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El Pinar: Pinienwald mitten im Hochland
Wenn man von La Frontera im Golfo-Tal zur Vulkanlandschaft im Süden El Hierros will (ohne 2 Tage zu wandern), fährt man über die alte Golfo-Hochland-Verbindungsstraße HI-1 bis zur Cumbre bei La Llania und dann die 2. rechts nach Süden, HI-40 (mehr Abzweigungen gibts da sowieso nicht). Nach etwa 1 km durch den Baumheide-Lorbeer-Wald von La Llania kommt man in das große Pinienwaldgebiet im Zentrum El Hierros: El Pinar (so heißt auch die Gemeinde aus den Orten Taibique und Las Casas südlich des Waldes). Die endemische Kanarische Kiefer kommt auch mit trockeneren Bedingungen zurecht, hat extra lange Nadeln, mit denen sie Luftfeuchtigkeit abzapfen kann und vor allem kann sie Waldbrände überleben: bei älteren Bäumen „verschorft“ die dicke Rinde während des Brandes, so dass der Baum darunter intakt bleibt und neu austreiben kann. In einem kanarischen Kiefernwald ist es irgendwie eigenartig diaton: es gibt nur die rote Farbe der abgestorbenen Nadeln am Boden und das Grün der frischen Nadeln. Der dichte Nadelteppich am Boden verhindert fast jede andere Vegetation. Unterholz gibts eigentlich nicht und deshalb ist die untere Waldetage ziemlich licht. Im zugegeben auch etwas eintönigen Stangenwald (alle Bäume müssen gleichzeitig zum Licht wachsen) gibt es beeindruckende alte, große, knorrige Exemplare, deren Rinde teilweise schwarz verkohlt ist (der älteste Baum auf Teneriffa soll ca. 800 Jahre alt sein).
Los Lajiales: Vulkanien an El Hierros Südspitze
La Restinga
Ganz im Süden El Hierros liegt einsam der kleine Fischerort La Restinga (rund 600 Einwohner): der südlichste Ort Spaniens und Europas. Was in Norwegen das Nordkap ist, ist entgegengesetzt auf El Hierro das Südkap Punta de los Saltos (Kap der Sprünge, keine Ahnung, wer da schon gesprungen ist), nur nicht so überlaufen und nasskalt. Da an den unteren Küstenzonen der Passat noch nicht greifen kann, gibt es dort 360 Sonnentage im Jahr, ein Paradies für Senioren und Senioras. Dass hier nicht der Urlaubär steppt, liegt nur daran, dass es keine richtigen Sandstrände gibt, sondern nur Lavasteilküste (schade für Pauschaltouries, schön für uns). Im Süden El Hierros ist es aber auch extrem trocken, die umgebende Vulkanlandschaft ist wüstenartig und nur spärlich bewachsen. La Restinga liegt nur etwa 10 km südlich der Cumbre mit den Pinien- und Lorbeerwäldern (z.B. bei La Llania), aber dazwischen liegen Welten. Der Ort entstand erst in den 1960er Jahren, als sich Fischer aus dem Valle Gran Rey (auf der Nachbarinsel La Gomera) und einige Herreños hier ansiedelten. Deshalb sieht es auch ein bisschen lieblos betongebaut aus. Inzwischen ist es der wichtigste Fischerei- und Sportboothafen El Hierros. Die Fischereikooperative vermarktet ihren täglichen Fang selbst und beliefert die Restaurants im Ort, die dadurch den frischesten Fisch auf der Insel anbieten können. Außerdem gilt das Mar de las Calmas (Meer der Ruhe) bei La Restinga als das beste Tauchrevier Europas und wird touristisch vermarktet (Schlauchbootfahrten zu den Tauchgebieten dauern nur ein paar Minuten). Es gibt einige Tauchschulen und einige mehr Apartamentos, von denen der gelbe Säulentempel im Neo-Hispano-Beton-Stil am Ende der Avenida Maritima der größte und überflüssigste ist (se vende: zu verkaufen). Aber sie haben sich eine neue Marina mit gut geschütztem Hafenbecken und eine schöne Hafenpromenade mit Bars und Kinderspielplatz gegönnt. Am glasklaren Hafenbecken gibt es einige sandige und steinige Badestellen. Weil wir begeisterte Vulkanfotologen sind, mussten wir natürlich zur urtümlichen Vulkanlandschaft bei La Restinga.
