Camino de Jinama: Ermita de la Caridad . El Hierro . Kanarische Inseln 2018 (Foto: Andreas Kuhrt)

Wandertour El Hierro: Camino de Jinama 2018

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Rundwandertour: Auf alten Wanderhirten-Wegen von Frontera zum Hochland

Am 4. Tag auf El Hierro wollten wir eine richtig schöne Bergtour machen und haben uns vorgenommen, erst mal den Camino de Jinama zur Cumbre hoch zu wandern (da der Einstieg zu diesem anspruchsvollen Wanderweg für uns günstig nur etwa 750 m von unserer Unterkunft Casa El Lunchón entfernt liegt). Wie’s weitergeht, sollte sich finden.

Camino de Jinama

Der Camino de Jinama (Jinama-Weg) ist der wichtigste von 3 historischen Hauptwegen (Camino Real) auf El Hierro zwischen dem Golfo-Tal im Norden und dem etwa 800-1300 m hohen Hochland im Süden. Das Golfo-Tal ist durch mehrere gigantische erdgeschichtliche Felsstürze (vor etwa 134000 Jahren) an einem früher etwa 2000 m hohen Zentralvulkan El Golfo entstanden. Die halbrunde Abrisskante dieser Felsstürze ist die Cumbre, unter der sich die Steilhänge allmählich zum Golfo-Tal hin abflachen. Entsprechend steil sind die Verbindungswege über die Cumbre, die in vielen Serpentinen etwa 1000 m Höhenunterschied überwinden.

Die Verbindungswege waren früher die einzige Möglichkeit, vom Hochland ins Golfo-Tal zu gelangen. El Hierros Weidewirtschaft war früher so, dass Familien mit ihren Tieren in den Orten auf den fruchtbaren Weideflächen des Hochlandes lebten. Im stürmisch-kühlen Winter war es aber besser, in das geschützte Golfo-Tal zu ziehen, auch um dort Gemüse-, Obst- und Weinbau zu betreiben, und im Herbst zur Weinernte noch mal. Teilweise sind ganze Familien mit Hausrat und Tieren zwei bis vier mal im Jahr umgezogen, um die klimatischen Vorteile der jeweiligen Region wirtschaftlich zu nutzen: im Sommer auf die Hochweiden und im Winter ins Golfo-Tal. Bis in die 1950er Jahre gab es diese Mudadas (Häuschen) genannte Wanderweidewirtschaft (Transhumanz). Die Einwohner bestimmter Orte im Hochland hatten bestimmte Wohnorte auf Zeit im Golfo-Tal (z.B. San Andrés > La Llanillos). Diese Umzüge waren sicher keine "Genusswanderungen" wie heutzutage, sondern anstrengende, gefährliche Umzüge mit Sack und Pack, Kind und Kegel und Tieren (Esel waren die einzigen Umzugshelfer). Während im Hochland an der Cumbre der vorherrschende Nordost-Passat feuchte Luft, Nebel und Wolken mit sich führt, liegt das untere Golfo-Tal im Regen- und Windschatten. An den Steilhängen hat sich oberhalb von la Frontera der größte ursprüngliche Lorbeer-Baumheide-Nebelwald El Hierros erhalten, der als Parque Rural de Frontera (Landschaftspark) geschützt ist. La Frontera heißt Grenze, es war auf diesem Weg die erste Ansiedlung unterhalb der Waldgrenze.

