mitgemacht (Anmeldung erforderlich). Im Vorraum gibts eine kleine interessante Ausstellung mit Infotafeln, Tropfsteinen und Fundstücken (z.B. Höhlenbärenknochen). Die Tour dauert etwa eine Stunde, es geht knapp 100 m auf 500 Treppenstufen abwärts und dann wieder hinauf. Die kompetente Höhlenführerin gab kurze Erklärungen an einigen Haltestationen, man konnte nachfragen und fotografieren (ohne Stativ und Blitz). Die Höhle soll vor ca. 10 Millionen Jahren entstanden sein, der größte Stalagmit Collonna Rugero ist etwa 12 m hoch. Es gab jede Menge interessante Tropfsteine und Wandbehänge zu bewundern. Die Stalagmiten in dieser Höhle sind besonders: durch die große Fallhöhe der Tropfen bis rund 100 m zerstäuben sie beim Aufprall am Höhlenboden. Dadurch bilden sich zapfenförmig ausladende Schichtformen (Palmstamm-Stalagmiten). In der größten lichten Höhe der Höhle wurden 1959 zwei geodätische Horizontalpendel an 94 m langen Drahtseilen durch den Geodäten und Mathematiker Antonio Marussi installiert zur Erforschung der Bewegung der Erdkruste (Höhlenneigung, Gezeiten, Plattentektonik, Erdbebenforschung…) durch das geophysikalische Institut der Universität Triest / Nationales Institut für Ozeanografie und experimenteller Geophysik. für den Besucher sind nur die durch Plastikschläuche geschützten Aufhängeseile zu sehen, die von der Höhlendecke zum Boden gespannt sind. Am Boden verschwinden sie in einer Einhausung, die die eigentlichen Pendelkörper (zwei 18-kg-Gewichte an jeweils einem 1,5 m langen Stahlstab, der auch unten mit einem Stahlseil am Boden fixiert ist) und Messinstrumente enthält.

Mehr Informationen: www.grottagigante.it/…

Soča-Tal bei Bovec

Die Rückreise führte uns über einen kleinen Abstecher ins Soča-Tal bei Bovec (Slowenien). Damit waren wir an den Ausgangspunkt unserer Tour – die Julischen Alpen, aber diesmal auf slowenischer Seite – zurückgekehrt. Soča ist der slowenische Name des italienisch Isonzo genannten Flusses (deutsch: Sontig). Das obere Soča-Tal in den slowenischen Julischen Alpen liegt im Triglav-Nationalpark (höchster Berg Sloweniens, 2864 m) und ist ein beliebtes Tourismus-Ziel in Slowenien (EU-zertifiziert für nachhaltigen Tourismus: Herausragendes europäisches Reiseziel: European Destinations of Excellence – EDEN) mit vielen Naturschönheiten aber auch Zeugnissen von prägenden grausamen Kriegsereignissen: Izonzo-Schlachten im 1. Weltkrieg zwischen der italienischen und österreichisch-ungarischen Armee mit etwa 500.000 Opfern. Das Soča-Tal gilt als schönstes Tal Europas und ist ein ideales Gebiet für Wildwasser-Kajaktouren, Rafting, Canyoning, Wandern und Klettern.

Mehr Informationen: www.soca-valley.com/… | www.slovenia.info/…

Wir hatten uns zu dem Abstecher nach Slowenien entschlossen, weil die Camping-Situation dort besser erschien als in Italien (wo Ende September der Camping-Winterschlaf beginnt). Im Kamp Liza bei Bovec fanden wir einen guten Ausgangspunkt für Touren im Soča-Tal. 5 km vor Bovec hat man an der Boka-Brücke über die Soča einen guten Ausblick auf den Fluss: unglaublich türkisgrünes Wasser, weiße Felsen, grüner Wald in steiler Gebirgslandschaft. Und auf dem Wasser viele Kajakfahrer in ihren bunten Booten, die hier anlegen oder durch die Stromschnellen weiterfahren. Direkt am Kamp Liza fließt der Soča-Nebenfluss Koritnica vorbei, an dem man auch hübsche Strömung beobachten kann. Im Herbst sah der Fluss harmlos aus, aber das Geröll und entwurzelte Bäume ließen die Macht der Hochwassers im Frühjahr erahnen.

Unser erstes Wanderziel war die Soča-Quelle (slowenisch: Izvir Soče) etwa 25 km von Bovec entfernt. An der Straße 206 entlang der Soča im Trenta-Tal gibt es viele schöne Ausblicke auf den Fluss, der in einem Kiesbett oder in engen Schluchten fließt. Auf der Trenta-Straße kann man bis zur Bushaltestelle Izvir Soče fahren, von dort 1,3 km auf der Straße oder auf einem Wanderweg am Fluss weiter bis zur Koča pri izviru Soče (Rasthütte an der Soča-Quelle) und dann noch etwa 500 m (knapp 100 Höhenmeter) Wanderung mit leichten gesicherten Felspassagen bis zur Soča-Quelle. Die Quelle liegt an der Südflanke des Berges Travnik (2370 m) auf etwa 1000 m Höhe in einer verstürzten Felsspalte mit Zugang über Felsblöcke. Die Karstquelle kommt als unglaublich klarer, blau schimmernder Quelltopf eines unterirdischen Flusslaufes an die Oberfläche. Zunächst verschwindet das Wasser wieder unter den Felsblöcken, um dann weiter unten als kleiner Bach über einen Wasserfall und viele Kaskaden in die Tiefe zu fließen. Der Rückweg ist wie der Hinweg, es gibt ein paar schöne Abwege zum Fluss. Wer Spaß an Straßen-Kurven hat, kann die Trenta-Straße 206 weiter aufwärts zum Vršič-Pass fahren, dem höchsten slowenischen Pass auf 1611 m (da gab es sogar Fahrradfahrer). Auf einer Länge (ab Trenta) von rund 13 km steigt die Straße in 27 Serpentinen um rund 900 Höhenmeter rauf, um auf der Nordseite in 24 Serpentinen über rund 10 km nach Kranjska Gora (auf rund 800 m.ü.d.M) abzusteigen. Die Vršič-Passstraße wurde in den Jahren 1915-16 als Militärstraße/Nachschubweg der österreich-ungarischen Armee ins Soča/Isonzo-Tal von über 10.000 meist russischen Kriegsgefangenen gebaut, deshalb auch Ruska Cesta: Russische Straße genannt (etwa 400 kamen allein bei einem Lawinenabgang im März 1916 um, auf der Nordseite erinnert die Russische Kapelle (Ruska kapelica) an die Opfer). Von der Passhöhe hat man einen grandiosen Ausblick nach Süden in die umgebenden Berge des Soča-Tals. Unterwegs zum Vršič-Pass kommt man am Aussichtspunkt Šupca (1381 m) vorbei, auch mit tollem Ausblick nach Süden ins Soča-Tal und zur Plešivec-Trentski-Pelc-Srebrnjak-Kette.

Mehr Informationen: www.soca-valley.com/…

Auf Empfehlung unseres Zeltnachbarn aus Zeil am Main (über das gute Göller-Bier waren wir uns einig) hatten wir noch eine Tour zum Šunik-Wasserhain (Šunikov vodni gaj) unternommen. An einem Abzweig von der Trenta-Straße 203 bei Lepena (etwa 10 km von Bovec) ins Lepena-Tal kommt man nach 3,5 km zum kleinen Parkplatz beim Einstieg zum Šunik-Wasserhain. Die kurze Wanderrunde (nur etwa 1,5 km) führt im Talschluss unterhalb des Bergs Veliki Lemež (2024 m) entlang des Flüsschens Lepenjica durch ursprünglichen Wald. Hier hat sich das Wasser in das Karstgestein gegraben: viele kleine Wasserfälle und Kaskaden, Tröge, Gumpen und Strudellöcher. Wer kleine, ruhige Naturschönheiten mag, ist hier richtig (der Ort gilt als eine Art „Kraftzentrum“).

Mehr Informationen: www.soca-valley.com/…

Nach diesen eindrucksvollen Touren im Soča-Tal mussten wir wieder nach Hause: Über den Predel-Pass schlossen wir die Runde unseres Touranfangs in den Julischen Alpen: am Lago del Predil gabs noch einen letzten Fotostop.

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Tour Friaul 2023: Aquileia: Basilika Santa Maria Assunta (Foto: Andreas Kuhrt)

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Partner und Konkurrenten: Aquileia + Grado

UNESCO-Weltkulturerbe „Archäologische Stätte und patriarchalische Basilika von Aquileia“

…(deutsch: Aquileja, Agley oder Aglar), heute ein kleiner Ort mit ca. 3500 Einwohnern, war früher eine bedeutende römische Handelsmetropole und die viertgrößte Stadt im Weströmischen Reich. Mit ihren herausragenden Sehenswürdigkeiten war Aquileia eines der Highlights unserer Friaul-Tour. Schon 800-500 v.d.Z. besiedelt, später ließen sich aus Norden eingewanderte Kelten hier nieder, wurde der Ort von den Römern 181 v.d.Z. als Kolonie/Außenposten der Römischen Republik gegründet, um ihren Gebietsanspruch gegenüber den Kelten durchzusetzen. Zuerst wurden 3000 Kriegsveteranen der römisch-gallischen Kriege mit ihren Familien angesiedelt, 10 Jahre später noch mal 1500 weitere. 90 v.d.Z. erhielt der zuerst rein militärische Außenposten in der Provinz Gallia Cisalpina als municipium römische Bürgerrechte. Es wurden römische Straßen von Genua (Via Postumia) und Rimini (Via Annia) nach Aquileia angelegt, die erste sichere Landverbindung ins Friaul. Nach Osten hatte Aquileia Verbindung in Richtung Griechenland (Via Flavia) und nach Norden über die Via Iulia Augusta nach Noricum (Kärnten/Steiermark), die für das römische Reich extrem wichtig war, weil dort schon von den Kelten das Ferrum Noricum gefördert und verarbeitet wurde (Hüttenberger Erzberg), das Eisen für die römischen Waffen. Mit zwei sicheren Häfen, die über den Fluss Natissa und Kanäle mit der Adria verbunden waren, wurde Aquileia für Jahrhunderte zum wichtigsten Adriahafen. Die Handelsmetropole entwickelte sich zur viertgrößten Stadt im Weströmischen Reich und hatte zum Ende der Kaiserzeit im 3.-5. Jh. etwa 50000 bis 200000 Einwohner (die verschiedenen Quellen überbieten sich in dieser Angabe): Römer, Griechen, Ägypter, Syrer, Juden und Kelten. Aquileia war Standort römischer Truppen und Kaisersitz bei Germanen-Feldzügen, wurde im 4. Jh. Hauptquartier der venetischen Flotte. Die Metropole hatte alles, was der Römer so brauchte: einen Hafen (Porto), einen Stadtplatz (Forum) mit angrenzender Bürgerbasilika als Versammlungssaal, Tempel, Märkte (Mercati), Lagerhäuser, Werkstätten, Theater, Amphitheater, Rennbahn (Circo), Thermen, jede Menge Villen, sogar einen Kaiserpalast (Palazzo imperiale). Ab 314 erlangte Aquileia als frühchristlicher Bischofssitz des Theodorus herausragende Bedeutung, die es unter der Herrschaft der Patriarchen von Aquileia bis ins Mittelalter behielt: das Patriarchat von Aquileia (567-1751) war nach dem römischen Papst die zweitmächtigste christliche Instanz (wenn auch in Konkurrenz zum nahen Grado) und hatte für Jahrhunderte große Bedeutung für die Christianisierung ihres Einflussbereichs Venetien, Istrien, das westlichen Illyrien, Noricum, Raetia secunda (im Wesentlichen das Gebiet Friaul bis nach Kärnten und Slowenien). 452 wurde Aquileia von den Hunnen unter Attila (ein ursprünglich zentralasiatisches Reitervolk, das im 5. Jh. ein Reich im Gebiet der heutigen Slowakei/Ungarn/Rumänien beherrschte) belagert, eingenommen, geplündert und zerstört. Ein Teil der Überlebenden floh nach Grado und soll dann Venedig gegründet haben. Auch der Patriarch von Aquileia verlegte seinen Sitz nach Grado, später stritten die Patriarchen in Grado und Aquileia um die Vorherrschaft. Im 5. Jh. wurde Aquileia in einem kleineren Stadtgebiet um die Basilika herum wieder aufgebaut (der Hafen und das bisherige Forum wurden aufgegeben und lagen dann außerhalb der neuen Stadtmauern). 568 wurde Aquileia von den Langobarden angegriffen und eingenommen, die inzwischen Norditalien beherrschten (ein ursprünglich germanischer Stamm vom Unterlauf der Elbe). Der Frankenkönig Karl der Große (747-814) eroberte 774 das Langobardenreich und konnte seine Macht damit auf das frühere weströmische Reich ausdehnen. Unter dessen Herrschaft als römisch-deutscher Kaiser und des mit ihm verbündeten Bischofs Maxentius (Patriarch 811-837) konnte sich Aquileia wieder als wohlhabende Handelsstadt und bevorzugte Papststadt entwickeln. Unter karolingischer Herrschaft etablierte sich das Patriarchat von Aquileia als Regionalmacht im Friaul. Nach der Machtübernahme durch die Republik Venedig ab 1420 verloren die Handelswege und damit die Orte im Friaul an Bedeutung, weil Venedig andere See-Handelsströme aufbaute. Heute ist Aquileia ein kleiner beschaulicher Ort, aber voller historischer Sehenswürdigkeiten: die wichtigste archäologische Ausgrabungsstätte Norditaliens, die besterhaltene römische Hafenanlage, die erste frühchristliche Basilika mit dem größten antiken Mosaikboden, das Archäologische Nationalmuseum, seit 1998 UNESCO-Weltkulturerbe „Archäologische Stätte und patriarchalische Basilika von Aquileia“. Für uns war noch vorteilhaft, dass Aquileia einen Campingplatz hat, der auch noch geöffnet war (10.03.-01.11.) Von Norden aus Richtung Udine kommt man auf der vor über 2000 Jahren angelegten Via Giulia Augusta nach Aquileia rein, die aber inzwischen straßenbauamtseidank stoßdämpferfreundlich asphaltiert ist (antikrömische Straßen waren da deutlich buckeliger)…