La Lajiales
Die ganze Südspeiche der Insel ist die jüngste vulkanische Zone El Hierros und wurde so vor 150.000 bis 20.000 Jahren durch Vulkanausbrüche in einer Spalte (Rift) über einem Hotspot gebildet. Der südlichste Bereich wird La Lajiales genannt und wurde durch den Vulkankomplex Corona de la Lajiales bis vor etwa 6.000 Jahre aufgebaut: das sind die Vulkane Roque Grande (458 m), Roque Cueva Palomas (437 m), Montaña de Julán (458 m), Lomito Atravesado (234 m), Montaña de Los Carriles (294 m), Montaña Irama (254 m), Montaña Restinga (198 m), Montaña Colorada (185 m) und Montaña Puerto Naos (158 m). La Lajiales steht für Fließlava, auf Vulkandeutsch Pāhoehoe-Lava genannt (hawaiisch für ruhiges Meer, im Gegensatz zur scharfkantigen Brockenlava ʻAʻā für brennen, glühen), die an der Südküste bei La Restinga sehr formenreich zu erkunden ist.
Tagoro (El Discreto)
Das bestätigte sich 2011/12 mit einem submarinen Vulkanausbruch einige Kilometer südwestlich von La Restinga. Es begann im Juli 2011 mit Schwarmbeben (besonders unter El Golfo, 19.07.-22.10.2011: 3769 Beben aufgezeichnet) und einer Anhebung der Inselflanken um etwa 3,5 cm. Am 10. Oktober wurde vulkanischer Tremor festgestellt, das ist ein durch unterirdischen Magmafluss und Gasdruck ausgelöstes Vibrieren im niederfrequenten Bereich, das einen unmittelbar bevorstehenden Vulkanausbruch anzeigt. Ein unterseeischer Schlot ca. 5 km vor der Küste bei La Restinga in rund 1 km Tiefe förderte Magma. Daraufhin wurde La Restinga am 11.10.2011 evakuiert. Am 12.10. brachen 2 weitere Schlote 3,7 und 2,7 km südlich von Puerto Naos in 750 bzw. 500 m Tiefe aus. 13.10.2011: Durch Schwefelgase gab es großflächige grüne Wasserverfärbungen, ein Fischsterben war die Folge. Am 16.10. wurden aufsprudelnde Gasblasen und aufschwimmende Lavabrocken (Restingolithas) registriert, nach den Whirlpools nennt man das Jacuzzi. Am 25.10. traf das Forschungsschiff "Roman Margalef" ein, das ein Computermodell des Meeresbodens erstellte mit einem Krater ca. 230 m unter der Meeresoberfläche. Es folgen weitere Erdbeben (bis 4,4 Stärke). Am 4.11. wurde eine neue Eruptionsspalte ca. 1-2 km vor der Küste mit 4 neuen Jacuzzis registriert, am 6.11. gab es submarine Explosionen mit etwa 20 m hohen Dampffontänen, am 8.11. erreichten die Eruptionen ihren Höhepunkt, über dem Förderschlot bildete sich ein mehrere Meter hoher Wasserdom, es wurden Bimssteine bis 1 m Durchmesser hochgespült und Gasflammen über dem Jacuzzi gesichtet. Bis Februar 2012 gab es schwankende vulkanische Aktivität. Der zunächst El Discreto getaufte, später offiziell Tagoro (Bimbache-Wort für einen runden Versammlungsplatz) genannte Vulkan baute sich 289 m vom Meeresboden bis etwa 89 m unterm Meeresspiegel auf und blieb dann stecken. Am 6.3.2012 wurde die Eruption von der Inselregierung für beendet erklärt und die Beobachtung abgeschaltet, obwohl es noch Berichte über weitere vulkanische Aktivitäten gab. Aber die Wiederbelebung des bescheidenen Tourismus, der damals ziemlich eingebrochen war, ist auch ein nicht ganz unverständliches Argument.