Der Camino de Jinama ist der östliche Verbindungsweg zwischen La Frontera im Golfo-Tal und San Andrés – Valverde im Hochland. Von La Frontera (350 m) bis zum Mirador de Jinama/Ermita Virgen de la Caridad (1230 m) überwindet der Weg auf knapp 4 km etwa 850 Höhenmeter. Der weiß-gelb markierte Wanderweg (PR-EH 8, Pequeño Recorrido El Hierro, kleine Route, regionaler Weg) beginnt in La Frontera am Wegweiser „Jinama“ an der Plaza Candelaria/Camino los Corcitos (gegenüber der Kirche, neben der Bar Joapira). Hinter der Häuserzeile von La Frontera steigt der Weg zuerst auf der asphaltierten Nebenstraße Calle los Corchos zwischen Feldern, Gärten und Weinterrassen schräg nach links (ostwärts) an. Man passiert einige Landhäuser im winzigen Ortsteil Los Corchos (die Korken?). Das historische, typisch kanarische Haus Casa Blanca aus rohen und behauenen Lavagestein (erbaut Mitte des 19. Jh.) war das erste Haus im Golfo-Tal, das weiß gekalkt wurde (Außenputz war früher für die arme Landbevölkerung zu teuer) und das deshalb sehr auffällig war. Nach etwa 500 m zweigt der Camino de Jinama an einer Straßenkehre als gepflasterter Steig ab. Man kreuzt die Straße noch zwei mal, bevor der Weg nach 700 m (auf inzwischen etwa 500 m Höhe) endgültig in die Bergflanken des Golfo-Tals aufsteigt. Der Weg ist fast auf der ganzen Strecke bis zur Cumbre mit Lavagestein gepflastert (was bei Nässe ziemlich rutschig sein kann). Wenn man dazu noch die aufwändige Terrassierung der Felder mit Trockenmauern beachtet, kann man nur staunen, was für eine Arbeit da drin steckt. Die Wegebauer müssen früher viel Zeit gehabt haben (na ja, ohne Fernseher und Internet).

Nach der Straße zieht der Weg neben dem Barranco las Esquinas bergauf, windet sich in Serpentinen auf 650 m und quert die Schlucht schließlich. Hier befand sich der Steinbruch La Helechera des roten Tuffsteins für die Ecksteine der Kirche und anderer Häuser in La Frontera. Bergab Wandernde waren angehalten, einen Stein für den Kirchenbau mitzunehmen. Danach taucht der Weg in den immergrünen Bergwald Monteverde (Laurisilva: Lorbeerwald) ein. Neben endemischen Pflanzen wie El Hierro Aeonium (ein interessantes rosettenförmiges Dickblattgewächs, das sich an jede feste Unterlage wie Felswände, Straßenränder oder Hausdächer krallt) oder El Hierro Gänsedistel (eine Art Huflattich am Stiel) gibt es im Nebelwald jede Menge Farne, Flechten, Moose, Pilze und natürlich Bäume: Lorbeer, Mocán, Palo Blanco, Kanarische Stechpalme/Acebiño, Barbuzano, Kanarischer Erdbeerbaum/Arbutus, Marmolán, Hija und noch viel mehr, von denen ich noch nie gehört hatte (alle gibt’s eigentlich nur auf den Kanaren + Madeira und sind die Reste eines voreiszeitlichen Urwaldes meint Wiki P. Dia). Besonders ausgeschildert sind alte Mocán-Bäume (überdimensionale Teesträucher!) mit gewaltigen verschlungenen Wurzelsystemen: Mocán de los Cochinos (Schweine-Mocán), an dem früher während der Rast (auf dem relativ flachen Wegstück) beim Viehtrieb die Schweine festgebunden wurden und Mocán de la Sombra (Schatten-Mocán), eine baumüberdachte Raststelle mit aus dem Fels gehauener Sitzbank. Unterwegs passiert man einen mannshohen Felsblock mit einem Kreuz darauf, der mitten auf den Weg gestürzt ist. Cruz del Fraile (Mönchs-Kreuz) erinnert an einen Mönch, der nach der Legende vom Steinschlag getroffen wurde. Nach insgesamt etwa 1,5 km steigt der gepflasterte Jinama-Weg wieder mehr an: in Kehren oder schrägen Rampen, manchmal muss eine Rinne durchstiegen werden. Der Wald verändert sich mit zunehmender Höhe zum Baumheide-Bergwald (Fayal-Brezal: Faya = Gagelstrauch, Brezo = Baumheide), der mit Moosen und Bartflechten überzogen ganz schön märchenhaft aussieht. Manchmal wird die Sicht auf das Golfo-Tal freigegeben. An einer steilen Felsrippe, auf die der Serpentinenweg klettert, liegt auf etwa 970 m Höhe El Miradero, ein Aussichtspunkt über dem Golfo-Tal, von dem früher auch Nachrichten ins Tal gerufen wurden („Bin bald da, setz schon mal das Essen auf…“ oder so, aber natürlich auf Spanisch).