Mehr Informationen: www.fondazioneaquileia.it | www.roemer-tour.de/…

Antike Ausgrabungen

Aquileia ist das größte und ergiebigste Ausgrabungsgebiet der Antike Norditaliens, von dem erst ein kleiner Teil freigelegt wurde und das weiter erforscht wird.
Porto Fluviale (Flusshafen) Gleich neben dem Campingplatz beginnt der Archäologische Park Antikes Rom, der die Ausgrabungsstätte des römischen Binnenhafens von Aquileia ist (außerdem gab es auch noch einen Seehafen über den Anfora-Kanal an der der Adria). Die Grundmauern des besterhaltenen römischen Hafens (aus dem 1./2. Jh.) wurden 1926-31 ausgegraben. Wenn man das nebenan fließende Kanälchen zum Fluss Natissa sieht, kann man sich schwer vorstellen, dass hier einmal ein 50 m breites, ausgebautes, auch für größere Schiffe bis zur Adria schiffbares Flussbett des Natisone/Torre war. Aquileia war die bedeutendste Hafenstadt der Adria zum östlichen Mittelmeer. Auf etwa 400 m Länge kann man die Grundmauern von Kais, Werften, Lagerhäusern, Rampen und Straßen sehen. Der Anlegekai hatte einen oberen und 2 m tieferen Landungssteg für größere und kleinere Schiffe und für unterschiedliche Wasserstände. Später verlandete der Hafen, verlor seine Funktion und geriet in Vergessenheit, einige Reste wurden erst um 1800 wiederentdeckt. Der heutige Römer-Parkweg Via Antica entlang der Ausgrabung wurde 1934 im Bereich des ehemaligen Flussbettes mit dem Aushub der Ausgrabung angelegt. Der Archäologiepark ist tagsüber frei zugänglich, abends kommt der Parkwächter mit dem Fahrrad und schließt das Tor des umzäunten Areals ab.
Mehr Informationen: www.fondazioneaquileia.it/…
Forum Romanum (Römischer Marktplatz) Der Hauptplatz des römischen Aquileia: schon mit der Stadtgründung im 2. Jh. v.d.Z. angelegt, im 1./2. Jh. zu einem ca. 141 x 55 m großen marmorgepflasterten Platz mit Säulen-Arkaden und öffentlichen Gebäuden (Markt, Versammlungsgebäude, Ratsgebäude, Bürgerbasilika, Gericht) ausgebaut. Einige Säulen wurden in den 1930er Jahren wieder aufgerichtet, fehlende Fragmente durch Ziegelstein ersetzt. Das Forum Romanum liegt unmittelbar an der Hauptstraße Via Giulia Augusta bzw. wird durch sie geteilt, weil es auch auf der anderen Straßenseite Platzstrukturen gibt. Ich könnte mir gut vorstellen, dass an diesem zentralen Stadtplatz die alte Handelsstraße nach Norden, nach Noricum (Kärnten) begann.
Mehr Informationen: www.fondazioneaquileia.it/…
Weitere interessante Ausgrabungen oder Denkmäler, die tagsüber frei zu besichtigen sind: Decumanus Aratria Galla: die wichtige Ost-West-Verbindungsstraße südlich des Forums zum Stadthafen, benannt nach der Stifterin, der reichen Bürgerin Aratria Galla, die im 1. Jh. die Pflasterung der Straße finanzierte. Das Mausoleum Candia (nach der Familie Candia aus Mailand benannt, die den Aufbau finanzierte) wurde 1955 nach den Vorstellungen von Architekten aus den Fragmenten eines römischen Grabmals aus dem 1. Jh. v.d.Z. – 1. Jh. n.d.Z. aufgebaut, die etwa 1 km außerhalb der Stadt gefunden wurden: ein 17 m hohes Marmor-Monument mit zwei Löwen am Sockel, rundes Tempelchen mit Säulen als Aufsatz mit der Statue des Verstorbenen darin. Fondo CAL (benannt nach dem ehemaligen Gelände der Arbeitergenossenschaft von Aquileia): in dem Bereich südlich des Forums an der Via Giulia Augusto werden immer noch römische Villen ausgegraben, die vom 1. – 4./5. Jh. genutzt und während dieser Zeit umgebaut und zusammengelegt wurden, darunter ein ursprünglich als Oratium angenommener Saalbau mit wertvollem geometrischen und figürlichen Bodenmosaik (der „Gute Hirte“, Fische, Delfine, Pfauen, Porträts), der inzwischen eher als Empfangshalle der Villa eines reichen Bürgers angesehen wird. An den Ausgrabungen sind Spezialisten und Studenten der Universitäten Padua und Verona beteiligt.
Mehr Informationen: www.fondazioneaquileia.it/…

Basilika Santa Maria Assunta

Basilika Aquileia: 5 Bauphasen (Quelle: www.basilicadiaquileia.it, bearbeitet)

Neben den antiken römischen Stätten ist die Basilika Santa Maria Assunta (Heilige Maria Himmelfahrt) der prägendste Bau und die eindrucksvollste Sehenswürdigkeit von Aquileia. Sie wird als eine der ersten frühchristlichen Basilikas der Welt bezeichnet: ab 313 (nach der Mailänder Vereinbarung des ost- und weströmischen Kaisers – Licinius und Konstantin I. – über die Religionsfreiheit der Bürger) im Auftrag des Bischofs Theodorus (Bischof von Aquileia 312-23) auf dem Grund einer früheren römischen Villa (1. Jh. v.d.Z.) und späteren Lagerhäusern (3.Jh.) erbaut (diese Urkirche wird Theodorische Hallen genannt): eine Nord- (Eucharistie, Abendmahl-Feier) und eine Südhalle (Katechismus, Unterweisung der Taufanwärter) mit einer Übergangs-Querhalle und Baptisterium dazwischen. Aus dieser ersten Bauzeit des frühen 4. Jh. stammen die großartigen (theodorischen) Boden-Mosaike. Das 750 m² große Mosaik in der ehemaligen Südhalle (jetzt mit der Basilika überbaut) ist das älteste und größte christliche Bodenmosaik der Westlichen Welt. Es knüpft an die kunstvollen Mosaike römischer Tempel und Villen an, aber verwirklicht neue christliche Deutungen der Bilder. Neben geometrischen Mustern, Bändern, Rauten und Salomonsknoten gibt es florale Ranken, Tierdarstellungen, Porträts (vielleicht Stifter, Jahreszeiten) und als Hauptbereich ein Meeresstück über die gesamte Breite des damaligen Chors: Meerestiere, Fische, Fischer als Engel und die Darstellung der Jonas-Legende (mit einer Inschrift für den Bischof Theodorus, wahrscheinlich erst nach dessen Tod 319 eingefügt). Mitte des 4. Jh. wurde die Nordhalle für den Gottesdienst dreischiffig erweitert, etwas später auch die Südhalle (dabei wurden Säulen auf den ursprünglichen Boden gestellt und die frühen Mosaikböden zugeschüttet) und das Baptisterium + Verbindungsgang westlich der Südhalle als eigenständiger Bau errichtet. 542 wurde die Nordhalle durch die Hunnen zerstört und danach nicht wieder aufgebaut. Im 9. Jh. ließ Bischof Maxentius die Kirche mit einem Querschiff zur Kreuzbasilika umbauen (oder zwei seitliche Türme neben den Seitenschiffen hinzufügen wie in der Abbildung?), das Mittelschiff um eine Apsis erweitern, der Verbindungsgang zum Baptisterium wurde neu gebaut. Unter dem Hauptaltar in der Apsis wurde eine Krypta zur Aufbewahrung der Reliquien der Aquileia-Märtyrer (Hermagoras, Fortunatus, Grisogono, die Brüder Canziani und andere) angelegt. Der Legende nach wurde Hermagoras von Petrus auf Vorschlag des Apostels Markus im Jahr 48 als erster Bischof von Aquileia eingesetzt, er ernannte Fortunatus zum Diakon. Die tatsächlichen Lebensdaten von Hermagoras und Fortunatus sehen aber ganz anders aus: sie wurden um 305 in Singidunum (Belgrad) während der römischen Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian hingerichtet (ihre Märtyrer-Reliquien sollen um 400 nach Aquileia gelangt sein). Im 11. Jh. ließ Patriarch Popone (Poppo, ein Deutscher aus dem Herzogtum Kärnten, weil Aquileia inzwischen zum deutsch-römischen Kaiserreich gehörte) die Basilika weiter zur heutigen Größe ausbauen: Erhöhung der Außenmauern, Erneuerung der Kapitelle, Apsisfresko mit Madonna, Heiligem Markus und den Märtyrern Aquileias, Bau des Glockenturms. 1031 weihte Bischof Popone die Patriarchatsbasilika neu. Im Auftrag von Patriarch Ulrich II. wurde um 1180 die gesamte Märtyrer-Krypta mit Fresken der Markus-und-Hermagoras-Legende im byzantinisch-venezianischen Stil ausgemalt. Nach einem Erdbeben 1348 musste das eingestürzte Dach erneuert werden, die Säulen wurden mit gotischen Spitzbögen verbunden. Bei den Umbauten der Basilika wurde der Boden im Laufe der Zeit um etwa einen halben Meter aufgeschüttet. Erst 1909-12 wurden die frühchristlichen Mosaike vom Anfang des 4. Jh. wiederentdeckt und freigelegt. Als Besucher kann man die Mosaike von einem höher gelegten Steg aus bewundern, zu ihrer Schonung darf man sie nicht betreten. In der Basilika gibt es viele weitere eindrucksvolle Kunstwerke: z.B. die (für mich merkwürdigen) Märtyrer-Reliquien (in kleinen Schreinen kunstvoll drapierte Knochenreste), antike oder mittelalterliche Wandmalereien, Reliefs und Skulpturen. Sehr interessant für das Verständnis der antiken Bauten ist die Krypta der Ausgrabungen mit den verschiedenen Boden-Horizonten im Bereich der ursprünglichen Theodorischen Nordhalle: das Boden-Mosaik der ursprüngliche römischen Villa (ca. 1. Jh), eine Lagerhalle (3. Jh.), der theodorische Mosaik-Boden (ca. 313/14), ein posttheodorischer Mosaikboden (nach der Erweiterung Mitte des 4. Jh.) Zwei „moderne“ Marmor-Skulpturen fand ich wegen ihres intensiven Ausdrucks beeindruckend: „Christus des (Schützen-)Grabens“ (1916) im Kircheninnern und „Allegorie der Heimat“ (1920) an einer Grabstele auf dem Heldenfriedhof für den 1917 gefallenen Leutnant Leone Fedeli, beides Werke des Bildhauers Edmondo Furlan (1888-1974). Hinter der Basilika wurde der Heldenfriedhof der Gefallenen des 1. Weltkriegs angelegt. Daneben (auf dem Gelände der antiken theodorischen Nordhalle) wurde im 11. Jh. der freistehende rund 70 m hohe Glockenturm aus Steinen des römischen Amphitheaters erbaut (überhaupt wurde antikes Baumaterial gern für „Neubauten“ wiederverwendet). Westlich vor der Basilika schließt sich der Übergang und das „neue“ Baptisterium vom Ende des 4. Jh. an. Die relativ große Piazza Capitolo in der Nordwestecke des Basilika-Bauensembles könnte im 4. Jh. ein Kreuzgang gewesen sein.

Aquileia: Basilica Constantiana: Südhalle (3D-Animation: altair4multimedia.it, Quelle: fondazioneaquileia.it)
3D-Animation der 1. Kirche von Aquileia: Aquileia Basilica Constantiana (fondazioneaquileia.it/altair4.com YouTube-Video): Das Bild zeigt die Rekonstruktion der Südhalle mit dem ursprünglichen Bodenmosaik, Blick vom Meeresmosaik (unten) nach Westen, wo jetzt der Eingang zur Basilika ist.
Video: im „Anflug“ auf Aquileia rechts den Kaiserpalast als Doppelhalle, dann einzoomend die Theodorischen Hallen: Südhalle links, Nordhalle rechts, dazwischen das Baptisterium als separater Bau, hinten der Verbindungssaal. Innen: zuerst das Baptisterium mit dem Taufbecken, dann durch die Tür zur Südhalle (jetzt Basilika mit dem großen Bodenmosaik, weiter durch den Verbindungssaal zur Nordhalle mit weiteren Mosaiken, 452 zerstört, jetzt als Krypta der Ausgrabungen zu besichtigen).