Mehr Infos: www.vulkane.net | www.volcantagoro.es
Westlich von La Restinga gleich hinter dem letzten Haus und der Hafenmole erstreckt sich über mehrere Kilometer eine Vulkanlandschaft wie aus dem Lava-Bilderbuch: gewundene Stricklava (spanisch cordada: Seil), Zöpfe, Falten, Wellen, Kissen, Kaskaden, Lavafälle, Kleckertürme, Ströme, Rinnen und Tunnel… eine Landschaft voller steingewordener Strukturen vom Anfang der Erde. Meist ist die Farbe schwarzgrau, aber das gibts auch in grau, grünlich, bläulich, braun, ocker und rot je nach Zusammensetzung und Austrittstemperatur (nach Mineralienatlas: dunkelrot 650, hellrot 870, gelblich 1100, weiß 1260°C). Besonders auffällig sind die komplett roten Vulkankegel Montaña Irama etwas landeinwärts und ein namenloser Hügel am westlichen Rand der Lavafläche. Eigentlich geht ein Pfad in der Nähe der Steilküste lang, in unserer Begeisterung für die vielfältigen Strukturen haben wir aber das Lavaland kreuz und quer durchstreift (man sollte aber die empfindlichen Lavastrukturen nicht betreten, da sie nach 6000 Jahren schon ein bisschen mürbe sind). Die Vegetation ist spärlich: Gräser und trockenharte Büsche wie Tabaiba, Kanarenampfer, Wilder Weihrauch, Thymian und Aeonium, das sich an jeder Ritze festkrallen kann. Auf den Lapilliflächen (wie das Granulat aus dem Baumarkt) wächst es etwas dichter.
Betonsäulen und Schilder markieren einen Küstenbereich, an dem 1996 eine Meeresschutzzone eingerichtet wurde, in der Fisch- und Schalentierfang verboten ist, um die Bestände zu stabilisieren. Bei der Erkundung der Lavalandschaft haben wir mehrere kleine Grotten gefunden, die mit lose geschichteten Lavasteinen überbaut waren. Die eine hatte einen engen Eingang, innen eine flache Kuhle von etwa 1 m Durchmesser und eine ziemlich aufwändige Kreuzkuppel aus Lavahöhlengestein (mit verschmiert glasiger Oberfläche) und weißem Bimsstein. Als Zisterne bisschen flach und als Höhle oder Kapelle bisschen klein – keine Ahnung, was das sein könnte. Es gibt davon mehrere über die Fläche verteilt, gerne an den Flanken von Vulkanhügeln. Vielleicht weiß jemand, was das ist. Am westlichen Rand dieser Lavaebene kommt man zu einem roten Vulkankegel, über dessen Flanke der Weg wieder zur Küste führt. An einem kleinen Mirador hat man Aussicht auf die Bucht Bahía de Naos und die großartige schroff abfallende rote Wand des Vulkans Montaña Puerto de Naos, der halb abgerutscht ist und so die innere Schichtung freilegt.
Bahía/Puerto de Naos war eine geschützte Ankerbucht für Seefahrer an der Südspitze El Hierros bevor es gebaute Häfen gab. Am Puerto de Naos war 1405 der französische Invasor Jean de Béthencourt gelandet (im Dienst des spanischen Königs). Béthencourt hat mit Hilfe des herreñischen Mittelsmannes Augerón (der schon vorher von Piraten gefangen wurde) den Bimbachen-König Armiche von El Hierro überreden lassen, mit 111 Gefolgsleuten zu angeblichen Schutz-Vertragsverhandlungen in die Bucht zu kommen. Alle Bimbaches wurden gefangen genommen und später viele als Sklaven verkauft. Die jahrhundertelange steinzeitliche Kultur der Bimbaches wurde abrupt beendet. In der Folge wurden 120 normannische und weitere kastilische Bauern auf deren Land angesiedelt, die restliche Urbevölkerung vermischte sich und deren Kultur wurde ausgelöscht.