El Miradero war auch eine Stelle für den Brauch Margareos (Margarine?), bei dem man Teile eines toten Esels unbeliebten Mitmenschen zuschrieb und sie dabei kritisierte, verhöhnte oder lächerlich machte (nach dem Motto: "Wir überlassen dem Bürgermeister die Ohren, um zu sehen, ob er zuhören lernt", sicher wurden auch viel drastischere Vergleiche angestellt, die bestimmt nicht immer jugendfrei waren).

Durch Baumheide-Buschwald geht es an den Steilwänden weiter bergauf. Weitere Wegstationen sind Descansadero de la Virgen (ein Haltepunkt der Prozession der Virgen de los Reyes) und Cueva de las Pipas (Höhle der Weinfässer, leider nur Steine, die an Weinfässer erinnern sollen, aber nur bei guter Einbildungskraft unter Weinentzug). Wo der Weg kurz vor der Höhe breiter und freier wird, wurde unter einer schützenden Steilwand ein Picknickplatz mit Steinbank/-tisch und Aussichtsbalkon eingerichtet (der bei starken Winden oben an der Cumbre sicher angenehmer ist). Etwa 400 m vor dem Gipfel erreicht man eine auffällige, senkrecht hochziehende Wand, Letime: in Bimbache-Sprache eine Steilklippe/Kliff, auch Cuchillo de Jinama (Messer von Jinama) genannt, die man schon am Wegbeginn aus dem Tal sehen kann.

Ermita Virgen de la Caridad/Mirador de Jinama

Wo der Camino de Jinama an der Cumbre auf dem Hochland von El Hierro bei der Hochebene Nisdafe auf etwa 1230 m Höhe ankommt, ist eine Aussichtsterrasse mit Infotafel angelegt worden. Unmittelbar nach dem Wegtor, das durch einen Wacholderholzbogen markiert wird, steht eine kleine Kapelle für die Virgen de la Caridad (Barmherzige Jungfrau der Nächstenliebe).

Die Ermita wurde 1924 im kanarischen Stil für die Madonnenfigur aus der Kirche von San Andrés erbaut (und kanariengelb gestrichen). Da dieser Hauptabstieg ins Golfo-Tal vor allem von Bewohnern der Orte San Andrés und Isora benutzt wurde, stifteten beide Orte sowie Kuba-Auswanderer (aus San Andrés) den Bau der Kapelle. Bei den gläubigen Herreñern war/ist es Brauch bei der früher gefährlichen Benutzung der steilen Bergpfade, die Schutzheilige um Beistand anzubeten oder für eine gut überstandene Wanderung zu danken. Jedes Jahr findet Mitte Mai eine festliche Prozession Fiesta de la Caridad statt, bei der die Virgen de la Caridad von der Jinama-Kapelle ins 6 km entfernte San Andrés getragen wird.

An der Kapelle gibt es gemauerte Sitzbänke. Eine weitere Aussichtsterrasse ist mit Picknickbänken und Überdachung ausgestattet. Als wir am Mirador de Jinama angekommen sind, war die Wetterlage so, dass sich aus der lockeren Bewölkung über dem Hochland unmittelbar an der Cumbre ein Hochnebel über dem Golfo-Tal zusammenbraute, der keine Sicht ins Tal zuließ.