Mehr Informationen: www.fondazioneaquileia.it/… | 3D-Animationen/Bilder: www.fondazioneaquileia.it/… | 3D-Animation Basilica (313): youtu.be/… | www.basilicadiaquileia.it/…

Archäologische Nationalmuseum Aquileia

Ein weiteres Highlight ist das Archäologische Nationalmuseum Aquileia: 1882 mit verschiedenen privaten Altertümer-Sammlungen auf Initiative des italienischen Archäologen, Ausgrabungsleiters in Aquileia und ersten Museumsdirektors Enrico Majonica (aus Triest) in der neoklassizistischen Villa Cassis Faraone als Kaiserlich-königliches Museum zu Aquileja (Caesareum Museum Aquileiense) eröffnet (seit 1797 bis 1918 gehörte Friaul zu Österreich). Ein Großteil der Ausstellungsstücke stammt von Ausgrabungen in Aquileia in den letzten 200 Jahren. Im Erdgeschoss gibt es eine Sammlung von römischen Steindenkmälern aus Aquileia mit Statuen, Büsten, Inschriften und Reliefs. Im ersten und zweiten Obergeschoss dokumentieren verschiedene römisch-antike Kunst- und Gebrauchsgegenstände, Mosaike, Schmuck, Münzen, Amphoren, Glasgefäße, Einrichtungsgegenstände, Werkzeuge, Waffen das Alltagsleben im antiken Aquileia.
Mehr Informationen: www.fondazioneaquileia.it/… | museoarcheologicoaquileia.beniculturali.it

Sonst ist Aquileia ein hübscher ruhiger Ort mit ein paar Hotels/Ferienwohnungen, Agriturismo, Campingplatz, Gasstätten/Pizzeria, Bars, drei Weingütern, einer Yachtwerft, Sportbootanlegestellen entlang des Natissa-Kanals und eine Marina (etwas außerhalb) mit Verbindung zur Grado-Lagune.

Grado

(gardesisch: Gravo, deutsch: Grau, slowenisch: Gradež) wurde im 2. Jh. v.d.Z. als Ad Aquas Gradatas/kurz Gradus (Zu den Stufengewässern: der Kanal nach Aquileia) als Adria-Küstenhafen von Aquileia angelegt. Heute leben im Touristenstädtchen Grado rund 8000 Einwohner. Erst nach den Überfällen der Hunnen im 5. und Langobarden im 6. Jh. wurde der Fluchtort der Aquileianer als Castrum/Burg mit mit schützender Stadtmauer ausgebaut. Nach dem Hunnenüberfall 452 in Aquileia verlegte Erzbischof Nicetas von Aquileia seinen Sitz vorübergehend nach Grado und ließ dafür eine kleine Petrus-Kirche (erbaut Ende 4. Jh.) zur dreischiffigen Basilika vergrößern. 5 Erzbischöfe später flieht Erzbischof Paulus I. von Aquileia 568 vor den Langobardenangriffen wieder nach Grado und lässt die Petrus-Basilika weiter umbauen (Paulus hatte sich inzwischen im Streit mit dem römischen Papst Pelagius I. den Titel Patriarch von Aquileia zugelegt). Unter dem Patriarchen Helias (Elia) von Aquileia wurde der Bau der Basilika fertiggestellt und 579 als Basilika Santa Eufemia den Aquileia-Märtyrern Hermagoras und Fortunatus sowie Euphemia von Chalcedon geweiht. Danach existierten die Patriarchate von Grado und Aquileia in Konkurrenz parallel nebeneinander bis im 12. Jh. Venedig die Macht in Venetien und das Patriarchat übernahm. Das 700 Quadratmeter umfassende Bodenmosaik zeigt geometrische und pflanzliche Ornamente und enthält etwa 30 Weihinschriften mit den Namen der Stifter. Zum ersten Vorgänger-Hallenbau gehören die einen Meter tiefer liegenden Mosaikreste, auf die man durch Bodenöffnungen blicken kann.

Die im Lapidarium ausgestellten Steinfragmente wurden innerhalb der Basiliken und Baptisterien von Grado Santa Eufemia, S. Maria delle Grazie, Battistero di San Giovanni, Basilika und Battistero di Piazza della Corte bzw. della Vittoria – sowie in der näheren Umgebung ausgegraben. Die ersten Ausgrabungen gehen auf das Jahr 1860 zurück, als die heute auf der Zugangsallee zum Baptisterium aufgestellten Sarkophage gefunden wurden. Die Ausgrabungen wurden später zwischen 1920 und 1952 anläßlich der Restaurierungen der Denkmalbauten von Grado mehrmals wiederaufgenommen. Während dieser Arbeiten wurden römische, altbyzantinische und frühmittelalterliche Steinbruchstücke und Inschriften ans Tageslicht gebracht.

Mehr Informationen: grado.it

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Tour Friaul 2023: Venzone: Dom Sant'Andrea Apostolo (Foto: Andreas Kuhrt)

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Von Venzone nach Palmanova

Venzone

Entlang des Flusses Fella führen alte Handels- und neue Verkehrswege aus den Julischen Alpen nach Süden zur Adria. Die ehemalige Pontebba-Bahn, jetzt Alpe-Adria-Radweg, die Autobahn A23 und die Staatsstraße SS13 (Via Pontebbana) gehen durch das enge Tal. Bei Carnia öffnet sich das Fella-Tal zum Julischen Voralpenland und die Fella mündet in den großen Fluß Tagliamento, der weiter nach Süden fließt. Entlang des Tagliamento verlief zu Römerzeiten die Via Julia Augusta von Aquileia zur Provinz Noricum (heute Mittelösterreich, wo das Eisenerz für die römischen Waffen herkam), in der Regierungszeit des ersten römischen Kaisers Augustus (31 v.d.Z. – 14 n.d.Z.) ausgebaut. Am Ausgang des Gebirges der Julischen Voralpen liegt Venzone (deutsch: Peuscheldorf, was für ein armseliger Name für eine altehrwürdige Stadt), das uns durch sein mittelalterliches Aussehen aufgefallen ist. Der Ort war schon seit der Keltenzeit (500 v.d.Z.) ein wichtiger Grenzort zur Kontrolle des Alpenausgangs, bei den Römern eine Station (statio) an der Via Julia Augusta als Wachposten und Etappenziel. Aus Karolingischer Zeit im 8. bis 10. Jh. ist ein Stadtkern belegt und Venzone wurde 923 als Clausas de Abiciones erwähnt. Unter der Herrschaft des Patriarchen von Aquileia wurde Venzone 1247 zur Stadt mit Marktrecht erhoben, ab 1258 wurde die doppelte Stadtmauer mit Wassergraben und drei bewachten Stadttoren errichtet (Gemona lag als feindlicher Handelskonkurrent nur 7 km entfernt). Die historische Bebauung der Innenstadt im venezianischen Stil stammt ursprünglich aus dem 13. und 14. Jh. Der romanisch-gotische Dom Sant’Andrea Apostolo wurde Anfang des 14. Jh. gebaut und 1338 vom Patriarchen von Aquileia Bertrand de Saint-Geniès geweiht. Es gab schwere Erdbeben (z.B. 1348) und die Herrschaft über Venzone wechselte oft, aber der mittelalterliche Ort wurde nicht wirklich zerstört. Die große wirtschaftliche Bedeutung als Handelsposten hat Venzone heute nicht mehr, es ist eher ein Dorf mit ca. 3000 Einwohnern, das vom Tourismus lebt. 1965 wurde Venzone als einzige weitgehend original erhaltene befestigte Ortschaft aus dem 14. Jh. zum Nationaldenkmal Italiens erklärt. 1976 kam es aber zu zwei verheerenden Erdbeben (im Mai und September), es gab 49 Todesopfer und 90 % der Bauten wurden zerstört. Venzone liegt nur rund 3 km vom Berg San Simeone entfernt, unter dem das Epizentrum der Erdbeben war. Während z.B. am Dom nach dem Erdbeben am 6. Mai 1976 nur ein Teil eines Seitenschiffs und des Giebels eingestürzt waren, hat das zweite starke Beben am 11. September 1976 die schon angeschlagene Bausubstanz endgültig zerstört: es blieben nur wenige Mauerfragmente stehen. Nach der fast kompletten Zerstörung Venzones gab es Bestrebungen des Stadtbauamtes, Venzone mit Neubauten wieder aufzubauen. Bei den Aufräumarbeiten (nach dem 6. Mai 1976) wurde historische Bausubstanz eingerissen. Ein 1977 gegründetes Bürgerkomitee verhinderte die Neubaupläne, mit einem Volksbegehren wurde beschlossen, die Stadt „wo sie war und wie sie war“ wieder aufzubauen. Künstlerisch wertvolle Bauteile und 8000 Bau-Steine wurden aus dem Schutt geborgen und nach Funktion und ehemaliger Anordnung katalogisiert. Mit Hilfe der Anastylose-Methode (Rekonstruktion nach dem ursprünglichen Aussehen am originalen Ort mit so viel möglichen originalem Baumaterial, die notwendigen Ergänzungen werden kenntlich gemacht) wurde der gesamte Ort originalgetreu rekonstruiert. Dank dieser unglaublich aufwändigen Aufbauarbeit in einem nationalen Kraftakt kann man Venzone wieder in seinem historischen mittelalterlichen Erscheinungsbild bewundern. Der Ort gehört zum Verbund der schönsten Dörfer Italiens (Borghi più belli d’Italia). Der Wiederaufbau des Domes dauerte von 1982 bis 1995. Die Stadtmauer wurde komplett wieder aufgebaut, von den drei Stadttoren wurde der Wehrturm Porta San Genesio rekonstruiert. Auch die Kapelle San Michele (ein romanischer Bau aus dem 12. Jh.) neben dem Dom war völlig zusammengestürzt, wurde orinalgetreu wieder aufgebaut und beherbergt heute die „Mumien von Venzone“. Seit 1647 wurden in Gräbern im und um den Dom herum 40 Mumien gefunden, die durch die austrocknend-konservierende Wirkung des Schimmelpilzes Hypha bombicina Pers unbeabsichtigt mumifiziert wurden (5 davon werden ausgestellt). Eine kleine Ausstellung in der offenen Loggia des Rathauses (ein Palazzo aus dem 14. Jh.) informiert über das Erdbeben und den Wiederaufbau. Interessant war auch noch ein Hochzeit auf italienisch im Palazzo Comunale: wo bei uns Reis, Blüten oder Flitter gestreut wird, gab es dort einen Regen aus Seifenblasen, das war hübsch und die anschließende Straßenreinigung kann man sich sparen.

Mehr Informationen: www.venzoneturismo.it

Gemona del Friuli

Unser nächstes Ziel war das nur 7 km entfernte Gemona (deutsch: Klemaun, etwa 10500 Einwohner), weil es als sehenswerter Ort mit Burg und mittelalterlicher Altstadt gilt und weil es dort den Zeltplatz Ai Pioppi gibt, der noch geöffnet und sogar auch noch preiswert war. Die starken Erdbeben von 1976 haben Gemona genauso schwer getroffen wie Venzone und Osoppo in der Nachbarschaft: in Gemona gab es 965 Todesopfer und rund 70 % der Bausubstanz wurden zerstört. In der interessanten Ausstellung „1976 Frammenti di memoria“ (Erinnerungsfragmente) gibt es zum Erdbeben, dessen Auswirkungen und dem Wiederaufbau viele Informationen, Original-Nachrichten und Bilder. Auch in Gemona wurden die größten Zerstörungen durch das zweite Beben im September angerichtet: z.B. war der Campanile sowie große Teile des Doms Santa Maria Assunta erst dann vollständig eingestürzt. Der originalgetreue Wiederaufbau des Altstadtkerns und besonders des Doms waren auch in Gemona eine Aufgabe historisch einmaliger Dimension. Im Dom kann man sehr gut die originalen Bauteile von der ersetzten unterscheiden, da diese neuen glatt verputzt wurden. Wenn statisch möglich, wurden auch vorhandene Bauteile stehen gelassen, von den Säulen stehen einige noch schief. Der Dom wurde im 13. Jh. um eine kleinere Vorgängerkirche aus dem 12. Jh. herum erweitert. Aus der Zeit um 1290 stammt auch der große Schaugiebel vom Baumeister und Bildhauer Giovanni Bono aus Bissone (Tessin), der beim Erdbeben relativ unbeschädigt blieb (nicht der Baumeister, sondern der Giebel). Eindrucksvoll ist die 7 m hohe Statue des Christopherus (ein Riese als Christusträger, Schutzpatron der Pilger, Reisenden und Autofahrer, also für uns zuständig), die 1331 von Giovanni Griglio (Griglio da Gemona) geschaffen wurde. Vom nahen Burgberg hat man tolle Ausblicke auf die Altstadt mit dem Dom auf der einen und das Julische Alpenvorland auf der anderen Seite. Die Burg selber, die schon als römisches und Langobarden-Castrum (ca. 7. Jh.) belegt ist, verfiel lange Zeit und wurde als Steinbruch benutzt, drei restliche Türme waren bis 1967 ein Gefängnis. Das Erdbeben 1976 gab der Burg den Rest. Der Wiederaufbau dauert noch an. In Gemona wurden aber auch große Teile der Stadt nach dem Erdbeben modern (im Sinne der 1970er Jahre) überbaut, was aus heutiger Sicht nicht immer gelungen erscheint.