Montaña Puerto de Naos – Montaña Colorada
Ein kleiner Pfad führt vom Mirador runter an einen kleinen steinigen Strand (an dem die Bimbachen gefangen genommen wurden) neben einer ins Meer ragenden Lavazunge. Der Küstenweg geht nahe der Abbruchkante etwa 70 Höhenmeter aufwärts bis fast zur Straße Hl-4, die in weiten Serpentinen durch die Vulkanlandschaft landeinwärts nach El Pinar führt. Links abbiegend kann man den Gipfel der Montaña Puerto de Naos (158 m) in leichtem, aber durch die Vulkanasche rutschigen Anstieg erreichen und wird mit einem tollen Rundblick über die südliche Vulkanlandschaft El Hierros bis zur Cumbre belohnt. Der Tiefblick in die steil abfallenden roten Ascheklippen ist leicht schwindelerregend.
Auffällig ist von oben der ringförmige Vulkankrater der Montaña Colorada etwa 500 m weiter nördlich. Da wollte ich auch noch hin. Vom Fuß der Montaña Puerto de Naos führen Pfade durch die ebene Vulkanlandschaft dorthin. Es gibt viele aufgeworfene Lavazüge, die wahrscheinlich Höhlen sind, teilweise sind sie auch an der Oberfläche eingebrochen. Auf der Südseite der Montaña Colorada gibts eine Auswurfrinne, auf deren Flanken man gut die knapp 50 Höhenmeter zum Kraterring hochsteigen kann. Der Krater selbst ist nur eine Senke mit ein paar Büschen drin. Man kann auf dem Kraterring mit ca. 60 m Durchmesser bis zur gegenüberliegenden Flanke herumlaufen, der Ausblick ist natürlich ähnlich dem vorigen auch wieder toll. Gleich westlich neben dem dem Vulkankegel wurde eine 4-Felder-Wirtschaft angelegt, der Versuch einer Plantage, der inzwischen schon wieder gescheitert zu sein scheint (woher soll denn dafür das Wasser kommen?). Was ich total unverständlich finde ist, dass zur Einebnung der Flächen einfach Asche aus der Flanke der Montaña Colorada abgebaut wurde. Um so eine banale Plantage in aussichtsloser Trockenlage zu bauen, zerstört man nicht so einen perfekt geformten Vulkankegel. Wer die im wahrsten Sinne des Wortes „herausragenden“ Naturwunder El Hierros für kleinliche, kurzfristige Gewinninteressen vernutzt, ist irgendwas zwischen ignorant und richtig bescheuert. Ich schätze, die Vulkanlandschaft ist für manche Herreños so selbstverständlich und ungenutzt scheinbar wertlos, dass sie sich gar nicht vorstellen können, was für Naturschätze das sind. Auf dem Rückweg nach La Restinga zauberte die untergehende Sonne noch schönste Lichtstimmungen in die Vulkanlandschaft.
Restaurante „El Refugio“
Für ein Fisch-Abendessen hatten wir das Restaurante „El Refugio“ von Freunden als Empfehlung. Das liegt etwas versteckt in der dritten Reihe in der kleinen Gasse Calle la Lapa und hat keine Terrasse mit Meerblick zu bieten aber dafür einen überaus freundlichen Service und leckeren frischen Fisch. Das Familien-Restaurante „El Refugio“ von Flora & Elio Morales gibt es seit 1988. Sie haben immer mal wieder Auszeichnungen für hervorragende Qualität bekommen, 2015 den 1. Preis für die „Beste Küche der Kanarischen Inseln“. Inzwischen führt der älteste Sohn Manolo (heißt eigentlich Juan Manuel) das Geschäft, seine Schwester Dolores zaubert in der Küche und sein Bruder liefert den Fisch. Neuen Gästen wird gleich eine Fischplatte mit dem aktuellen Fang vorgeführt. Ich hab mich für einen roten, großäugigen Fisch entschieden, der Nordischer Schleimkopf oder Colorada oder Alfonsiño auf Spanisch heißt, was schon viel besser klingt. Mit viel Zauberzehen gebraten, Runzelkartoffeln und Mojo war der sehr schmackhaft.