Camino de la Virgen

Weil wir nicht den selben Weg wieder runtergehen wollten, suchten wir nach einem anderen Rückweg nach La Frontera. Die Möglichkeit, nach Norden an der Cumbre entlangzugehen und über den Camino de la Peña abzusteigen schied aus, weil dieser Weg schon seit Jahren wegen Erdrutsch nicht mehr passierbar ist. Also bleibt eigentlich nur der Weg entlang der Cumbre nach Südwesten bis man auf eine Abstiegsmöglichkeit trifft (notfalls per Anhalter auf der El-Golfo-Straße Hl-1). Das war auch deshalb verlockend, weil man dabei das zentrale Hochland El Hierros bei La Llanía kennenlernen konnte. Dazu musste man zunächst auf der Stichstraße Hl-120 (zum Mirador de Jinama) etwas ins Landesinnere in Richtung San Andrés gehen.

Die fruchtbare Hochebene auf etwa 900-1200 m Höhe heißt Mesata de Nisdafe: eine kultivierte Feld-, Wiesen- und Weidelandschaft, die wie in Irland von Steinmauern durchzogen ist, aus der aber rotbraune Vulkankegel ragen. Die Hochebene ist der landwirtschaftliche Mittelpunkt El Hierros. Darin bildet der kleine Ort San Andrés das Zentrum der Viehwirtschaft der Insel. Etwas außerhalb befindet sich die zentrale Milchverarbeitungsgenossenschaft der Käsereien auf El Hierro (SCL Ganaderos de El Hierro/Central Quesera El Herreño), in der auch die Käsespezialität Queso Herreño hergestellt wird (ein Biokäse aus Kuh-, Schafs- und Ziegenmilch, den es als Frischkäse, gereift oder aromatisch geräuchert gibt).

Wir wollten aber nicht nach San Andrés, sondern sind nach etwa 600 m nach rechts (Süden) auf die Inselhauptstraße Hl-1 abgebogen (der Verkehr dort ist ungefähr so, wie bei uns in der Fußgängerzone, also ab und zu mal ein Auto). Nach 500 m (mit den schönsten Aeonium-Rosetten an der Straßenmauer) kann man links neben der Straße auf einen Wanderweg abbiegen: El Hierros Hauptweg Camino de la Virgen (GR 131). Der Gran Recorrido (großer Weg) El Hierros führt (mit Küstenabstiegen) von Tamaduste im Nordosten bis Orchilla im Südwesten 38 km quer über die Insel. Hier in der Inselmitte folgt der Weg der Cumbre, dem Rückgrat der Insel.