Mehr Informationen: visitgemona.com

Lago di Cavazzo

Ein paar Kilometer gegenüber von Venzone und Gemona liegt auf der anderen Seite des Tagliamento im bewaldeten Bergland der größte natürliche See des Friaul, der Lago di Cavazzo oder auch Lago del tre comuni (wegen der drei Orte ringsum: Alesso, Interneppo und Somplago) oder auch einfach Trilago: 2,2 x 0,8 km, bis 39 m tief, sehr klar, ziemlich kalt. Bei uns hätte das früher Naherholungsgebiet geheißen – Friauls Hauptstadt Udine ist nur rund 35 km entfernt. Am Südende des Sees gibts Hotel, Restaurant, Pizzeria, Zeltplatz, kleine Badestrände, Surf- und Paddelbootausleihe, Parkplatz, Picknick-Areal mit dem einmaligen Schild „Zelten und Feuer machen erlaubt“ und einen kleinen Ökopark Isola ecologica mit Beobachtungspunkten für Wasserschildkröten, Fische und Vögel. Der etwa 9 km lange Rundweg um den See ist nach dem Picknickareal ziemlich einsam. Bei Interneppo gibts einen Abstecher zum Botanischen Garten und Aussichtspunkt auf der Höhe, von dem man das nördliche Ende des Sees bis zur Autobahn A23 (die über den nördlichsten Seezipfel führt) überblicken kann. Der Aussichtspunkt liegt bei Interneppo direkt am Fuß des Monte San Simeone, unter dem das Epizentrum des 1976er Erdbebens war. Ein Denkmal und einige Infotafeln thematisieren erdbebensichere Dämfer für Bauten. Die Schwingungsdämpfer wurden im März 1976 erstmalig beim Bau der Autobahnbrücke über den Cavazzo-See eingebaut. Die Autobahn hat die folgenden Erdbeben im Mai und September 1976 unbeschädigt überstanden. Der weitere Rundweg führt beim Dorf Somplago unter der Autobahn hindurch. Man kommt an Weinhängen und dem Wasserkraftwerk Centrale Idroelettrica di Somplago A2A vorbei. Draußen sieht man nur die Verwaltung und Umspannanlagen, das eigentliche Kraftwerk liegt bis zu 600 m tief im Berg. Die Turbinen werden über Wasserstollen vom etwa 7,5 km entfernten Stausee Lago di Verzegnis angetrieben. Dieses Wasser fließt dann in den Lago di Cavazzo. Der östliche Teil des Rundwegs geht meist auf der asphaltierten Straße Via Tolmezzo am Berghang durch Wald. Außer einer Aussichtsterasse zum See beim Yachthafen Nautilago ist diese Wegstrecke nicht so spannend. Am See-Südende kommt man wieder zum kleinen Lago-3-Comuni-Campingplatz, der direkt am Seeufer schön angelegt ist.

Mehr Informationen: www.lago3comuni.com/…

Artegna

Auf unserer Weiterreise nach Süden haben wir noch einen Stopp im kleinen Ort Artegna (deutsch: Ardingen, ca. 3000 Einwohner) 5 km südlich von Gemona eingelegt. Sehenswert ist im Ort vor allem der Burgberg Colle di San Martino (Hügel Heiliger Martin) mit dem Castello Savorgnan und den Kirchen Santa Maria Nascente (Maria Geburt) und San Martino Vescovo (Heiliger Bischof Martin). Artegna gab es als Castrum Artenia schon seit Römer-/Langobardenzeiten: ein doppelt ummauerter Festungskomplex auf dem Burgberg. 1260 eroberte der Patriarch von Aquileia Gregorio da Montelongo die Burg, 1382 wurde sie von den Gemonesern zerstört, 1384 von Artegna wieder aufgebaut, 1387 wieder zerstört. Ab 1420 wurde unter der Herrschaft des Patriarchen von Aquileia Lodovico di Teck das untere Schloss als Wohnsitz der Lehnsherren von Artegna, Savorgnano della Bandiera, wieder aufgebaut. Ab 1420 übernahm Venedig die Kontrolle über diese Gebiet, 1499 wurde die Burg von Türken geplündert, 1797 von den Franzosen unter Napoleon vereinnahmt, ab 1866 gehörte das Gebiet zu Österreich, ab 1919 zu Italien. Die Erdbeben von 1976 verursachten auch in Artegna schwere Zerstörungen, das Schloss Savorgnan wurde bis 2013 restauriert, ist in privatem Besitz, wurde aber dem Ort Artegna zur Nutzung zur Verfügung gestellt (archäologische Ausstellung, Imbiss, Weinverkostung/-handel). Oben auf dem Burgberg gibt es noch die alte Kirche San Martino Vescovo neben einem Friedhof. Ursprünglich 1205 auf den Grundmauern eines älteren Tempels am Mauerring der frühen Festung erbaut, wurde sie 1299 als Reaktion auf einen Volksaufstand der Artegner zerstört, 1303 wieder aufgebaut, 1511 durch Erdbeben zerstört, 1515-19 in der heutigen Form wieder aufgebaut. Der Glockenturm mit der nach Windrichtung drehbaren Bronze-Haube mit Engel wurde 1681 gebaut. Die heutige Pfarrkirche Santa Maria Nascente (Maria Geburt) wurde um 1300 erbaut, als Ersatz für die zerstörte bisherige Pfarrkirche San Martino an einer vom Ort aus besser zugänglichen Stelle und größer ausgelegt, 1302 geweiht, im 15. Jh. erweitert, ab 1824 in der jetzigen Form umgebaut. Die Kirchen und das Schloss waren bei unserem Besuch leider alle geschlossen. Nach einem kurzen Rundgang durch den ziemlich kleinen und nicht besonders interessanten Ortskern zu Füßen des Burgbergs haben wir unsere Reise nach Süden fortgesetzt, an Udine vorbei (wir hatten keine Lust auf große Städte) nach…

Mehr Informationen: www.turismofvg.it/… | www.castellodiartegna.it/…

Palmanova

Palmanova (etwa 5500 Einwohner) ist eine einzigartig in ihrer ursprünglichen Form erhaltene Renaissance-Planstadt, die ab 1593 unter venezianischer Herrschaft gegen habsburgische und türkische Bedrohung gebaut wurde (ursprünglich hieß der Ort Palma, Palme als Symbol des Sieges, …nova wurde erst wegen der Umbauten unter Napoleonischer Herrschaft hinzugefügt). Die Festungsstadt wurde als Neunzackiger Stern mit etwa 1,1 km Durchmesser angelegt. Die Zacken sind ca. 7 m hohe gemauerte Bastionen (gebaut 1593-1620) mit oben ringsum laufenden Wehrgängen. Zwischen den Bastions-Zacken wurden ab 1665 niedrigere Vorbastionen (Ravelins) zum Schutz des Walls zwischen den Bastionen angelegt. Das Ganze war von einem Flutgraben umgeben. Nach der Eroberung Norditaliens durch Napoleon 1797 wurden weiter draußen noch mal 9 Vorbastionen (Kontergarden) als erste Verteidigungslinie angelegt. Von außen betrachtet wirkt die Umgebung erstaunlich grün, weil die Festungswälle und -gräben mit Gras, Büschen und Bäumen bewachsen sind. Die grünen Bollwerke außerhalb der Stadt taugen auch als rund 5-7 km lange Wander-, Lauf- und Fahrradrundwege. An der Porta Udine kommt ein Wassergraben an, der Palma-Kanal, der Wasser aus dem Fluss Torre bei Zompitta über 32 km zur Wasserversorgung nach Palmanova leitet. Dazu führt neben der Torzufahrt ein venezianisches Aquädukt aus der Zeit der Stadtgründung in den Ort. Nach Palmanova rein führen 3 Straßen durch 3 Stadttore: Porta Udine im Nordwesten, Porta Cividale im Nordosten und Porta Aquileia im Süden. Der gesamte radialsymmetrisch angelegte Ortskern hat nur etwa 800 m Durchmesser, die 3 Hauptstraßen und 3 weitere innerörtliche führen zur Piazza Grande (ursprünglich Piazza d’Armi) in der Ortsmitte, ein wirklich großer sechseckiger Platz mit rund 150 m Durchmesser, der ursprünglich als Aufmarsch- und Exerzierplatz der Festungssoldaten diente. Noch im 1. Weltkrieg war Palmanova ein wichtiger Stützpunkt der italienischen Armee im Hinterland der Isonzo-Front in den Julischen Alpen im Krieg gegen Österreich-Ungarn. Ehemalige Kasernenbauten gibt es in Palmanova noch jede Menge, ein Kasernenhof wird z.B. heute als Bürgergarten genutzt. Als wir Ende September in Palmanova waren, hatte man auch für die Piazza Grande eine bessere Verwendung gefunden: es war Oktoberfest in Palmanova mit Rummel, Brez’n, Bier und bayerischer Geisterbahn. Wir haben aber lieber mal die Nonna Pallina Pasticceria Gelateria Artigianale auf ein belegtes Brot und einen Aperol Spritz besucht und waren im Dom Santissimo Redentore (Heiliger Erlöser). Der Dom wurde 1615-36 im Auftrag des venezianischen Befestigungsamtes erbaut. Es ist ein großes Kirchenschiff mit wuchtigem Schaugiebel und Glockenturm-Stummel (der sollte möglichen Belagerern kein Angriffsziel bieten). Innen gibts eine große Halle mit viel barockem Gold und Wandmalereien. Am interessantesten fand ich noch ein großes Reliquienkreuz von Piccini (19. Jh.), einen Prozessionsthron mit einer sehr realistisch gestalteten Maria mit Kind und auf der Tür zu einer Nebenkapelle die geschmiedeten Figuren von Hahn und Schildkröte. Diese sind nach dem Vorbild eines antiken Mosaiks im Dom von Aquileia gestaltet worden und verkörpern in christlicher Deutung den Kampf von Tag und Nacht, Licht und Dunkelheit, Aufbruch und Rückzug, Christentum und Unglauben. Palmanova wurde 1960 zum Nationaldenkmal Italiens erklärt, gehört seit 2018 zum Verband der schönsten Dörfer Italiens (Borghi più belli d’Italia) und ist seit 2017 UNESCO-Weltkulturerbe. Unser nächstes Ziel war Aquileia, 17,5 km südlich von Palmanova in Richtung Adria…

Mehr Informationen: www.turismofvg.it/… | www.facebook.com/ComunePalmanova

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La Calera: Blick zur Casa "Buena Vista" . Valle Gran Rey . La Gomera . Kanarische Inseln 2018 (Foto: Andreas Kuhrt)

Tour La Gomera: Valle Gran Rey: La Calera 2018

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Eine Tagesreise von El Hierro zum Valle Gran Rey auf La Gomera

Nach 10 tollen Wandertagen auf El Hierro war unser nächstes Ziel La Gomera, die als deutsche Wanderinsel der Kanaren schlechthin gilt. Vor rund 25 Jahren waren wir schon mal dort und sind aufs Geratewohl losgelaufen: San Sebastian – Santiago – Alajeró – Chipude – Hermigua. Jetzt wollten wir sehen, wie es sich verändert hat und Gegenden erkunden, wo wir noch nicht waren. Weil es im Dezember 1992 wegen der Weihnachtsbesuche der Auswanderer unmöglich war, im Valle Gran Rey eine Unterkunft zu finden (wir sind dann in Chipude hängen geblieben), wollten wir dies mal zu diesem „Sehnsuchtsort“ deutscher Hippies und Wanderer und haben uns eine private Ferienwohnung in La Calera, dem Hauptort des Valle Gran Rey, gebucht. Die Reise von El Hierro zur nur 60 km entfernten Insel La Gomera ist aber nicht ganz einfach, sondern dauert mit Flug, Auto und Fähre fast den ganzen Tag.

Erst mal die Fähre nach San Sebastián de la Gomera schaffen

Während des Flugs von von El Hierro nach Teneriffa kommt man unterwegs an der Westküste von La Gomera beim Valle Gran Rey vorbei – unserem nächsten Ziel. Leider kann man nicht nach 20 Minuten abspringen, sondern braucht noch einen halben Tag, um von Teneriffas Nordflugplatz bei La Laguna irgendwie ins knapp 100 km entfernte Los Cristianos im Südwesten zu kommen, wo die Fähren nach La Gomera abgehen. Also kann man sich erst noch mal den höchsten Berg Spaniens, den Teide (3718 m) auf Augenhöhe ansehen, fliegt ziemlich nah über die Hauptstadt Santa Cruz nach La Laguna. Mit dem Taxi braucht man etwa 1 Stunde nach Los Cristianos, aber nur wenn der Fahrer auf die Tube drückt, die Autobahn halbwegs frei ist und man ohne große Staus durch Los Cristianos kommt. Das hat unser Fahrer irgendwie geschafft – Danke! Noch schnell die Rucksäcke in die letzten Lücken der extra Gepäckwagen stopfen und die riesige Fähre „Benchijigua Express“ von Fred. Olson entern (beim Bau des Trimarans 2003/04 in Australien war es das größte Aluminiumschiff der Welt). Leider hatten wir vor der Abfahrt nicht viel Zeit zum Gucken, so dass wir gar nicht wußten, was für ein futuristisches Teil dieses Schiff ist. Mit drei Wasserstrahlantrieben (Höchstgeschwindigkeit 40,5 kn = 75 km/h) bringt einen die Fähre in etwa 50 Minuten über die knapp 40 km breite Meerenge nach Gomera. Bei so schönem Wetter ist die Anfahrt an die zerfurchte Steilküste und das Anlegen im kleinen Hafen von San Sebastián de la Gomera ein tolles Erlebnis. Dort muss der „Fährmann“ den 126 m langen Kahn zentimetergenau rückwärts einparken, um an das Fährterminal anzudocken. Gegenüber dem Touristenmoloch Los Cristianos/Playa de las Americas/Costa Adeje auf Teneriffa (krasser Kulturschock nach El Hierro) wirkt San Sebastián geradezu idyllisch mit dem kleinen Yachthafen vor der Steilwand und den bunten Häusern, die sich an den Hängen des Barranco de la Villa hoch ziehen. Die Ankunft so einer großen Fähre ist ein Erlebnis für sich (da passen bis 1300 Leute drauf, aber so viele waren es nicht): zuerst stürzen sich alle Passagiere auf die Gepäckwagen, um ihre Koffer schon mal sicher zu haben. Dann gehts darum, den richtigen Reiseveranstalter mit dem richtigen Bus zu finden oder als Erste bei der Autovermietung zu sein – Urlaub ist kein Spaß.

