Südengland 2016 1 2 3 4 5 6 7 8
1 Dover & Hastings
2 Birling Gap & Seven Sisters
3 Nymans & Petworth House
4 Boomtown Fair
5 Stonehenge & Wells
6 Tintagel & Levant Mine
7 Lost Gardens Of Heligan
8 Lanhydrock House
Unser nächstes Ziel war Birling Gap, wo man die Sieben Schwestern besteigen kann, was einem nicht überall angeboten wird. Das hörte sich aufregend an.
East Dean & Friston Church
Auf dem Weg dorthin kamen wir durch East Dean und Friston, zwei ganz kleine Orte im Hinterland der Küste bei Eastbourne. Jeder Ort hat seine eigene ganz kleine, schnuckelige Dorfkirche (St. Mary, St. Simon & St. Jude) aus dem ortstypischen Flintstein. Bemerkenswert war, das fast alle Häuser der Dörfer aus diesem Naturstein gebaut sind. Die knapp 2000 Einwohner haben sichs in ihren idyllischen Anwesen richtig gemütlich gemacht. Die ganze Gegend strahlt Natürlichkeit, Ruhe und Beschaulichkeit aus, fast wie im Auenland.
Birling Gap, Beachy Head & Seven Sisters
Bei Birling Gap 2 km weiter an der Kanalküste endet die Beschaulichkeit abrupt an der Abbruchkante an Englands breitester Kreidesteilküsten-Front, 15 km unverbaut und naturbelassen. Die 12 Häuser der 30 Einwohner von Birling Gap liegen in einer Talsenke inzwischen direkt am und einige schon im Meer. 1873 wurde hier an einem beliebten Alk-Schmuggel-Weg eine Station der Küstenwache als 8-Häuser-Reihe in gut 50 m Entfernung zur Steilküste gebaut. 2014 musste schon das vierte Haus abgerissen werden, weil es abzustürzen drohte. Die raue See des Ärmelkanals frisst sich mit einer durchschnittlichen Erosion von 60 cm pro Jahr ins Land, 2014 wurden bei einer Sturmflut gleich 3 m Steilküste weggespült. Während die verbliebenen Einwohner ihre Häuser durch Küstenschutzmaßnahmen gesichert haben wollen (z.B. durch Versenken großer Felsbrocken am Fuß der Steilküste), lehnt der National Trust (als Eigentümer und Verwalter des Nationalparks) dies als unzulässigen und langfristig unwirksamen Eingriff in die natürlichen Erosionsprozesse ab. Immerhin haben sie das aufgekaufte ehemalige Hotel nicht gleich abgerissen, sondern erst mal als Besucher-Informationszentrum mit Shop und Café renoviert (am Tea & Cake gabs nix zu meckern, aber zur Abbruchkante ist’s auch nur noch 1 Tisch weit). Vom Parkplatz kommt man über einen Treppenturm runter zum Strand, der aus den ausgewaschenen Feuersteinknollen der Steilküste besteht, auf dem die Trümmer der letzten Kreidefelsrutsche liegen und zermahlen werden. Über einem die senkrechten Kreideklippen und davor die rollende See machte einen ganz schön dramatischen Eindruck.
Ach so: die Sieben Schwestern waren am Strand nicht so ohne Weiteres zu finden. Sie entpuppten sich dann als sieben aufeinanderfolgende Kreideklippen ihres großen Bruders Beachy Head. Der Seven Sisters Country Park ist beliebt als Wandergebiet (och, wie langweilig…) Beachy Head (mehr Info in English) ist 2 km östlich mit 162 m die höchste Kreideklippe der englischen Küste, ein Hot Spot für Basejumper, auch für solche ohne Fallschirm (mit durchschnittlich 20 pro Jahr auf Platz 3 der beliebtesten Selbstmord-Orte der Welt). Auf der Suche nach einem einsamen Übernachtungsplatz (das mit den sieben Schwestern wurde ja nun nix) sind wir die Küstenstraße entlanggefahren. 1 km hinter Birling Gap sind wir am Belle Tout Lighthouse (nicht) vorbeigekommen. Der ehemalige Leuchtturm steht spektakulär am Klippenrand, unweit von Beachy Head. Er wurde 1832 zur Markierung des Kaps an- und 1902 abgeschaltet (weil er auf der Steilküste oft zu benebelt war). Er diente dann als Wohnhaus und Café, Zielscheibe für kanadische Truppen (während des 2. Weltkriegs), Filmkulisse für die BBC. 1999 wurde er vor der heranrückenden Abbruchkante 17 m landeinwärts versetzt. Seit 2010 wird er als „herausragendes“ Bed & Breakfast betrieben, auch mit herausragenden Preisen, aber der faszinierende Ausblick mit spektakulärem Sonnenuntergang ist gratis.
Nach einer Nacht im Auto in einer Nebenstraße (etwas Besseres war nicht zu finden) wollten wir es doch noch mal mit den Sieben Schwestern versuchen. In der Crowlink-Gegend, einem einsam gelegenen Gut im South-Down-Hinterland, gibts Wanderwege durchs Weideland zur Küste. Überall sorgen englische Rasenmäääher für englischen Rasen. Bis auf ein paar Bäume und Büsche, die auch schon vor dem ständigen Westwind flüchten, ist das Land sehr übersichtlich. Trockentäler und Hügel machen es ein bisschen wellig und bilden an der Steilküste die „Sieben Schwestern“ genannten Huckel. Der Küstenweg führt also immer etwas hoch und runter, wodurch sich immer neue An- und Aussichten auf das blaue Meer, die weißen Klippen und das grüne Hinterland ergeben. Aber auch die Sieben Schwestern sind nicht mehr taufrisch und bröckeln ganz schön ab, so dass man vermeiden sollte bis zum äußersten (Rand) zu gehn, wenn man nicht ganz tief fallen will (eine Lebensversicherung ist in diesem vertikalen Gewerbe nicht vorgesehen). Eigentlich waren die Sieben Schwestern trotz der Risse, Furchen und Scharten für ihr Alter von 7o Millionen Jahren noch ganz ansehnlich.
Aber wir mussten weiter Richtung Winchester, Morgen ab 12 stand das Boomtown-Festival an. Bis dahin war noch ein bisschen Zeit für Zeitreisen zu konservierten Herrenhäusern und -gärten…