Bajada de la Virgen de los Reyes

Richtig wichtig ist der 28,7 km lange Hochlandweg zwischen dem Santuario de Nuestra Señora de los Reyes (Heiligtum der Jungfrau der Heiligen Drei Könige) im unbewohnten westlichen Hochland La Dehesa und der Inselhauptstadt Villa de Valverde im Osten. Alle vier Jahre (gewissermaßen die Olympischen Spiele von El Hierro) findet als Hauptfest der Insel die Bajada (Abstieg) de la Virgen de los Reyes statt, bei der die Madonnen-Statue in einer festlichen Prozession auf dem Camino de la Virgen von ihrem Stammplatz im Santuario zur Hauptkirche der Insel Santa María de la Concepción (Heilige Jungfrau der unbefleckten Empfängnis) in Villa de Valverde gebracht wird. Danach wird sie noch einen Monat lang in den verschiedenen Orten der Insel herumgereicht. Die Virgen des los Reyes wurde 2013 vom Bischof von Teneriffa zur Schutzheiligen von El Hierro geweiht.
Die holzgeschnitzte Madonnenstatue aus dem 16. Jh. (ihr Alter sieht man ihr aber nicht an, sondern sie sieht ziemlich neumodisch püppchenhaft aus) wurde der Legende nach 1546 vom Kapitän eines Amerika-Seglers einigen Hirten von La Dehesa geschenkt, die auf der Gemeinschaftsweide das Vieh hüteten. Das Schiff war auf der Reise von Europa nach Amerika im Mar de las Calmas (Meer der Ruhe) beim Kap Orchilla an El Hierros Südküste in einen Sturm oder Flaute geraten (je nach dramaturgischem Geschmack) und kam nicht weiter. Als die Vorräte zur Neige gingen, musste der Kapitän die Hirten um Proviant für die Überfahrt bitten. Sie erhielten Fleisch, Käse und Wasser. Als Gegenleistung schenkte er ihnen die Madonnenfigur (am 6. Januar, dem Drei-Königs-Tag). Daraufhin konnte das Schiff mit einer leichten Brise die Fahrt nach Amerika fortsetzen. Die Hirten brachten die Madonna, die sie entsprechend dem Feiertag Virgen de los Reyes nannten, zu einer ihrer Wohnhöhlen in La Dehesa: Cueva del Caracol (Schneckenhöhle), die seitdem auch Cueva de la Virgen heißt. 1577 wurde in der Nähe das Santuario de la Virgen als besserer Aufbewahrungsort, Pilgerstätte und zeitweiliges Kloster gebaut. 1643 soll es nach einer schweren zweijährigen Dürreperiode (Wassermangel ist ein Grundproblem auf El Hierro) nach einer Hirtenwallfahrt zur Madonna geregnet haben. Auch 1740 war wieder ein Dürrejahr: im Frühjahr 1741 wurde die Madonna in einer Prozession nach Valverde gebracht, bei deren Ankunft es dann in Strömen geregnet haben soll. Seitdem wurde die Virgen de los Reyes als wasserspendende Schutzpatronin von El Hierro verehrt. Sicherheitshalber sollte die Prozession dann alle vier Jahre stattfinden (69 mal von 1745 bis 2017, die nächste ist 2021).
Inzwischen ist die Bajada de la Virgen am ersten Sonnabend im Juli das größte Volksfest von El Hierro, an dem über 20.000 Wallfahrer und Gäste teilnehmen. Die Statue wird um 5 Uhr vor Sonnenaufgang aus der Kapelle geholt und dann in einer Sänfte von verschiedenen Gruppen der jeweiligen Weggemeinde einen Abschnitt lang getragen (La Raya: Streifen, beginnend mit dem Ort Sabinosa, zu dem die Kapelle gehört) und dann an insgesamt 9 Stationen an die nächste Gemeinde übergeben. Jeder Abschnitt wird mit jeweils ortstypischen Musikern (Trommeln, Flöten, Kastagnetten) und Tänzern in alter Tracht begleitet. Unterwegs wird an der 4. Station Cruz de los Reyes eine gemeinsame Verehrung der Madonna (venia general) und ein großes Volkspicknick (tendido de manteles: Tischdecken ausbreiten) zur Stärkung und Erholung der Teilnehmer abgehalten. Erst spät abends kommt der Zug in Valverde an, wo die Madonna feierlich in die Kirche Santa María de la Concepción einzieht und ihr symbolisch vom Bürgermeister die Macht übertragen wird. Die Feierlichkeiten der Bajada dauern dann noch 4 Wochen, in denen die Virgen de los Reyes in den wichtigsten Gemeinden Station macht, bevor sie in der Subida (Aufstieg) in ihre Kapelle zurückgebracht wird.

Hoya de Fireba

Auf unserer Wanderung auf dem Camino de la Virgen war es im Gegensatz zur Bajada aber sehr ruhig. Wir sind kaum jemandem begegnet auf den etwa 3,5 km bis La Llanía (die Ebene). Auf breiten Sandwegen geht es durch die offene Weidelandschaft, vorbei an Trockenmauern, Zäunen und einer halben Pinienallee (nur auf der rechten Seite). Etwas abseits gibts etwa 50 m hohe, bewaldete Vulkankegel wie Timbarembo (1326 m) oder Montaña de los Frailes (Brüderberg). Der Weg folgt dem Hochlandgrat Cumbre in einem Abstand von etwa 400 m, immer dicht neben der Hochlandstraße HI-1. An der Cumbre gibt es noch ein kleines Observatorium (Observatorio de las Asomadas auf 1354 m Höhe, das vom kleinen Verein Grupo Astronómico de El Hierro (GAH) seit 1993 gebaut wurde, El Hierro bietet die besten Voraussetzungen Europas zur Himmelsbeobachtung). Nach etwa 2,7 km von Jinama aus kommt man nach dem Vulkanhügel Asomadas (1373 m) an einen kleinen Pinienhain und einige verstreute große alte Laubbäume. Der lichte Wald ist mit ein paar Sitzgruppen als schöner, schattiger Picknickplatz ausgebaut. Im Hochlandnebel, den es hier öfter gibt, sah die Gegend sehr märchenhaft aus. Beim Picknickplatz wechselt der Camino de la Virgen auf die andere Straßenseite und führt näher an die Cumbre ran (hier deckt sich der GR 131 Camino de la Virgen mit dem Wanderweg SL-EH 1 Camino de la Llanía). In einem Vulkanaschegebiet mit spärlichem Bewuchs kommt man zur Hoya de Fireba (Feuerballgrube?)