Zum Valle Gran Rey

Wir haben unseren Leihwagen auch noch bekommen und sind auf der Straße GM-2 Richtung Nationalpark Garajonay gefahren. Auf etwa 25 km windet sich die Hochlandstraße auf knapp 1400 m Höhe unterhalb des höchsten Berges Gomeras, dem Garajonay (1482 m). Die nächsten 25 km nach Valle Gran Rey gehts genau so kurvig wieder abwärts bis auf Meereshöhe. Deshalb braucht man mindestens eine Stunde Fahrzeit – wir natürlich noch etwas länger, weil es unterwegs tolle Aussichtspunkte über die fantastische Berg- und Barrancolandschaft von Gomera gibt: z.B. der Mirador Lomada del Camello (Kamelhöcker) oder Sombrero (Hut) mit Blick nach San Sebastian.

Barrancos (Schluchten) sind die ausgeprägten Erosionstäler und Canyons, die die annähernd runde Insel vom zentralen Hochland zu den Küsten durchziehen. Weil die vulkanische Insel schon vor ca. 11 Millionen Jahren entstanden ist, haben Wind, Wasser und Wetter viel mehr Zeit gehabt (als z.B. auf El Hierro: 1,2 Mio. Jahre), am Profil herumzuschnitzen. La Gomera hat deshalb im Zentrum ein relativ ebenes Hochplateau mit dem größten zusammenhängenden Lorbeer-Baumheide-Wald der Erde und zu den Küsten hin eine krass zerfurchte Vulkanlandschaft mit bis zu 700 m tief eingeschnittenen Tälern (auf dem 127 km langen Inselrundweg GR-132 kommen über 9100 Höhenmeter Auf- und Abstieg zusammen).

Nach etwa 20 Straßenkilometern (von San Sebastian) passiert man im Hochland den Roque de Agando (1251 m): ein etwa 100 m über die Umgebung aufragender imposanter Zuckerhut-Felsen. Die Roques sind alte Vulkanschlote, deren harter Basaltkern der Erosion länger widerstanden hat als der umgebende ehemalige Vulkankegel.
Nach den Roques führt die Straße am Rand des Nationalparks Garajonay (UNESCO-Weltnaturerbe seit 1986) durch den Lorbeer-Baumheide-Nebelwald im Zentrum Gomeras. An manchen dürren Waldgebieten sieht man deutlich die Spuren des verheerenden Waldbrandes von 2012. Insgesamt bildet der Nationalpark ein etwa 4000 ha Gebiet mit ursprünglichem immergrünen Nebelwald, den man auf vielen Wanderwegen erkunden kann, z.B. vom zentralen Erholungsgebiet Laguna Grande aus, an dem die Zentralstraße auch vorbeiführt. Kurz nach dem Cruce de Pajaritos (Vögelkreuzung) passiert man am Fuß des Garajonay (Alto de Garajonay 1482 m) den höchsten Punkt der Straße auf etwa 1370 m. Nach etwa 15 km durch den Wald kommt man bei Arcadece/Arure im Inselwesten wieder in die offene steppenartige Vulkanlandschaft. Nach dem ruhigen Bergdorf Arure (auf 825 m Höhe) führt die neu (mit Tunneln) ausgebaute Straße über rund 7 km ins obere Valle Gran Rey bei Retamal + 4 km bis zur Küste bei La Playa. Unterwegs wurden in Haarnadelkurven spektakuläre Aussichtspunkte ins Valle Gran Rey angelegt: Mirador del Palmarejo (1989 gestaltet von César Manrique) und Mirador de la Curva del Queso (Käsekurve).

Das etwa 5 km lange Valle Gran Rey (Tal des Großen Königs Hupalupa) zur Westküste La Gomeras ist eine der schönsten Regionen der Insel. Im 15. Jh. war es das Orone-Stammesgebiet der Guanchen-(Benahoares)-Urbevölkerung (wahrscheinlich Anfang der Zeitrechnung eingewanderte Berber aus Nordafrika, die in einer steinzeitlichen Clangemeinschaft lebten) mit dem Anführer Hupalupa. Nach der Besetzung durch spanische Kolonialherren wurde der Aufstand gegen den tyrannischen Grafen von Gomera Hernán Peraza (1488 wurde er bei einem Treffen mit seiner geliebten Guanchin Yballa durch Hautacuperche ermordet) grausam gerächt: Alle Männer ab 15 Jahre sollten getötet werden, Frauen und Kinder wurden als Sklaven verkauft.

Zwischen 600 bis 800 m hohen Bergrücken geschützt, konnte sich im quellwasserversorgten Tal ein fruchtbares Siedlungsgebiet entwickeln. Die terrassierten Felder mit Palmenhainen, Bananenplantagen, Obst- und Gemüsegärten ziehen sich von Los Descansaderos am oberen Talende (auf etwa 450 m Höhe) bis zur Küste bei La Playa. In den 1970/80er Jahren war das noch nicht so touristisch erschlossene Valle Gran Rey ein Rückzugsort für „Aussteiger“ und „Hippies“ (ähnlich dem indischen Goa und Kathmandu), die ein konventionsfreies naturverbundenes Leben führen wollten. Inzwischen hat sich das Valle Gran Rey zum touristische Hauptziel von La Gomera entwickelt mit einigen krassen Touristenburgen an der Küste, aber immer noch dörflichen Orten im Hinterland. Typisch ist die Aneinanderreihung vieler kleiner Siedlungen im Barranco und an den Talhängen: Los Descansaderos, Lomo de Balo, La Viscaína, El Retamal und El Hornillo im oberen nordöstlichen Talschluss, Lomo del Moral, Los Granados, Chelé, El Guro, Casa de la Seda im Mitteltal und La Calera, La Playa, Borbalán, La Puntilla und Vueltas am Talausgang zur Atlantikküste (insgesamt mehr als 15 Siedlungen mit ca. 4500 Einwohner). Gomera und besonders das Valle Gran Rey ist das Lieblingsziel deutscher Wandersenioren (so wie wir), aber es ist nicht übermäßig massentouristisch verunstaltet.

La Calera

ist einer der Hauptorte des Valle Gran Rey (seit 1950 Verwaltungssitz). Der Ort liegt am Talausgang zum Meer, aber noch nicht an der Küste. Kleine verwinkelte Gassen und Treppenwege ziehen am Berghang des Mérica hoch. Die terrassenartig am Hang gebauten Häuser bieten beste Aussicht ins Tal und zur Küste. Teilweise wurden schon große, blöde Apartmenthäuser gebaut, aber insgesamt blieb der Eindruck eines historisch gewachsenen Ortes erhalten. Unsere Ferienwohnung für 4 Tage Casa Buena Vista war das oberste „Adlernest“ einer kleinen privaten Wohnanlage (der österreichische Vermieter wohnt manchmal auch selber dort) mit viel Platz, Licht, Luft und fantastischer Aussicht (dafür muss man auch mal ein paar Treppen steigen, insgesamt etwa 100 Stufen auf dem Camino El Picacho). Hinter der Wohnung fängt die „Wildnis“ des Mérica-Berges an und der Einstieg zum Wanderweg Camino la Mérica nach Arure war nur 100 m entfernt. In La Calera gibts jede Menge Apartamentos, 4 Restaurants (die meist gut besucht sind), 3 kleine Supermercados, 2 Kirchen (die kleine Ermita San Salvador und die moderne Parroquia Los Santos Reyes), ein Krankenhaus, eine Bank und eine Tankstelle. Die Küste mit einigen Sand- und Geröllstränden, wo in den Orten La Playa, La Puntilla, Borbalán und Vueltas der Touristenbär steppt, ist etwa 1 km entfernt, also nah genug, um hinzulaufen, aber weit genug weg, um seine Ruhe zu haben.

Camino de Jinama: Ermita de la Caridad . El Hierro . Kanarische Inseln 2018 (Foto: Andreas Kuhrt)

Wandertour El Hierro: Camino de Jinama 2018

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Rundwandertour: Auf alten Wanderhirten-Wegen von Frontera zum Hochland

Am 4. Tag auf El Hierro wollten wir eine richtig schöne Bergtour machen und haben uns vorgenommen, erst mal den Camino de Jinama zur Cumbre hoch zu wandern (da der Einstieg zu diesem anspruchsvollen Wanderweg für uns günstig nur etwa 750 m von unserer Unterkunft Casa El Lunchón entfernt liegt). Wie’s weitergeht, sollte sich finden.

Camino de Jinama

Der Camino de Jinama (Jinama-Weg) ist der wichtigste von 3 historischen Hauptwegen (Camino Real) auf El Hierro zwischen dem Golfo-Tal im Norden und dem etwa 800-1300 m hohen Hochland im Süden. Das Golfo-Tal ist durch mehrere gigantische erdgeschichtliche Felsstürze (vor etwa 134000 Jahren) an einem früher etwa 2000 m hohen Zentralvulkan El Golfo entstanden. Die halbrunde Abrisskante dieser Felsstürze ist die Cumbre, unter der sich die Steilhänge allmählich zum Golfo-Tal hin abflachen. Entsprechend steil sind die Verbindungswege über die Cumbre, die in vielen Serpentinen etwa 1000 m Höhenunterschied überwinden.

Die Verbindungswege waren früher die einzige Möglichkeit, vom Hochland ins Golfo-Tal zu gelangen. El Hierros Weidewirtschaft war früher so, dass Familien mit ihren Tieren in den Orten auf den fruchtbaren Weideflächen des Hochlandes lebten. Im stürmisch-kühlen Winter war es aber besser, in das geschützte Golfo-Tal zu ziehen, auch um dort Gemüse-, Obst- und Weinbau zu betreiben, und im Herbst zur Weinernte noch mal. Teilweise sind ganze Familien mit Hausrat und Tieren zwei bis vier mal im Jahr umgezogen, um die klimatischen Vorteile der jeweiligen Region wirtschaftlich zu nutzen: im Sommer auf die Hochweiden und im Winter ins Golfo-Tal. Bis in die 1950er Jahre gab es diese Mudadas (Häuschen) genannte Wanderweidewirtschaft (Transhumanz). Die Einwohner bestimmter Orte im Hochland hatten bestimmte Wohnorte auf Zeit im Golfo-Tal (z.B. San Andrés > La Llanillos). Diese Umzüge waren sicher keine "Genusswanderungen" wie heutzutage, sondern anstrengende, gefährliche Umzüge mit Sack und Pack, Kind und Kegel und Tieren (Esel waren die einzigen Umzugshelfer). Während im Hochland an der Cumbre der vorherrschende Nordost-Passat feuchte Luft, Nebel und Wolken mit sich führt, liegt das untere Golfo-Tal im Regen- und Windschatten. An den Steilhängen hat sich oberhalb von la Frontera der größte ursprüngliche Lorbeer-Baumheide-Nebelwald El Hierros erhalten, der als Parque Rural de Frontera (Landschaftspark) geschützt ist. La Frontera heißt Grenze, es war auf diesem Weg die erste Ansiedlung unterhalb der Waldgrenze.

Der Camino de Jinama ist der östliche Verbindungsweg zwischen La Frontera im Golfo-Tal und San Andrés – Valverde im Hochland. Von La Frontera (350 m) bis zum Mirador de Jinama/Ermita Virgen de la Caridad (1230 m) überwindet der Weg auf knapp 4 km etwa 850 Höhenmeter. Der weiß-gelb markierte Wanderweg (PR-EH 8, Pequeño Recorrido El Hierro, kleine Route, regionaler Weg) beginnt in La Frontera am Wegweiser „Jinama“ an der Plaza Candelaria/Camino los Corcitos (gegenüber der Kirche, neben der Bar Joapira). Hinter der Häuserzeile von La Frontera steigt der Weg zuerst auf der asphaltierten Nebenstraße Calle los Corchos zwischen Feldern, Gärten und Weinterrassen schräg nach links (ostwärts) an. Man passiert einige Landhäuser im winzigen Ortsteil Los Corchos (die Korken?). Das historische, typisch kanarische Haus Casa Blanca aus rohen und behauenen Lavagestein (erbaut Mitte des 19. Jh.) war das erste Haus im Golfo-Tal, das weiß gekalkt wurde (Außenputz war früher für die arme Landbevölkerung zu teuer) und das deshalb sehr auffällig war. Nach etwa 500 m zweigt der Camino de Jinama an einer Straßenkehre als gepflasterter Steig ab. Man kreuzt die Straße noch zwei mal, bevor der Weg nach 700 m (auf inzwischen etwa 500 m Höhe) endgültig in die Bergflanken des Golfo-Tals aufsteigt. Der Weg ist fast auf der ganzen Strecke bis zur Cumbre mit Lavagestein gepflastert (was bei Nässe ziemlich rutschig sein kann). Wenn man dazu noch die aufwändige Terrassierung der Felder mit Trockenmauern beachtet, kann man nur staunen, was für eine Arbeit da drin steckt. Die Wegebauer müssen früher viel Zeit gehabt haben (na ja, ohne Fernseher und Internet).

Nach der Straße zieht der Weg neben dem Barranco las Esquinas bergauf, windet sich in Serpentinen auf 650 m und quert die Schlucht schließlich. Hier befand sich der Steinbruch La Helechera des roten Tuffsteins für die Ecksteine der Kirche und anderer Häuser in La Frontera. Bergab Wandernde waren angehalten, einen Stein für den Kirchenbau mitzunehmen. Danach taucht der Weg in den immergrünen Bergwald Monteverde (Laurisilva: Lorbeerwald) ein. Neben endemischen Pflanzen wie El Hierro Aeonium (ein interessantes rosettenförmiges Dickblattgewächs, das sich an jede feste Unterlage wie Felswände, Straßenränder oder Hausdächer krallt) oder El Hierro Gänsedistel (eine Art Huflattich am Stiel) gibt es im Nebelwald jede Menge Farne, Flechten, Moose, Pilze und natürlich Bäume: Lorbeer, Mocán, Palo Blanco, Kanarische Stechpalme/Acebiño, Barbuzano, Kanarischer Erdbeerbaum/Arbutus, Marmolán, Hija und noch viel mehr, von denen ich noch nie gehört hatte (alle gibt’s eigentlich nur auf den Kanaren + Madeira und sind die Reste eines voreiszeitlichen Urwaldes meint Wiki P. Dia). Besonders ausgeschildert sind alte Mocán-Bäume (überdimensionale Teesträucher!) mit gewaltigen verschlungenen Wurzelsystemen: Mocán de los Cochinos (Schweine-Mocán), an dem früher während der Rast (auf dem relativ flachen Wegstück) beim Viehtrieb die Schweine festgebunden wurden und Mocán de la Sombra (Schatten-Mocán), eine baumüberdachte Raststelle mit aus dem Fels gehauener Sitzbank. Unterwegs passiert man einen mannshohen Felsblock mit einem Kreuz darauf, der mitten auf den Weg gestürzt ist. Cruz del Fraile (Mönchs-Kreuz) erinnert an einen Mönch, der nach der Legende vom Steinschlag getroffen wurde. Nach insgesamt etwa 1,5 km steigt der gepflasterte Jinama-Weg wieder mehr an: in Kehren oder schrägen Rampen, manchmal muss eine Rinne durchstiegen werden. Der Wald verändert sich mit zunehmender Höhe zum Baumheide-Bergwald (Fayal-Brezal: Faya = Gagelstrauch, Brezo = Baumheide), der mit Moosen und Bartflechten überzogen ganz schön märchenhaft aussieht. Manchmal wird die Sicht auf das Golfo-Tal freigegeben. An einer steilen Felsrippe, auf die der Serpentinenweg klettert, liegt auf etwa 970 m Höhe El Miradero, ein Aussichtspunkt über dem Golfo-Tal, von dem früher auch Nachrichten ins Tal gerufen wurden („Bin bald da, setz schon mal das Essen auf…“ oder so, aber natürlich auf Spanisch).

El Miradero war auch eine Stelle für den Brauch Margareos (Margarine?), bei dem man Teile eines toten Esels unbeliebten Mitmenschen zuschrieb und sie dabei kritisierte, verhöhnte oder lächerlich machte (nach dem Motto: "Wir überlassen dem Bürgermeister die Ohren, um zu sehen, ob er zuhören lernt", sicher wurden auch viel drastischere Vergleiche angestellt, die bestimmt nicht immer jugendfrei waren).

Durch Baumheide-Buschwald geht es an den Steilwänden weiter bergauf. Weitere Wegstationen sind Descansadero de la Virgen (ein Haltepunkt der Prozession der Virgen de los Reyes) und Cueva de las Pipas (Höhle der Weinfässer, leider nur Steine, die an Weinfässer erinnern sollen, aber nur bei guter Einbildungskraft unter Weinentzug). Wo der Weg kurz vor der Höhe breiter und freier wird, wurde unter einer schützenden Steilwand ein Picknickplatz mit Steinbank/-tisch und Aussichtsbalkon eingerichtet (der bei starken Winden oben an der Cumbre sicher angenehmer ist). Etwa 400 m vor dem Gipfel erreicht man eine auffällige, senkrecht hochziehende Wand, Letime: in Bimbache-Sprache eine Steilklippe/Kliff, auch Cuchillo de Jinama (Messer von Jinama) genannt, die man schon am Wegbeginn aus dem Tal sehen kann.

Ermita Virgen de la Caridad/Mirador de Jinama

Wo der Camino de Jinama an der Cumbre auf dem Hochland von El Hierro bei der Hochebene Nisdafe auf etwa 1230 m Höhe ankommt, ist eine Aussichtsterrasse mit Infotafel angelegt worden. Unmittelbar nach dem Wegtor, das durch einen Wacholderholzbogen markiert wird, steht eine kleine Kapelle für die Virgen de la Caridad (Barmherzige Jungfrau der Nächstenliebe).

Die Ermita wurde 1924 im kanarischen Stil für die Madonnenfigur aus der Kirche von San Andrés erbaut (und kanariengelb gestrichen). Da dieser Hauptabstieg ins Golfo-Tal vor allem von Bewohnern der Orte San Andrés und Isora benutzt wurde, stifteten beide Orte sowie Kuba-Auswanderer (aus San Andrés) den Bau der Kapelle. Bei den gläubigen Herreñern war/ist es Brauch bei der früher gefährlichen Benutzung der steilen Bergpfade, die Schutzheilige um Beistand anzubeten oder für eine gut überstandene Wanderung zu danken. Jedes Jahr findet Mitte Mai eine festliche Prozession Fiesta de la Caridad statt, bei der die Virgen de la Caridad von der Jinama-Kapelle ins 6 km entfernte San Andrés getragen wird.

An der Kapelle gibt es gemauerte Sitzbänke. Eine weitere Aussichtsterrasse ist mit Picknickbänken und Überdachung ausgestattet. Als wir am Mirador de Jinama angekommen sind, war die Wetterlage so, dass sich aus der lockeren Bewölkung über dem Hochland unmittelbar an der Cumbre ein Hochnebel über dem Golfo-Tal zusammenbraute, der keine Sicht ins Tal zuließ.

Camino de la Virgen

Weil wir nicht den selben Weg wieder runtergehen wollten, suchten wir nach einem anderen Rückweg nach La Frontera. Die Möglichkeit, nach Norden an der Cumbre entlangzugehen und über den Camino de la Peña abzusteigen schied aus, weil dieser Weg schon seit Jahren wegen Erdrutsch nicht mehr passierbar ist. Also bleibt eigentlich nur der Weg entlang der Cumbre nach Südwesten bis man auf eine Abstiegsmöglichkeit trifft (notfalls per Anhalter auf der El-Golfo-Straße Hl-1). Das war auch deshalb verlockend, weil man dabei das zentrale Hochland El Hierros bei La Llanía kennenlernen konnte. Dazu musste man zunächst auf der Stichstraße Hl-120 (zum Mirador de Jinama) etwas ins Landesinnere in Richtung San Andrés gehen.

Die fruchtbare Hochebene auf etwa 900-1200 m Höhe heißt Mesata de Nisdafe: eine kultivierte Feld-, Wiesen- und Weidelandschaft, die wie in Irland von Steinmauern durchzogen ist, aus der aber rotbraune Vulkankegel ragen. Die Hochebene ist der landwirtschaftliche Mittelpunkt El Hierros. Darin bildet der kleine Ort San Andrés das Zentrum der Viehwirtschaft der Insel. Etwas außerhalb befindet sich die zentrale Milchverarbeitungsgenossenschaft der Käsereien auf El Hierro (SCL Ganaderos de El Hierro/Central Quesera El Herreño), in der auch die Käsespezialität Queso Herreño hergestellt wird (ein Biokäse aus Kuh-, Schafs- und Ziegenmilch, den es als Frischkäse, gereift oder aromatisch geräuchert gibt).

Wir wollten aber nicht nach San Andrés, sondern sind nach etwa 600 m nach rechts (Süden) auf die Inselhauptstraße Hl-1 abgebogen (der Verkehr dort ist ungefähr so, wie bei uns in der Fußgängerzone, also ab und zu mal ein Auto). Nach 500 m (mit den schönsten Aeonium-Rosetten an der Straßenmauer) kann man links neben der Straße auf einen Wanderweg abbiegen: El Hierros Hauptweg Camino de la Virgen (GR 131). Der Gran Recorrido (großer Weg) El Hierros führt (mit Küstenabstiegen) von Tamaduste im Nordosten bis Orchilla im Südwesten 38 km quer über die Insel. Hier in der Inselmitte folgt der Weg der Cumbre, dem Rückgrat der Insel.

Bajada de la Virgen de los Reyes

Richtig wichtig ist der 28,7 km lange Hochlandweg zwischen dem Santuario de Nuestra Señora de los Reyes (Heiligtum der Jungfrau der Heiligen Drei Könige) im unbewohnten westlichen Hochland La Dehesa und der Inselhauptstadt Villa de Valverde im Osten. Alle vier Jahre (gewissermaßen die Olympischen Spiele von El Hierro) findet als Hauptfest der Insel die Bajada (Abstieg) de la Virgen de los Reyes statt, bei der die Madonnen-Statue in einer festlichen Prozession auf dem Camino de la Virgen von ihrem Stammplatz im Santuario zur Hauptkirche der Insel Santa María de la Concepción (Heilige Jungfrau der unbefleckten Empfängnis) in Villa de Valverde gebracht wird. Danach wird sie noch einen Monat lang in den verschiedenen Orten der Insel herumgereicht. Die Virgen des los Reyes wurde 2013 vom Bischof von Teneriffa zur Schutzheiligen von El Hierro geweiht.
Die holzgeschnitzte Madonnenstatue aus dem 16. Jh. (ihr Alter sieht man ihr aber nicht an, sondern sie sieht ziemlich neumodisch püppchenhaft aus) wurde der Legende nach 1546 vom Kapitän eines Amerika-Seglers einigen Hirten von La Dehesa geschenkt, die auf der Gemeinschaftsweide das Vieh hüteten. Das Schiff war auf der Reise von Europa nach Amerika im Mar de las Calmas (Meer der Ruhe) beim Kap Orchilla an El Hierros Südküste in einen Sturm oder Flaute geraten (je nach dramaturgischem Geschmack) und kam nicht weiter. Als die Vorräte zur Neige gingen, musste der Kapitän die Hirten um Proviant für die Überfahrt bitten. Sie erhielten Fleisch, Käse und Wasser. Als Gegenleistung schenkte er ihnen die Madonnenfigur (am 6. Januar, dem Drei-Königs-Tag). Daraufhin konnte das Schiff mit einer leichten Brise die Fahrt nach Amerika fortsetzen. Die Hirten brachten die Madonna, die sie entsprechend dem Feiertag Virgen de los Reyes nannten, zu einer ihrer Wohnhöhlen in La Dehesa: Cueva del Caracol (Schneckenhöhle), die seitdem auch Cueva de la Virgen heißt. 1577 wurde in der Nähe das Santuario de la Virgen als besserer Aufbewahrungsort, Pilgerstätte und zeitweiliges Kloster gebaut. 1643 soll es nach einer schweren zweijährigen Dürreperiode (Wassermangel ist ein Grundproblem auf El Hierro) nach einer Hirtenwallfahrt zur Madonna geregnet haben. Auch 1740 war wieder ein Dürrejahr: im Frühjahr 1741 wurde die Madonna in einer Prozession nach Valverde gebracht, bei deren Ankunft es dann in Strömen geregnet haben soll. Seitdem wurde die Virgen de los Reyes als wasserspendende Schutzpatronin von El Hierro verehrt. Sicherheitshalber sollte die Prozession dann alle vier Jahre stattfinden (69 mal von 1745 bis 2017, die nächste ist 2021).
Inzwischen ist die Bajada de la Virgen am ersten Sonnabend im Juli das größte Volksfest von El Hierro, an dem über 20.000 Wallfahrer und Gäste teilnehmen. Die Statue wird um 5 Uhr vor Sonnenaufgang aus der Kapelle geholt und dann in einer Sänfte von verschiedenen Gruppen der jeweiligen Weggemeinde einen Abschnitt lang getragen (La Raya: Streifen, beginnend mit dem Ort Sabinosa, zu dem die Kapelle gehört) und dann an insgesamt 9 Stationen an die nächste Gemeinde übergeben. Jeder Abschnitt wird mit jeweils ortstypischen Musikern (Trommeln, Flöten, Kastagnetten) und Tänzern in alter Tracht begleitet. Unterwegs wird an der 4. Station Cruz de los Reyes eine gemeinsame Verehrung der Madonna (venia general) und ein großes Volkspicknick (tendido de manteles: Tischdecken ausbreiten) zur Stärkung und Erholung der Teilnehmer abgehalten. Erst spät abends kommt der Zug in Valverde an, wo die Madonna feierlich in die Kirche Santa María de la Concepción einzieht und ihr symbolisch vom Bürgermeister die Macht übertragen wird. Die Feierlichkeiten der Bajada dauern dann noch 4 Wochen, in denen die Virgen de los Reyes in den wichtigsten Gemeinden Station macht, bevor sie in der Subida (Aufstieg) in ihre Kapelle zurückgebracht wird.

Hoya de Fireba

Auf unserer Wanderung auf dem Camino de la Virgen war es im Gegensatz zur Bajada aber sehr ruhig. Wir sind kaum jemandem begegnet auf den etwa 3,5 km bis La Llanía (die Ebene). Auf breiten Sandwegen geht es durch die offene Weidelandschaft, vorbei an Trockenmauern, Zäunen und einer halben Pinienallee (nur auf der rechten Seite). Etwas abseits gibts etwa 50 m hohe, bewaldete Vulkankegel wie Timbarembo (1326 m) oder Montaña de los Frailes (Brüderberg). Der Weg folgt dem Hochlandgrat Cumbre in einem Abstand von etwa 400 m, immer dicht neben der Hochlandstraße HI-1. An der Cumbre gibt es noch ein kleines Observatorium (Observatorio de las Asomadas auf 1354 m Höhe, das vom kleinen Verein Grupo Astronómico de El Hierro (GAH) seit 1993 gebaut wurde, El Hierro bietet die besten Voraussetzungen Europas zur Himmelsbeobachtung). Nach etwa 2,7 km von Jinama aus kommt man nach dem Vulkanhügel Asomadas (1373 m) an einen kleinen Pinienhain und einige verstreute große alte Laubbäume. Der lichte Wald ist mit ein paar Sitzgruppen als schöner, schattiger Picknickplatz ausgebaut. Im Hochlandnebel, den es hier öfter gibt, sah die Gegend sehr märchenhaft aus. Beim Picknickplatz wechselt der Camino de la Virgen auf die andere Straßenseite und führt näher an die Cumbre ran (hier deckt sich der GR 131 Camino de la Virgen mit dem Wanderweg SL-EH 1 Camino de la Llanía). In einem Vulkanaschegebiet mit spärlichem Bewuchs kommt man zur Hoya de Fireba (Feuerballgrube?)