Durch Dampfexplosion entstand ein Pseudokrater (wenn Lava auf wasserführende Schichten trifft, kein eigentlicher Vulkanausbruch) mit einer Ausdehnung von etwa 350 x 500 m und einer Tiefe von rund 100 m, der von einem Ringwall aus aufgeschütteten Lapilli umschlossen wird. Es gibt östlich einen kurzen markierten Pfad zum Aussichtspunkt Mirador de la Hoya de Fireba (Fireba II) und in den Krater hinein und westlich den Aussichtspunkt Mirador de Fireba (Fireba I) mit Überblick über den Krater, der für eine Dampfexplosion mächtig gewaltig ist.

Bailadero las Brujas

Nach dem Mirador de Fireba kommt man in einen scheinbar aufgeforsteten Pinienwald, denn die Bäume sind alle gleich groß und stehen schön abgezirkelt. Der Waldboden unter den Pinien ist fast komplett mit einer rotbraunen Schicht abgestorbener, langer kanarischer Kiefernnadeln bedeckt, die so gut wie keine andere Vegetation aufkommen lässt. Unten rum sehn die Kiefernwälder deshalb ziemlich eintönig und durchsichtig aus, aber auch mit einem starken Rot-Grün-Kontrast beeindrucken. Hier gibt es auch eine relativ kahle Stelle im Wald, auf der schon früher nichts wachsen wollte. Dieser Ort wird Bailadero las Brujas (Hexentanzplatz) genannt, weil ja logisch ist, dass dort, wo die Hexen mit dem Teufel tanzen, kein Gras mehr wächst. Außerdem liegt der Platz schön zentral in El Hierro, so dass alle Hexen eine relativ kurze Anreise haben.

La Llanía

Nach dem kleinen Pinienwäldchen geht in der Vulkanaschelandschaft ein Pfad nach rechts ab, der in etwa 500 m zum Mirador de la Llanía führt (1330 m, in Google-Maps fälschlich als Red Canaria de Senderos: kanarisches Wegenetz bezeichnet), dem zentralen Aussichtspunkt an der Cumbre, von dem man eine tolle Aussicht über das Golfo-Tal hätte, wenn die nicht gerade wegen Nebel geschlossen ist. Beim gleich an das Kiefernwäldchen anschließenden Lorbeer-Baumheide-Nebelwald ist dagegen der Name Programm und die beste Voraussetzung für mystische Stimmung und schöne Fotos. Dieser Wald besteht aus einem märchenhaften Gewirr von moosbewachsenen Bäumen, Büschen, Unterholz, Farnen und Flechten die ihre tentakelartigen Äste wild verschränken. Dieser Wald kann nur durch den Passatnebel überleben, aus dem er seinen Wasserbedarf zapft. Und nur im Nebel entfaltet er seinen mystischen Charakter und bietet durch gleichmäßige Helligkeit und Tiefenstaffelung schöne Fotomotive. Bei Vollsonne ist es im Waldinnern einfach nur dunkel mit gleißend hellen Lichtflecken dazwischen. Das Waldgebiet bei La Llanía in El Hierros Inselmitte ist ziemlich groß, weil diese Gegend die größten Niederschlagsmengen hat und unter Schutz steht. Die Fuente de la Llanía ist eine Wasserzapfstelle am Cruz de la Llanía, die von einer eingefassten Baumheide versorgt wird, an der der oft herrschende Passatnebel kondensiert (horizontaler Regen) und sich Wasser in einem Becken sammelt. Der Wander-Parkplatz dient als Ausgangspunkt für die etwa 7,5 km lange Rundwanderung Sendero de la Llanía (SL-EH 1) im zentralen Hochland von El Hierro.