Durch Dampfexplosion entstand ein Pseudokrater (wenn Lava auf wasserführende Schichten trifft, kein eigentlicher Vulkanausbruch) mit einer Ausdehnung von etwa 350 x 500 m und einer Tiefe von rund 100 m, der von einem Ringwall aus aufgeschütteten Lapilli umschlossen wird. Es gibt östlich einen kurzen markierten Pfad zum Aussichtspunkt Mirador de la Hoya de Fireba (Fireba II) und in den Krater hinein und westlich den Aussichtspunkt Mirador de Fireba (Fireba I) mit Überblick über den Krater, der für eine Dampfexplosion mächtig gewaltig ist.

Bailadero las Brujas

Nach dem Mirador de Fireba kommt man in einen scheinbar aufgeforsteten Pinienwald, denn die Bäume sind alle gleich groß und stehen schön abgezirkelt. Der Waldboden unter den Pinien ist fast komplett mit einer rotbraunen Schicht abgestorbener, langer kanarischer Kiefernnadeln bedeckt, die so gut wie keine andere Vegetation aufkommen lässt. Unten rum sehn die Kiefernwälder deshalb ziemlich eintönig und durchsichtig aus, aber auch mit einem starken Rot-Grün-Kontrast beeindrucken. Hier gibt es auch eine relativ kahle Stelle im Wald, auf der schon früher nichts wachsen wollte. Dieser Ort wird Bailadero las Brujas (Hexentanzplatz) genannt, weil ja logisch ist, dass dort, wo die Hexen mit dem Teufel tanzen, kein Gras mehr wächst. Außerdem liegt der Platz schön zentral in El Hierro, so dass alle Hexen eine relativ kurze Anreise haben.

La Llanía

Nach dem kleinen Pinienwäldchen geht in der Vulkanaschelandschaft ein Pfad nach rechts ab, der in etwa 500 m zum Mirador de la Llanía führt (1330 m, in Google-Maps fälschlich als Red Canaria de Senderos: kanarisches Wegenetz bezeichnet), dem zentralen Aussichtspunkt an der Cumbre, von dem man eine tolle Aussicht über das Golfo-Tal hätte, wenn die nicht gerade wegen Nebel geschlossen ist. Beim gleich an das Kiefernwäldchen anschließenden Lorbeer-Baumheide-Nebelwald ist dagegen der Name Programm und die beste Voraussetzung für mystische Stimmung und schöne Fotos. Dieser Wald besteht aus einem märchenhaften Gewirr von moosbewachsenen Bäumen, Büschen, Unterholz, Farnen und Flechten die ihre tentakelartigen Äste wild verschränken. Dieser Wald kann nur durch den Passatnebel überleben, aus dem er seinen Wasserbedarf zapft. Und nur im Nebel entfaltet er seinen mystischen Charakter und bietet durch gleichmäßige Helligkeit und Tiefenstaffelung schöne Fotomotive. Bei Vollsonne ist es im Waldinnern einfach nur dunkel mit gleißend hellen Lichtflecken dazwischen. Das Waldgebiet bei La Llanía in El Hierros Inselmitte ist ziemlich groß, weil diese Gegend die größten Niederschlagsmengen hat und unter Schutz steht. Die Fuente de la Llanía ist eine Wasserzapfstelle am Cruz de la Llanía, die von einer eingefassten Baumheide versorgt wird, an der der oft herrschende Passatnebel kondensiert (horizontaler Regen) und sich Wasser in einem Becken sammelt. Der Wander-Parkplatz dient als Ausgangspunkt für die etwa 7,5 km lange Rundwanderung Sendero de la Llanía (SL-EH 1) im zentralen Hochland von El Hierro.

Durch rauschhaftes Fotografieren war es inzwischen 6 Uhr abends geworden und wirklich nicht mehr viel Zeit für einen etwa 4 km langen, steilen Abstieg zurück nach La Frontera durch die Golfo-Flanken auf unbekannten Waldwegen (die Sonne geht gegen 19 Uhr unter). Wir hatten uns noch eine Abstiegsmöglichkeit an der Cumbre zwischen Fireba und Mirador de la Llanía zur Hoya Pequeña (kleines Loch) angesehen, aber der Weg sah erst mal ziemlich schmal und steil aus, war nirgends beschrieben und nicht markiert, so dass uns diese Abendexpedition zu heikel war.

Camino de San Salvador

Deshalb gingen wir jetzt im Sauseschritt von La Llanía auf der Straße Hl-1 abwärts, die in großen Serpentinen über rund 15 km ins Golfo-Tal nach La Frontera hinabführt. Nach ungefähr 1,5 km kreuzt der Camino de San Salvador/Camino del Golfo, ein historischer Verbindungsweg zwischen Taibique im Süden und Tigaday im Golfo-Tal, die Straße. Im Unterschied zum Camino de Jinama ist dieser Weg nicht befestigt (was ihn für den Abstieg angenehmer macht), windet sich aber genauso in vielen Kehren durch den Lorbeer-Baumheide-Nebelwald der hier nicht ganz so steilen Abhänge. Der Weg ist einfach zu verfolgen, er geht im Prinzip immer nach Norden ziemlich direkt auf Tigaday im Tal zu. An exzessives Fotografieren war natürlich nicht mehr zu denken, im Walddämmerlicht wurde es sowieso schon ganz schön dunkel. An einem Durchblick konnte man die Risco de Tibataje (Felswand im Osten von El Golfo) im schönen Sonnenuntergangslicht sehen und auch, dass man noch ganz schön hoch über dem Tal rumkraxelt. Schließlich erreichten wir nach 2 km Bergpfad im letzten Licht eine Nebenstraße in den Feldern oberhalb von Tigaday, auf der wir in 1,5 km schließlich zur Hauptstraße Hl-1 kamen (noch mal gut gegangen). Die restlichen 2 km nach La Frontera und El Lunchón kann man beruhigt auch im Dunkeln gehn. Man muss nur immer auf den Leuchtturm Campanario Joapira zuhalten und von da an weisen einem die Kläffer den Weg: wenn es wie verrückt bellt, ist man richtig…
Noch die letzten 100 m den Stieg zur Casa hoch und dann erst mal ein kühles Bier und die Beine ausstrecken. Nach 9 Stunden Wanderung wird das wohl erlaubt sein. Übrigens gibt es auf der ganzen Strecke kein Restaurant oder so außer der Bar Joapira am Start und Ziel der Tour. Das fällt mir nur gerade ein, weil hier irgendwas im Zimmer knurrt…

Also auf jeden Fall ausreichend Getränke und Essen auf die Wanderungen zur Cumbre mitnehmen (direkt am Weg gibt’s keine Orte oder „Verpflegungsstationen“), Wegbeschreibung/Karte, profilierte Wanderschuhe (einer am Mirador de Jinama schwörte auf Trekkingsandalen), warme Sachen, Regen/Wind/Sonnenschutz, ausreichend Akkus für die Kamera, Handy für Notfälle und vielleicht lieber noch eine Lampe (wenn man so trödelt wie wir) oder etwas Geld, um Autofahrer zu bestechen…

Straße HI-400: Blick zur Punta de la Palometa und Faro de Orchilla . El Hierro . Kanarische Inseln 2018 (Foto: Andreas Kuhrt)

Wandertour El Hierro: Punta de la Dehesa . El Sabinar 2018

Teneriffa El Hierro La Gomera 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Ein Gesundbrunnen, Lava & Meer in El Hierros Westen

Sabinosa

Bei unserer ersten Erkundungstour wollten wir den abgelegenen Westen der Insel El Hierro kennenlernen. Von unserem Ausgangsort El Lunchón führt eine Straße über 11 km immer am Golfo-Hang auf etwa 300 m Höhe über Tigaday (La Frontera), Los Llanillos und El Chijo nach Sabinosa (benannt nach den Wacholderbäumen Sabina, die früher in der Umgebung wuchsen), dem einzigen Ort im Westen der Insel. Sabinosa ist ein kleines verschlafenes ursprüngliches Dorf mit rund 300 Einwohnern, das für den besten Wein der Insel Vino de Pata von den umliegenden Lavaterrrassen bekannt ist. Es gibt eine Kirche (Iglesia de Nuestra Señora de la Consolación y San Simón: Unserer Lieben Frau des Trostes und St. Simon), daneben einen Sportplatz, ein Lebensmittelgeschäft, eine Weinkellerei (Bodega Revolver) und ein Ferienhaus (Vivienda). Ein traditioneller Camino Real (Königsweg, PR-EH 9) führt von Sabinosa zum Mirador de Sabinosa an der Golfotal-Kante (ca. 870 m) und weiter über die La-Dehesa-Hochfläche zum Inselheiligtum Ermita Virgen de los Reyes (Jungfrau der Könige, Schutzpatronin von El Hierro). Auf unserer Tour zum Inselwesten sind wir allerdings nur durch Sabinosa durchgefahren, weil es außer dem Maria-Wandbild keinen richtigen „Anhaltspunkt“ zum Aussteigen gab. Ehrlich gesagt, schien Sabinosa ziemlich ausgestorben.

Pozo de la Salud

Hinter Sabinosa führt die Straße auf einem Vulkanrücken in einigen Kehren 200 m steil bergab zur Küste. In etwa 3,5 Straßenkilometern Entfernung liegt Sabinosas Kurbad Pozo de la Salud (Brunnen der Gesundheit) direkt an der Küste zum Atlantik. 1702-04 wurde hier auf der Suche nach dem im Golfotal knappen Trinkwasser in 11 m Tiefe eine schwefel-mineralhaltige Thermalquelle erschlossen, die Pozo de Sabinosa. Das etwa 26°C warme Wasser schmeckte zwar nicht, aber das Vieh, das damit getränkt wurde, schien irgendwie besonders gesund zu sein.

Der "Gesundbrunnen" im damals total abgelegenen Westen El Hierros wurde zum beschwerlichen Ziel Heilung suchender Reisender, darunter einige adlige "Trendsetter" der kanarischen Inseln. 1779 wurden die gesundheitsfördernden Eigenschaften im Tagebuch eines Herrn Urtusáustegui erwähnt. 1830 beschrieb der Priester und Arzt Leandro Casañas y Frias die Heilkraft des Wassers. 1843 benutzte Agustín del Castillo Ruiz de Vergara Bethencourt y Amoreto Conde de la Vega Grande de Guadeloupe (soviel Zeit für Stammbaum und ein paar Titel muss für einen Grafen aus Gran Canaria sein) die Heilquelle erfolgreich gegen sein Rheuma. Zur Förderung des Gesundbrunnens gab er Wasseranalysen in Auftrag. 1844 wurde der Brunnen zur Heilquelle erklärt, die auf den Kanarerischen Inseln und bis Europa bekannt wurde. In der Nähe des Brunnens wurden kleine Logierhäuser für Trink- und Badekuren errichtet, die sich aber auf Dauer nicht lohnten und wieder verfielen. Das Heilwasser wurde aber noch abgefüllt, auf den Kanaren verkauft und sogar exportiert.
Einen zweiten Aufschwung hatte die Heilquelle ab 1923, als der Militäringenieur José Ángel Rodrigo Vallabriga y Brito die Nutzungsrechte erwarb, nach einigen Anlaufschwierigkeiten ließ er wieder Heilwasser abfüllen und in den 1930/40er Jahren ein einfaches Kurbadgebäude errichten (so'ne Art spartanisches Kurkloster). Nach seinem Tod 1965 verfiel der Bau.
1949 wurde die Heilquelle zum Gemeingut erklärt. Von 1949 bis Ende der 1960er Jahre betreute die auf El Hierro legendäre Herreño-Folkloremusikerin und Sängerin Doña Valentina Hernández aus Sabinosa und ihr Mann Esdras das Heilbad (außerdem war sie noch Hebamme). In den 1970/80er Jahren betrieb Doña Rosa Pérez (aus Gran Canaria) das Badehaus "Casa Rosa" als einzige Unterkunft in Pozo de la Salud mit traditionellen Bade- und Trinkkuren. Aus einem Werbeprospekt (in Deutsch) der Rosskur in der "Casa Rosa":
"Dieses wasser wird von verschiedenen arzten empfholen und besonders von Dr. Pease Direktor der Apt. von Bakteriologie von New York, für schlechte verdauung, alle Kranheiten des magens, vergiftung des blutes, für den zwolffingerdarm, blase gallenseeine und arthritis. Und sogar geschlechtskrankheiten. regeln nach welchen sich jeder Kranke richten soll wenn man die bäder und Wasser von Sabinosa nehmen will: Nachdem die Kranken aufgestaden sind, müssen ein Glas Wasser jede 5 Minuten trinken und solange im Zimmer spazieren gehen bis das, Wasser wie ein Laxant gewirkt hat. Nachher muss er weiter trinken bis er 6-7 mal den Stuhlgang gemacht hat. Gleich dannach muss er eine Tasse Malve trinken, die im voraus vorbereitet isi. Solange man das Wasser als Laxant trinkt darf man keinen Alkohol irinken. Gleich dannach muss er ins Bad gehen nnd da 15 Minuten bleiben auf einer Temperatur von 40 bis 47°C je nachder Krankgeit des Patienten und wenn die 15 Minuten vor bei sind muss er sich ins Bett legen eine Tasse Brühe trinken sich gut zudecken bis er 40 bis 60 minuten geschwizt hat. Er muss eine bestimmte Zeit im Zimmer bleiben bebor er raus geht, bis her abgekühlt ist, um eine Erkältung zu vermeiden. Wenn er dass alles genau gefolgt hat, kann er aus dem Zimmer gehen, und sein normales Leven weiter führen."

In den 1990er Jahren gab Doña Rosa den Badebetrieb auf. Als sie Anfang der 2000er Jahre starb, kümmerte sich niemand mehr um diese Gebäude, die noch als Ruinen stehen.

1996 wurde im Auftrag der Inselverwaltung ein neues, modernes Kurhotel mit Restaurant und Pool eröffnet. Das 3*-Hotel Balnearo Pozo de la Salud bietet alle möglichen Well-Fitness-Anwendungen und Entspannung, aber nicht das Flair der vorigen Badehäuser, die gleich nebenan vor sich hin bröckeln. Irgendwie deplatziert scheint der Ausbau der Brunnenumgebung mit „ordentlichen“ Aussichtsterrassen. Blöd auch, dass inzwischen die Thermalquelle wegen Keimbelastung gesperrt wurde.
Die etwa 15 m hohe zerklüftete Lavasteilküste an der Punta de los Palos ist der Brandung des Atlantiks ausgesetzt, der hier 6000 km freies Meer bis Florida (auf der gleichen nördlichen Breite) im Rücken hat.

Mehr Informationen über die Geschichte des Pozo de la Salud: www.institutum-canarium.org/…

Punta de la Dehesa: Playa Arenas Blancas – Punta de la Sal – Arco de la Tosca

Westlich hinter Pozo de la Salud endet die Golfosenke an einem Felssturzgebiet, das von der Hochfläche auf 660 m Höhe beim Mirador de Bascos fast bis zur Küste reicht. Dahinter öffnet sich die ca. 1 km breite Lavaküstenebene Punta de la Dehesa an der nordwestlichen Spitze El Hierros. Diese kargen, spärlich bewachsenen, rauen Lavaflächen werden Malpaís genannt: schlechtes Land. Etwa 2,5 km weiter nordwestlich von Pozo de la Salud zweigt von der Küstenstraße Carretera la Montaña eine Piste zur Playa Arenas Blancas (Weißer Sandstrand) ab, ein heller Sand-Kies-Strand im Schutz des vorspringenden Kaps Punta Arenas Blancas. Auf El Hierro kann man keine Stranddünen erwarten und der Bereich ist auch mit Lavafelsen durchsetzt, aber immerhin geht die Küste auf etwa 150 m Breite ausnahmsweise mal relativ seicht ins Meer über.

Gleich daneben, an der Punta Arenas Blancas sieht die Sache schon wieder ganz anders aus: Das Meer prallt mit Wucht auf die wild zerklüftete Felsenküste. Hier beginnt der markierte Wanderweg SL-EH 2, der 2,7 km immer an der Lavasteilküste entlang bis zum Mirador de Gutierrez/Arco de la Tosca führt. Auf der flachen Lavaebene wachsen nur niedrige Büsche, unter denen die Tabaiba (Balsam-Wolfsmilch), ein charakteristisches Wolfsmilchgewächs der trockenen kanarischen Küstenzonen, mit ihren kandelaberartigen Verzweigungen am auffälligsten ist. Bemerkenswert sind weiträumig verteilte größere Lavabomben mit besonderen Höhlungen oder Schaumstrukturen an der Oberfläche.

Geradezu berauschend sind die Tiefblicke von der rund 20 m hohen Steilküste in die zerklüfteten Lavaformationen: Basaltsäulen, Felsbuchten, -höhlen und -tore oder einzeln stehende Felsen, die vom oft stürmisch anbranden Atlantik umtost werden. Besonders an den Felsvorsprüngen und Buchten der Punta de Arena (Sandkap) und Punta de la Sal (Salzkap) hat man tolle Ausblicke. Westlich der Punta de la Sal beginnt ein noch frischeres, raueres Lavafeld wie aufgeschüttet. In diesem Bereich ragen schmale Lavarippen wie Finger ins Meer, die teilweise schon wieder abgetragen wurden. An den Puntas de Gutiérrez (zwei parallele ca. 140 m lange Lavarippen) hat man das Ziel dieser Wanderung an einem befestigten Aussichtspunkt (mit Infotafel) erreicht. Die eigentliche Attraktion hier ist der Arco de la Tosca, der größte natürliche Felsbogen El Hierros, der sich 20 m über dem Meer mit etwa 40 m Spannweite zwischen den beiden Lavarippen spannt. Es sieht aus, als ob es der Rest eines Höhlendachs über einem ziemlich riesigen Lavatunnel ist, das bis auf diese Brücke schon eingestürzt ist. Natürlich kann man zum Mirador auch mit dem Auto fahren, denn es gibt eine Schotterpiste mit Parkplatz, aber das wäre sehr unsportlich und außerdem ziemlich langweilig. Der Rückweg nach Arenas Blancas ist auf demselben Wanderweg, sah aber aus der anderen Richtung und viel später (immerhin haben wir für die knapp 3 km Hinweg gut 3 Fotostunden gebraucht) und bei tief stehendem Abendsonnenlicht ganz anders aus (noch schöner).

Wandertour zum Wacholderwald Sabinar de la Dehesa

Mirador de el Lomo Negro

Unsere nächste Tour machten wir wieder in den westlichen Inselteil. Auf der Küstenstraße HI-500/Carretera la Montaña fuhren wir wieder um das westliche Ende La Dehesa (Weideland) der zentralen Hochfläche El Hierros herum. Am westlichsten Ende der Straße gibts noch einen Abzweig zum Strand Playa del Verodal (wo wir aber nicht waren). Um weiter südwärts zu kommen, erzwingt die Vulkanlandschaft den Weg nach oben: über eindrucksvolle Serpentinen führt die schmale Straße abenteuerlich über den Lomo-Negro-Vulkanhang auf den Rand der Hochfläche (natürlich gibts keine Leitplanken oder so, weder fürs Auge noch fürs Auto, auch auf anderen Straßen El Hierros kann man hervorragend Kurvenfahrten üben).
Oben ist neben der Straße am Rand des Vulkankegels der Mirador de el Lomo Negro 1 auf ca. 250 m Höhe als Aussichtsplattform mit Infotafel ausgebaut. Der Lomo Negro (Schwarzer Rücken) ist der jüngste Vulkan auf dem Festland El Hierros (sein früher angenommener Ausbruch im Jahr 1793 wird wegen fehlender Berichte angezweifelt und eher früher datiert). Vom Aussichtspunkt hat man einen Tiefblick auf die durch den Ausbruch des Lomo Negro abgelagerte etwa 2 km x 500 m breite Lava-Küstenterrasse Hoya del Verodal am nordwestlichsten Ende El Hierros. Rechts überblickt man den Aschekegel, über den die Straße führt. Die rechteckigen Strukturen auf der Küstenebene könnten aufgelassene Bananenplantagen sein. Die relativ junge Küstenzone in diesem Bereich ist ziemlich zerklüftet mit vorspringenden Landzungen, tief eingeschnittenen Buchten und einzeln stehenden Lavafelsen.

Tour: El Sabinar de la Dehesa

An der Straße, gegenüber des Aussichtspunktes Lomo Negro 1 führt ein 2011 angelegter beschilderter Wanderweg bergan zum El Sabinar: den Resten eines ehemaligen Wacholderwaldes im westlichen Hochland El Hierros. Zuerst geht der Weg am vulkanischen Aschehang hoch zum Aussichtspunkt Lomo Negro 2, der etwa 250 m weiter und 30 m höher mit Blick auf El Hierros Nordküste eingerichtet wurde. Neben schwarzer, brauner, roter und oranger Asche kann man hier stark ockerfarbige Schichten sehen, die durch den explosiven Kontakt des Vulkanausbruchs mit Wasser zustande kam (phreatomagmatische Eruption).
Danach führt der Wanderweg weiter nach oben durch eine Trockenlandschaft mit vielen Tabaiba-Büschen (Bittere Wolfsmilch, Euphorbia lamarckii) bis man hinter einem kleinen Vulkankrater an eine kilometerlange Lavastein-Trockenmauer kommt, die den Hang abriegelt (vielleicht als Viehsperre, um die dahinterliegenden Wacholderwaldreste vor Ziegenfraß zu schützen). Das westliche Hochland El Hierros heißt auch La Dehesa, das ist eine gemeinschaftliche Viehweide, auf die die Bauern der umliegenden Gemeinden ihr Vieh schicken können. Die dazu angestellten Viehhirten waren außer dem Leuchtturmwärter vom Faro de Orchilla die einzigen Menschen, die im westlichen Teil El Hierros lebten. Am etwa 500 m langen Weg entlang dieser Mauer sieht man schon einige trockene Sabina-Bäume, die auf El Hierro ein letztes zusammenhängendes Vorkommen der Kanaren bilden.

El Sabinar: der Wacholderwald El Hierros

Der spanisch Sabina genannte Kanarische Wacholder (Juniperus canariensis, Rotfrüchtiger Wacholder, Konifere/Zypressengewächs) ist das Natursymbol El Hierros. Der in Relikten vorkommende Wacholderwald heißt El Sabinal (steht auf den Wegweisern, oder El Sabinar, steht sonst überall). Mit etwa 30 Hektar ist der Sabinar de la Dehesa das älteste und größte Vorkommen des Kanarischen Wacholders. Ein weiteres, kleineres Vorkommen gibts noch im südwestlichen Küstengebiet als Sabinar de el Julan und den Sabinar de el Golfo im westlichen El-Golfo-Tal um Sabinosa. Der Westen der Insel war einst dicht mit Wacholderwäldern bedeckt. Die Bäume können etwa 3 bis 5 m hoch und 1000 Jahre alt werden, wenn man sie läßt. Sie wurden aber wegen ihres harten, widerstandsfähigen Holzes und aromatischen Harzes als Feuer-, Räucher- und Bauholz genutzt. Der Rest wurde für Viehweiden gerodet oder fiel Waldbränden zum Opfer. Heute ist der Kanarische Wacholder El Hierros geschützt, aber er wächst nur sehr langsam wieder nach. Dazu müssen die harten Samen erst durch einen Raben durch, der die Wacholderbeeren frisst und dann erst keimfähig am anderen Rabenende rauslässt. Und dann dauert die Keimzeit noch 2 Jahre… Die übrig gebliebenen Wacholderbäume sind knorrige, niedergedrückte und verzwirbelte Exemplare. So ein Baum will ja normalerweise senkrecht nach oben zum Licht wachsen, durch die ständigen vorwiegend aus östlicher Richtung wehenden Passat-Fallwinde aus dem Hochland wurden sie aber niedergedrückt und oft verdreht. Teilweise reichen die Äste und Kronen bis zum Boden. Am windabgewandten Ende kann sich im Schutz des toten windexponierten Geästs eine lebende Krone mit Blättern, Blüten und Früchten halten. Bessere Wuchsbedingungen haben die Bäume natürlich im Verband, wenn sie sich im Windschutz anderer Bäume entwickeln können.

La Sabina: ein Wacholderbaum ist das Wahrzeichen El Hierros

An einem größeren struppigen Wacholderbaum geht der Wanderweg durch ein Gatter weiter etwas steiler aufwärts durch die karge Vulkanlandschaft. Unterwegs kommt man an einigen bizarren Einzelbäumen und kleinen zusammenhängenden Wacholderhainen vorbei, die wie gebürstet aussehen. Diese knorrigen, jahrhundertealten Bäume boten uns (viel zu) viele Fotomotive. Nach insgesamt etwa 3 km Weg (für den wir rund 3 Stunden brauchten) kommt man auf 592 m Höhe an einer oberen Trockenmauer beim Wahrzeichen El Hierros raus: La Sabina – der Wacholderbaum schlechthin (der auf keinem El-Hierro-Prospekt fehlen darf) – ein einzeln stehender dekorativ zurechtgestutzter, windgebeugter Baum auf einem eingeebneten kahlen Plateau, eine natürliche Skulptur mit angeschlossenem Parkplatz (es führt auch eine etwa 4 km lange Piste von der südlichen Landstraße Hl500 über das Santuario de Nuestra Señora de los Reyes hierher und noch etwa 1 km weiter zum Mirador de Bascos).

Mirador de Bascos

Wir sind weiter dem ausgeschilderten Wanderweg PR EH-9 gefolgt, der in etwa 1,5 km zum Mirador de Bascos führt. Unterwegs sind noch einige bizarre Wacholderbäume zu bestaunen. El Hierros abgelegenster Aussichtspunkt Mirador de Bascos liegt am westlichen Ende des Golfo-Tals an der Cumbre genannten Abrisskante des Golfo-Tals über einer Steilwand auf 658 m Höhe. Der eigentliche Mirador, eine ausgebaute Aussichtsplattform auf einer vorspringenden Felsrippe ist zwar inzwischen wegen Absturzgefahr durch Erdrutsche gesperrt, aber man hat von der Kante nebenan immer noch großartige Ausblicke auf die tief unten liegende Punta de la Dehesa (wo wir gestern waren) und von Pozo de la Salud über das ganze 15 km lange Golfo-Tal bis zu den Roques de Salmor.

Rückwärts geht man den selben Weg und fotografiert alles noch mal, weil das Licht dann ganz anders ist. Etwas abseits vom Sabina-Baum-Monument gibt es hinter der Mauer noch ein seltsames Betonbauwerk, das wie ein rundes Silo aussieht, in Wirklichkeit aber ein Rast- und Aussichtspunkt ist, der gegen die meist starken Fallwinde mit einer halbrunden Wand geschützt ist. Weiter unten gibts bei einem kleinen Wäldchen noch einen Aussichtspunkt auf dem Vulkankegel Montaña Escobar, von dem man den Sonnenuntergang über dem Atlantik hervorragend beobachten kann. Leider reichte die aufgeschichtete Windschutzmauer bei der Vermessungssäule nur für Einen und ich musste die Windkanalprüfung bestehen.