Durch rauschhaftes Fotografieren war es inzwischen 6 Uhr abends geworden und wirklich nicht mehr viel Zeit für einen etwa 4 km langen, steilen Abstieg zurück nach La Frontera durch die Golfo-Flanken auf unbekannten Waldwegen (die Sonne geht gegen 19 Uhr unter). Wir hatten uns noch eine Abstiegsmöglichkeit an der Cumbre zwischen Fireba und Mirador de la Llanía zur Hoya Pequeña (kleines Loch) angesehen, aber der Weg sah erst mal ziemlich schmal und steil aus, war nirgends beschrieben und nicht markiert, so dass uns diese Abendexpedition zu heikel war.

Camino de San Salvador

Deshalb gingen wir jetzt im Sauseschritt von La Llanía auf der Straße Hl-1 abwärts, die in großen Serpentinen über rund 15 km ins Golfo-Tal nach La Frontera hinabführt. Nach ungefähr 1,5 km kreuzt der Camino de San Salvador/Camino del Golfo, ein historischer Verbindungsweg zwischen Taibique im Süden und Tigaday im Golfo-Tal, die Straße. Im Unterschied zum Camino de Jinama ist dieser Weg nicht befestigt (was ihn für den Abstieg angenehmer macht), windet sich aber genauso in vielen Kehren durch den Lorbeer-Baumheide-Nebelwald der hier nicht ganz so steilen Abhänge. Der Weg ist einfach zu verfolgen, er geht im Prinzip immer nach Norden ziemlich direkt auf Tigaday im Tal zu. An exzessives Fotografieren war natürlich nicht mehr zu denken, im Walddämmerlicht wurde es sowieso schon ganz schön dunkel. An einem Durchblick konnte man die Risco de Tibataje (Felswand im Osten von El Golfo) im schönen Sonnenuntergangslicht sehen und auch, dass man noch ganz schön hoch über dem Tal rumkraxelt. Schließlich erreichten wir nach 2 km Bergpfad im letzten Licht eine Nebenstraße in den Feldern oberhalb von Tigaday, auf der wir in 1,5 km schließlich zur Hauptstraße Hl-1 kamen (noch mal gut gegangen). Die restlichen 2 km nach La Frontera und El Lunchón kann man beruhigt auch im Dunkeln gehn. Man muss nur immer auf den Leuchtturm Campanario Joapira zuhalten und von da an weisen einem die Kläffer den Weg: wenn es wie verrückt bellt, ist man richtig…
Noch die letzten 100 m den Stieg zur Casa hoch und dann erst mal ein kühles Bier und die Beine ausstrecken. Nach 9 Stunden Wanderung wird das wohl erlaubt sein. Übrigens gibt es auf der ganzen Strecke kein Restaurant oder so außer der Bar Joapira am Start und Ziel der Tour. Das fällt mir nur gerade ein, weil hier irgendwas im Zimmer knurrt…

Also auf jeden Fall ausreichend Getränke und Essen auf die Wanderungen zur Cumbre mitnehmen (direkt am Weg gibt’s keine Orte oder „Verpflegungsstationen“), Wegbeschreibung/Karte, profilierte Wanderschuhe (einer am Mirador de Jinama schwörte auf Trekkingsandalen), warme Sachen, Regen/Wind/Sonnenschutz, ausreichend Akkus für die Kamera, Handy für Notfälle und vielleicht lieber noch eine Lampe (wenn man so trödelt wie wir) oder etwas Geld, um Autofahrer zu bestechen…